rog logo neuBerlin. - Reporter ohne Grenzen (ROG) hat Bundeskanzlerin Angela Merkel anlässlich ihrer Indien-Reise am Donnerstag aufgefordert, bei ihren Gesprächen die schwierige Sicherheitslage von Journalistinnen und Journalisten im Land anzusprechen. Indien gehörte 2018 zu den fünf Ländern, in denen weltweit die meisten Medienschaffenden wegen ihrer Arbeit starben. Auch in diesem Jahr wurden mehrere Journalistinnen und Journalisten brutal angegriffen, mindestens zwei entkamen dabei nur knapp dem Tod.

Merkel müsse zudem die anhaltenden Internetsperren in Kaschmir verurteilen, die die Arbeit von Medienschaffenden stark einschränken und der lokalen Bevölkerung den Zugang zu unabhängigen Informationen erschweren, so ROG. "Die Pressefreiheit muss einen zentralen Platz in den Gesprächen mit Premierminister Narendra Modi einnehmen. Wir fordern die Bundeskanzlerin auf, die Gewalt gegen Journalistinnen und Journalisten in Indien unmissverständlich zu verurteilen und sich für einen effektiven Schutz von Medienschaffenden einzusetzen", sagte ROG-Geschäftsführer Christian Mihr.

Ob Polizeigewalt, Übergriffe durch maoistische Guerillas oder Repressalien durch kriminelle Gruppen und korrupte Politikerinnen und Politiker – Gewalt gegen Medienschaffende prägt die Lage der Pressefreiheit in Indien. Anfang Oktober griffen mit Stöcken bewaffnete Männer die Fernsehjournalisten und Brüder Kuldip und Ashok Parmar im Bundesstaat Gujarat an. Die beiden recherchierten in dem Ort Kunvarsi über die mutmaßliche Veruntreuung staatlicher Mittel für Schulen. Kuldip Parmar musste mit einem gebrochenen Bein im Krankenhaus behandelt werden. Ashok identifizierte einen der Angreifer als den Bruder eines Lokalpolitikers der regierenden Bharatiya Janata Party (BJP).

Ende September überlebte der Journalist Nagarjuna Reddy nur knapp einen Übergriff im Bundesstaat Andhra Pradesh. Kurz nachdem er eine Polizeistation in der Stadt Ongole verlassen hatte, wurde Reddy von rund 25 mit Stöcken, Stahlstangen und Messern bewaffneten Personen aufgehalten. Sie brachten ihn an einen abgelegenen Ort, schlugen und folterten ihn und ließen seinen Körper liegen, vermutlich in der Annahme, dass Reddy tot sei. Passanten fanden den Journalisten und brachten ihn in ein Krankenhaus in der benachbarte Stadt Chirala, wo er wegen zahlreicher schwerer Verletzungen am ganzen Körper und einem gebrochenen Bein behandelt wurde. Nachdem die Polizei Reddy und seine Frau befragt hatte, nahm sie fünf Personen fest.

Reddy hat mit seinen Artikeln wiederholt einen Lokalpolitiker und die mit der sogenannten Sand-Mafia verbundene Korruption kritisiert. Diese verdient mit dem illegalen Abbau von Sand Geld. In einem ausführlichen Themenbericht zu organisierter Kriminalität hat Reporter ohne Grenzen im November 2018 untersucht, mit welchen brutalen Methoden die Sand-Mafia unter anderem im Indien gegen Journalistinnen und Journalisten vorgeht, die ihr auf der Spur sind. Dabei schreckt sie selbst vor Mord nicht zurück. Auch Reddy wurde bereits 2018 im Zusammenhang mit seiner Berichterstattung über den illegalen Sand-Abbau verprügelt.

Am 28. Juli überlebte im Bundesstaat Bihar ein weiterer Journalist nur knapp einen Angriff. Zwei Männer schossen auf den Reporter Pradeep Mandal, der für die Zeitung Dainik Jagran arbeitet. Er wurde von Passanten gerettet und in ein Krankenhaus gebracht. Laut Mandal handelt es sich bei den Tätern um zwei wegen Alkoholschmuggels angeklagte Männer, die eine Woche zuvor gegen Kaution aus dem Gefängnis entlassen wurden. Seine Zeitungskollegen gehen davon aus, dass der Übergriff eine direkte Folge eines Artikels von Mandal über die mutmaßlichen Schmuggler sei. Die Polizei hat inzwischen einen Haftbefehl ausgestellt.

Mindestens sechs Medienschaffende sind im vergangenen Jahr in Indien wegen ihrer Arbeit getötet worden. Damit gehörte Indien neben Afghanistan, Mexiko, Syrien und dem Jemen zu den gefährlichsten Ländern für Journalistinnen und Journalisten weltweit. Viele weitere wurden das Ziel von Mordversuchen, körperlichen Angriffen und Drohungen. Die relativ hohe Zahl der Morde zeigt, wie gefährlich die Situation für Medienschaffende ist. Das gilt vor allem für Reporterinnen und Reporter, die in ländlichen Gebieten für lokale Medien berichten.

Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht Indien auf Platz 140 von 180 Staaten.

Quelle: www.reporter-ohne-grenzen.de 


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