Berlin. - Amnesty International, Brot für die Welt und Oxfam Deutschland fordern den Vorstand von Biontech zu einem umfassenden Technologietransfer auf. Die drei zivilgesellschaftlichen Organisationen haben gemeinsam mit dem Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre Fragen für die Hauptversammlung eingereicht und appellieren an das Unternehmen, erstens dem mRNA-Hub der Weltgesundheitsorganisation (WHO) das Produktions-Know-How zur Verfügung zu stellen, zweitens Impfstoffe global gerechter zu verteilen und drittens Preisgestaltung und Verträge transparent zu machen. Nur so könnten sich Länder mit geringem Einkommen selbst mit lebensrettenden Impfstoffen versorgen.
Trotz massiver staatlicher Förderung und Rekordgewinnen plane Biontech bislang wenig, um die Impfstoffversorgung in einkommensschwachen Ländern zu verbessern, so die NGOs. Die in aktuell zwei afrikanischen Ländern geplanten Container-Fabriken ("Biontainer") lieferten zu spät und zu wenig. Zudem sei unklar, ob Biontech umfassend Know-How und Technologien bereitstellen werde, so dass vor Ort unabhängig produziert werden kann. Im Juli 2021 hatte die WHO einen mRNA-Hub in Südafrika eingerichtet, um einen patentfreien Impfstoff für die Länder des Globalen Südens zu entwickeln. Biontech habe bislang jede Unterstützung für den Hub verweigert.
"Laut Jahresbericht möchte Biontech den Zugang zu Gesundheitstechnologien demokratisieren", sagte Pia Schwertner, Gesundheitsexpertin bei Oxfam Deutschland. "Wenn das mehr als eine bloße Phrase ist, muss das Unternehmen endlich mit dem mRNA-Hub der WHO kooperieren und Technologien und Know-How teilen. Das ist der einzige Weg, um die Produktion zu erleichtern, zu diversifizieren und einkommensschwache Länder strukturell unabhängig von Almosen zu machen."
Im vergangenen Jahr hatte Biontech fast ausschließlich wohlhabende Länder mit Impfstoff beliefert. Das habe dem Unternehmen einen Nettogewinn von 10,3 Milliarden Euro beschert und seinen Aktionär*innen die aktuelle Sonderdividende. Nur ein Prozent der Biontech / Pfizer-Produktion sei 2021 an Länder mit geringem Einkommen gegangen. Dort hätten nur knapp 16 Prozent der Menschen zumindest eine Impfdosis erhalten, während in wohlhabenden Ländern bereits die vierte Impfung möglich ist. Diese Ungerechtigkeit verletze die Menschenrechte im Globalen Süden und verschärfe strukturelle Ungleichheiten. Biontech und Pfizer hätten erheblichen Anteil daran, weil sie den geringsten Anteil ihrer Produktion in einkommensschwache Länder geliefert hätten.
Annelen Micus, Menschenrechtsexpertin bei Amnesty International, erklärte: "Dem Lippenbekenntnis zu den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte zum Trotz hat Biontech Profitinteressen über die Gesundheit von Millionen von Menschen gestellt und zur Verletzung ihrer Rechte beigetragen. Das Unternehmen muss endlich seiner menschenrechtlichen Verantwortung gerecht werden und allen Menschen weltweit gleichermaßen Zugang zu lebensrettenden Impfungen ermöglichen."
Biontechs Gewinne seien ermöglicht worden durch 375 Millionen Euro Förderung vom Bundesforschungsministerium und weitreichende Abnahmegarantien von Regierungen weltweit, so die NGOs. Der Impfstoff basiere zudem auf der jahrzehntelangen Forschung an der mRNA-Technologie, massiv finanziert durch staatliche Mittel, darunter 17,2 Milliarden US-Dollar von der US-Regierung zwischen 2000 und 2019. Es könne nicht sein, dass es trotz dieser öffentlichen Förderung allein dem Unternehmen obliege, an wen und zu welchen Konditionen das Vakzin verkauft wird und dass Preisgestaltung und Verträge nicht offengelegt werden müssen.
"Staatliche Förderung von Pharmaunternehmen muss klar an die Bedingungen gebunden werden, dass die Forschungsergebnisse und Arzneimittel weltweit verfügbar und erschwinglich sind", sagte Mareike Haase, Gesundheitsexpertin bei Brot für die Welt. "Die Nutzung öffentlicher Mittel, die Preisgestaltung und Verträge müssen offengelegt werden. Nur so kann sichergestellt werden, dass alle Menschen davon profitieren und Profite nicht über Menschenleben stehen."
Amnesty International, Brot für die Welt und Oxfam Deutschland sind Teil der People's Vaccine Alliance, einem Bündnis von fast 100 Organisationen, das sich für die Aussetzung der geistigen Eigentumsrechte auf Mittel zur Bekämpfung von COVID-19 einsetzt.
Quelle: www.brot-fuer-die-welt.de