rsfBerlin. - Reporter ohne Grenzen (RSF) ist entsetzt über das harte Urteil eines Gerichts in Manila, das die philippinische Journalistin Maria Ressa am Montag der Verleumdung für schuldig befunden hat. Die Chefredakteurin des Online-Magazins Rappler und ihr Rechercheautor Reynaldo Santos Jr. wurden wegen eines Artikels über einen Geschäftsmann aus dem Jahr 2012 verurteilt und müssen mir einer Haftstrafe von bis zu sechs Jahren rechnen.

Grundlage des Urteils war ein Cyberkriminalitätsgesetz, das erst nach Erscheinen des Artikels in Kraft trat. Ressa und Santos wurde erlaubt, bis zum Berufungsverfahren auf Kaution auf freiem Fuß zu bleiben.

"Durch dieses harte Urteil am Ende eines absurden Verfahrens hat die philippinische Justiz einen völligen Mangel an Unabhängigkeit von der Regierung bewiesen", sagte Christian Mihr, Geschäftsführer von Reporter ohne Grenzen. "Das Urteil trägt eindeutig die Handschrift von Präsident Duterte. Er will an Rappler und speziell an Maria Ressa als Symbolfigur ein Exempel statuieren, um jegliche unabhängige Kritik auszumerzen. Wir fordern die Richter in Manila nachdrücklich auf, der philippinischen Justiz ihre Glaubwürdigkeit zurückzugeben und das Urteil im Berufungsverfahren aufzuheben."

In dem Verfahren gegen die Nachrichtenplattform Rappler und Chefredakteurin Maria Ressa ging es um einen 2012 auf Rappler erschienenen Artikel über angebliche Verbindungen zwischen dem philippinischen Geschäftsmann Wilfredo Keng und dem damaligen Präsidenten am Obersten Gerichtshof des Landes. Keng reichte fünf Jahre später, im Oktober 2017, Beschwerde dagegen ein. Grundlage dafür war ein rund vier Monate nach Erscheinen des Artikels erlassenes Gesetz zu Cyberkriminalität.

Die philippinische Ermittlungsbehörde NBI wies die Beschwerde im Februar 2018 ab, weil das Gesetz nicht rückwirkend gelte und die einjährige Frist für die Einreichung von Beschwerden bereits verstrichen sei. Doch im darauffolgenden Monat nahm sie die Entscheidung zurück und das Justizministerium ließ das Verfahren im Februar 2019 wieder aufnehmen.

Keng argumentierte offenbar, dass der Artikel 2014 aktualisiert worden sei, also nachdem das neue Gesetz in Kraft getreten ist. Nach Angaben von Rappler besagt die geltende Rechtsprechung, dass eine "Neuveröffentlichung" einen "neuen Grund für eine Verleumdungsklage" schaffen kann. Das treffe aber nur zu, wenn eine Webseite "wesentlich verändert" wurde. Laut Rappler wurden an dem 2012 veröffentlichten Artikel keine wesentlichen Änderungen vorgenommen, sondern lediglich ein falsch geschriebenes Wort korrigiert.

Am 13. Februar 2019 verhafteten NBI-Mitarbeiter Ressa in der Rappler-Zentrale in der Hauptstadt Manila. Die Journalistin musste eine Nacht in Gewahrsam verbringen, bevor sie gegen Kaution freikam.

Maria Ressa ist zu einem Symbol für den Kampf der philippinischen Medien gegen die Einschüchterungen durch Präsident Rodrigo Duterte geworden. Das Time Magazine kürte Ressa 2018 zusammen mit weiteren Journalistinnen und Journalisten zur "Person des Jahres". Im gleichen Jahr erhielt sie den Preis für Pressefreiheit des Committee to Protect Journalists. Sie war Mitglied der von RSF ins Leben gerufenen Kommission aus Nobelpreisträgerinnen, Journalisten und Mitgliedern der Zivilgesellschaft, die im November eine "Internationale Erklärung über Information und Demokratie" veröffentlichten. In dieser wurde ein weltweites Grundrecht auf freie und unabhängige Informationen gefordert.

Das Verfahren gegen Rappler und Ressa ist das jüngste Beispiel in einer Reihe von systematischen juristischen Schikanen, denen sie seit mehr als zwei Jahren durch verschiedene Regierungsbehörden ausgesetzt sind. Rappler sieht sich mit zehn weiteren ähnlichen Klagen konfrontiert, die sich entweder gegen die Seite selbst oder gegen Ressa richten. Auch in diesen Fällen sind die Vorwürfe haltlos und sollen die Journalistinnen und Journalisten einschüchtern, so RSF.

Die Behörden haben Rappler in der Vergangenheit zudem mit Entzug der Lizenz gedroht, den Reporterinnen und Reportern den Zugang zum Präsidentenpalast verweigert und und sie der Steuerhinterziehung bezichtigt.

Rappler ist nicht das einzige Medium auf den Philippinen, das systematisch gegängelt wird. Anfang Mai ordnete die staatliche Kommission für Telekommunikation die Schließung des Rundfunknetzwerks ABS-CBN an. Kurz zuvor war die Lizenz abgelaufen. ABS-CBN war das größte philippinische Radio- und TV-Netzwerk und gehörte zu den wenigen Medien, die sich noch trauten, die Regierung zu kritisieren.

Die Philippinen gehören zu den gefährlichsten Ländern für Journalistinnen und Journalisten in Asien. Im vergangenen Jahr wurden dort mindestens drei Medienschaffende wegen ihrer journalistischen Arbeit getötet. Auf der Rangliste der Pressefreiheit stehen die Philippinen auf Rang 136 von 180 Staaten.

Quelle: www.reporter-ohne-grenzen.de 


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