Berlin. - Das Jahr 2020 muss die Kehrtwende beim Klimaschutz und beim Erhalt der biologischen Vielfalt bringen. Andernfalls droht ein ökologischer Kollaps, wie der jüngste Bericht des Weltbiodiversitätsrats mahnt. In der Öffentlichkeit wächst das Bewusstsein für die existenzielle Bedrohung und ihre Ursachen, wie eine Umfrage im Auftrag des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) zeigt. Eine Mehrheit der Deutschen wirft der Politik Untätigkeit im Kampf gegen das Artensterben vor.
Die repräsentative Umfrage von Kantar im Auftrag des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland ergab: 77 Prozent der Befragten sind der Ansicht, dass die Bundesregierung zu wenig tut, um das Artensterben zu stoppen.
"Angesichts der Menschheitsaufgaben Klima- und Biodiversitätsschutz und der Übernutzung unserer Ressourcen erleben wir eine politische Führung, die zaudert und zögert und damit unsere Zukunft aufs Spiel setzt", erklärte der BUND-Vorsitzende Olaf Bandt. "2020 muss die Kehrtwende bringen und den ökologischen Kollaps und die Klimakrise abwenden."
Deutschland als starke Wirtschaftsnation mit großem ökologischen Fußabdruck trage hier eine besondere Verantwortung. Die repräsentative Umfrage im Auftrag des BUND belege auch: Eine Mehrheit ist sich ihrer Verantwortung durchaus bewusst und sieht das Artensterben als vom Menschen verursacht an. Umweltverschmutzung, Industrie und Wirtschaft sowie der Klimawandel als Folge eines zerstörerischen Lebensstils gelten vielen als die Hauptursachen.
"Die Bundesregierung muss endlich die Ursachen der derzeit größten globalen Krisen angehen, die Vernichtung von Arten und Lebensräumen sowie die fortschreitende Klimaerhitzung. Sie muss sich mit aller Kraft dafür einsetzen, dass im nächsten Jahr national, europäisch und weltweit ehrgeizige Ziele und wirksame Maßnahmen für den Schutz der biologischen Vielfalt und des Klimas beschlossen werden und unverzüglich mit ihrer Umsetzung begonnen wird. Nur dann gibt es eine Chance, einen Kollaps von Natur und Klima noch abzuwenden", sagte der BUND-Vorsitzende. "2020 ist für die Politik das Jahr der Wahrheit. Staats- und Regierungschefs sowie alle Ministerien sind in der Pflicht, alles für eine Kehrtwende zu tun, um unseren Planeten zu retten. Ein 'Weiter so' würde das Gegensteuern immer schwieriger, wenn nicht sogar unmöglich machen."
Eine zentrale Ursache des Artensterbens und des Verschwindens der Ökosysteme ist laut dem diesjährigen Bericht des Weltbiodiversitätsrates, dass weltweiter Handel und Konsum den Druck auf die Natur in den vergangenen Jahrzehnten vervielfacht haben. So sei etwa der enorme Verbrauch an Energie, Fleisch, Palmöl, Papier, Metallen und seltenen Erden für das Verschwinden der Tropenwälder und anderer Ökosysteme verantwortlich.
"Ein Versagen der Bundesregierung, der EU und der Weltgemeinschaft beim Schutz der Artenvielfalt und der Ökosysteme würde in naher Zukunft zu irreparablen Schäden nicht nur mit verheerenden Folgen für unsere Lebensgrundlagen, sondern auch mit immensen Kosten für Wirtschaft und Gesellschaft führen", warnte Bandt. Der BUND forderte die Bundesregierung daher auf, sich in der EU und weltweit für effektive Maßnahmen zum Erhalt von Arten und Lebensräumen und zur Umsetzung des 1,5-Grad-Zieles des Pariser Abkommens einzusetzen.
Der BUND fordert angesichts der globalen Krisen einen grundlegenden Systemwandel. "Unendliches Wachstum auf einem endlichen Planeten ist unmöglich, wenn es nicht in dessen Zerstörung münden soll", so Bandt. "Die Bundesregierung muss den politischen Rahmen für nachhaltiges Wirtschaften und nachhaltigen Konsum setzen und beispielsweise umweltschädliche Subventionen in der Agrarpolitik, in der Fischerei und im Verkehr endlich stoppen. Es bedarf zudem einer breiten gesellschaftliche Debatte ohne Scheuklappen, um unseren Lebensstil und unser Wirtschaftsmodell grundlegend zu ändern. Wirtschaft darf kein Eigenleben mehr gegen Natur und Menschen führen. Wir brauchen ein neues Bewusstsein für die Grenzen von Wachstum und Konsum, für Solidarität und Gerechtigkeit – einen tiefgreifenden sozial-ökologischen Umbau."
Für die Landwirtschaft, die in der Umfrage ebenfalls zu den Hauptverursachern für das Aussterben von Tieren und Pflanzen gezählt wird, gilt laut Bandt: "Eine Agrarwende ist unumgänglich. Dieser Prozess muss in einen neuen Gesellschaftsvertrag mit der Landwirtschaft eingebettet sein. Bei diesem gesellschaftlich gewünschten Umbau müssen die Landwirtinnen und Landwirte finanziell unterstützt werden. Die Reform der EU-Agrarpolitik muss Landwirtinnen und Landwirte unterstützen, im Einklang mit der Natur klimafreundlich und tiergerecht zu wirtschaften."
Um das Massenaussterben zu stoppen, sei insbesondere eine deutliche Reduktion des Einsatzes von Pestiziden in der Landwirtschaft, in Gärten und im städtischen Grün notwendig, so der BUND. Das Verbot von besonders gefährlichen Pestiziden wie Glyphosat oder Neonikotinoiden stehe weiter auf der Tagesordnung. Hinzukommen müsse ein Auftrag an die Kommunen, Lebensräume für Insekten wie Hecken, Blühstreifen, artenreiche Wiesen oder Brachflächen zu schaffen.
Quelle: www.bund.net