oxfamBerlin. - Zahlreiche Länder haben seit Ausbruch der Corona-Pandemie durch ihre Politik zum Anstieg der Ungleichheit beigetragen. Die meisten Regierungen haben ihren Anteil an den Ausgaben für Gesundheit, Bildung und soziale Sicherung gekürzt und es gleichzeitig versäumt, die Steuern auf exzessive Gewinne und steigenden Reichtum zu erhöhen oder die Mindestlöhne anzuheben. Das geht aus einem aktuellen Bericht hervor, den Oxfam gemeinsam mit Development Finance International (DFI) veröffentlicht hat.

Der "Commitment to Reducing Inequality Index 2022" (CRI) untersucht die Politik der Regierungen zur Bekämpfung sozialer Ungleichheit in 161 Ländern seit Ausbruch der Pandemie. Der Bericht zeigt, dass die Hälfte der einkommensschwachen Länder die Gesundheitsausgaben ungeachtet der Pandemie gekürzt haben. Außerdem kürzte fast die Hälfte aller Länder den Anteil für soziale Sicherung, über zwei Drittel der Länder (70 Prozent) haben den Anteil für Bildung gekürzt. Trotz des Drucks auf die Staatsfinanzen verzichteten 95 Prozent aller Länder (143 von 161) auf eine stärkere Besteuerung sehr reicher Menschen und großer Unternehmen, elf Länder haben sogar entsprechende Steuern gesenkt. Vor dem Hintergrund weltweit steigender Lebensmittel- und Energiepreise haben es zudem zwei Drittel der Länder versäumt, die Mindestlöhne anzuheben.

"Coronapandemie, Klimakrise und steigende Lebensmittel- und Energiepreise verschärfen die soziale Ungleichheit und Armut weltweit", sagte Tobias Hauschild, Leiter Soziale Gerechtigkeit von Oxfam Deutschland. "Insbesondere auf gering bezahlte Arbeitnehmer*innen, vor allem Frauen, haben die Krisen massive negative Auswirkungen. Unser Index zeigt, dass die meisten Regierungen nicht die notwendigen Maßnahmen ergreifen, um dieser Explosion der Ungleichheit entgegenzuwirken. Die Hauptlast dieser Krisen tragen die Menschen am unteren Ende der Einkommensskala. Millionen Menschen leiden deshalb unter Armut. Gleichzeitig haben sehr viele Vermögende und Konzerne ihre Gewinne trotz Krise massiv gesteigert. Die Politik muss sie endlich stärker in die Verantwortung nehmen."

Der Bericht zeigt, dass in der multiplen Krisenlage auch eine andere Politik möglich ist. So hat Costa Rica seine Spitzeneinkommenssteuer um 10 Prozentpunkte angehoben, Neuseeland um 8 Prozentpunkte und Argentinien hat eine Sonderabgabe auf große Vermögen erhoben. Senegal erhöhte den Anteil seiner Bildungsausgaben am Staatshaushalt um ein Fünftel und den für soziale Sicherung um ein Drittel. Barbados führte eine umfassende Reihe von Gesetzen zur Verbesserung der Arbeitsrechte von Frauen ein.

In vielen Ländern fehlt der fiskalische Spielraum, um der derzeitigen Krisenlage zu begegnen. Im Jahr 2021 gaben die Länder mit niedrigem Einkommen 27,5 Prozent ihrer Haushaltsmittel für die Rückzahlung ihrer Schulden aus – doppelt so viel wie für Bildung, viermal so viel wie für Gesundheit und fast zwölfmal so viel wie für soziale Sicherung. Ungleichheit und die Armut in den einkommensschwachen Ländern werden durch das Beharren des IWF auf neuen Sparmaßnahmen zum Abbau von Schulden und Haushaltsdefiziten weiter verschärft: Der CRI-Bericht zeigt, dass auf der Grundlage von IWF-Daten drei Viertel aller Länder weltweit in den nächsten fünf Jahren weitere Ausgabenkürzungen in Höhe von insgesamt 7,8 Billionen Dollar planen.

"Für jeden Dollar, der für Gesundheit ausgegeben wird, zahlen einkommensschwache Länder vier an ihre Gläubiger", so Hauschild. "Die Bundesregierung muss sich auf der IWF / Weltbank Jahrestagung und im Rahmen der G20 für einen umfassenden Schuldenerlass einsetzen. Darüber hinaus muss sie die für 2023 vorgesehenen Kürzungen der Entwicklungsleistungen im Bundeshaushalt unbedingt rückgängig machen, um Bildung, Gesundheit und soziale Sicherung in einkommensschwachen Ländern zu finanzieren. Dafür sollten auch Einnahmen aus einer umfassenden Übergewinnsteuer genutzt werden."

Quelle: www.oxfam.de