rog Berlin. - Die Medienvielfalt in Pakistan ist in hohem Maße gefährdet. Nur eine Handvoll Medien vereinen mehr als die Hälfte der Mediennutzerinnen und Mediennutzer auf sich. Eine laxe Gesetzgebung setzt der Medienkonzentration wenig Grenzen. Infolge dessen ist die Vielfalt der Nachrichtenquellen, aus denen sich die pakistanische Öffentlichkeit informieren kann, sowie die Vielfalt der vertretenen Weltanschauungen und Meinungen stark eingeschränkt. Das sind zentrale Ergebnisse des gemeinsamen Rechercheprojekts Media Ownership Monitor (MOM) Pakistan von Reporter ohne Grenzen (ROG) und dem pakistanischen Projektpartner Freedom Network.

"Echte Pressefreiheit bedeutet mehr als die Abwesenheit staatlicher Repression. Nur in einer vielfältigen, pluralistischen Medienlandschaft und nur, wenn Journalistinnen und Journalisten komplett frei arbeiten können, können die Medien ihrer demokratischen Pflicht nachkommen, die Öffentlichkeit unabhängig zu informieren", erklärte ROG-Geschäftsführer Christian Mihr in Berlin.

"Die Ergebnisse zeigen, dass Pakistan mehr Vielfalt in der Medieneigentümerschaft braucht, damit es eine größere Vielfalt der Nachrichtenquellen gibt. Die MOM-Recherchen liefern eine einzigartige Grundlage für eine Debatte über dieses Thema", ergänzte Iqbal Khattak, Geschäftsführer von Freedom Network.

Für das MOM-Projekt wurden die jeweils zehn reichweitenstärksten Medien in den Sektoren Fernsehen, Radio, Zeitung und Online untersucht. Auf dieser Grundlage wurden, wie schon in den 20 MOM-Projekten zuvor, zehn Indikatoren berechnet, die über die Gefahren für den Medienpluralismus im Land Aufschluss geben. Nur ein Indikator (Aufsichtsrechtliche Sicherheitsmaßnahmen zur Eigentumstransparenz) zeigte ein geringes Risiko, zwei Indikatoren zeigten ein mittleres und sechs Indikatoren ein mittleres bis hohes oder hohes Risiko. Das Risiko für Marktkonzentration konnte aufgrund mangelnder Daten zu den Marktanteilen der einzelnen Medienunternehmen nicht ermittelt werden.

Das Risiko für Konzentration der Publikumsanteile ist unterdessen als hoch einzuschätzen: Nur vier Fernseh- und Radiosender sowie Zeitungen und Nachrichtenwebseiten vereinen mehr als die 50 Prozent der Mediennutzerinnen und Mediennutzer auf dem jeweiligen Markt auf sich.

Crossmediale Eigentumskonzentration, also die Konzentration von Eigentum in mehreren Mediensektoren, stellt in Pakistan ein mittleres Risiko dar. Die acht größten Akteure auf dem pakistanischen Medienmarkt (Jang, ARY, Express, die Regierung, Nawa-i-Waqt, Samaa, Dawn und Dunya) sind alle in nennenswertem Umfang in mehr als einem Sektor aktiv. Die Jang Group als größter crossmedialer Eigentümer vereint sektorenübergreifend mehr als ein Drittel der Publikumsanteile unter den 40 untersuchten Medien. Auch die Regierung zählt mit der Pakistan Television Company (PTV), der Pakistan Broadcasting Corporation (PBC) und den FM-101-Radiostationen zu den größten crossmedialen Medieneigentümern.

Zusammen erreichen die acht größten Akteure sektorenübergreifend mindestens 68 Prozent der Publikumsanteile – die Zahl ist vermutlich noch höher, da die Reichweiten kleinerer Medien in Eigentümerschaft dieser Gruppen nicht erhoben wurden.

Die Ergebnisse basieren auf Daten, die das MOM-Rechercheteam aus offiziellen und nichtoffiziellen Quellen zusammengetragen hat, darunter Regierungsstellen, Medienhäuser und deren Eigentümerinnen und Eigentümer. Zahlen zu Zuschauerquoten erwarb das Team beim Marktforschungsinstitut Gallup Pakistan. Öffentlich zugängliche Daten erhielt es nach Zahlung einer Gebühr an von den Handelsregistern in Islamabad, Karachi und Lahore.

Analysiert wurden auch die rechtlichen Rahmenbedingungen, vor allem in Bezug auf Konzentrationskontrolle und Netzneutralität. Es stellte sich heraus, dass die Behörden zwar sehr aktiv in die Inhalte von Berichterstattung eingreifen, aber kaum als Moderatoren des Marktes, Wächter über die Einhaltung professioneller Standards oder Schützer der Rechte von Mediennutzerinnen und Mediennutzern in Erscheinung treten. In Folge dessen werden der Medienkonzentration kaum Grenzen gesetzt. Es gibt keine gesetzlichen Vorgaben zur Sicherung der Medienvielfalt, weder in Bezug auf Publikumsanteile noch in Bezug auf Auflage, Gewinn, Grundkapital oder Stimmrechte.

Zudem hinkt der Rechtsrahmen den aktuellen Entwicklungen auf dem Medienmarkt hinterher. So fehlen etwa Gesetze zur Sicherstellung von Netzneutralität. Das ist insofern problematisch, als ohne Netzneutralität die Medienvielfalt im Netz ebenso wenig sichergestellt werden kann wie die gleichen Möglichkeiten zur Nutzung und Verbreitung von Informationen für alle Nutzerinnen und Nutzer sowie alle Online-Journalistinnen und Online-Journalisten.

Nach der Jahrtausendwende ist der pakistanische Medienmarkt geradezu explosionsartig gewachsen. Bevor im Jahr 2002 der Rundfunkmarkt für private Unternehmen geöffnet wurde, gab es nur einen staatlichen Fernsehsender und einen staatlichen Radiosender. Aktuell gibt es nach Angaben der pakistanischen Regulierungsbehörde für elektronische Medien (PEMRA) 88 Fernseh- und 209 Radiosender.

Seit Mitte 2018 befindet sich die pakistanische Medienlandschaft in einer Krise. 2.000 Medienschaffende wurden entlassen, mehrere Publikationen wurden eingestellt. Die Ursachen sind zum einen in der Wirtschaftskrise und den damit verbundenen sinkenden Werbeeinnahmen zu suchen, zum anderen in den Wahlen vom Juli 2018 und den anschließenden Kürzungen bei staatlichen Fördermitteln. Allein der Marktführer Jang Group kündigte an nur einem Tag 1.400 Beschäftigten. Die Express Media Group und die Dunya Media Group (das dritt- und viertgrößte Medienunternehmen des Landes) entließen 200 Journalistinnen und Journalisten und kürzten die Gehälter der verbleibenden Beschäftigten um 15 bis 35 Prozent.

Auf der Rangliste der Pressefreiheit liegt Pakistan auf Platz 142 von 180 Staaten.

Quelle: www.reporter-ohne-grenzen.de 


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