cop28 abschluss al jaber 800
COP28-Präsident Al Jaber – gleichzeitig Präsident des staatlichen Ölkonzerns der Vereinigten Arabischen Emirate. Screenshot: epo.de

Dubai. - Zum Ende des Weltklimagipfels in Dubai (COP28) bleibt alles wie es immer war: Die Delegierten feiern sich selbst, die Weltpresse spricht von »landmark deal to ‘transition away’ from fossil fuels« (Guardian) oder - vorsichtiger - von einer COP28-Abschlusserklärung, die den Abschied von Kohle, Öl und Gas nur vage beschreibt (Süddeutsche Zeitung, auch DIE ZEIT). Die Vereinten Nationen setzen auf Künstliche Intelligenz, da die natürliche Intelligenz von rund 70.000 Delegierten offenbar nicht ausreicht. Und der Business Insider meldet die neuesten Deals der Öl- und Gasindustrie.

Immerhin blieb UN-Generalsekretär Antonio Guterres deutlich: »Science tells us that limiting global heating to 1.5°C will be impossible without the phase out of fossil fuels. This was also recognized by a growing & diverse coalition of countries at #COP28. The era of fossil fuels must end – and it must end with justice & equity.«

Für Deutschland spricht Außenministerin Annalena Baerbock. »Wir haben entschieden, die fossilen Energieträger auslaufen zu lassen«, sagt sie sinngemäß, und lobt die familiäre Atmosphäre beim COP28. Der Präsident der Konferenz in Dubai, Sultan Al Jaber, ist gleichzeitig Präsident des staatlichen Ölkonzerns. Es hätte schlechtere Ergebnisse geben können. Doch auch dieser Kompromiss (PDF) ist vermutlich nur ein Papiertiger.

Warum, haben wir bereits an anderer Stelle beschrieben: Um 2,5 bis 2,9 Grad Celsius könnte die globale Temperatur bis Ende des Jahrhunderts ansteigen, so die Prognose des UN-Umweltprogramms (UNEP). Selbst wenn die Zusagen aus dem Pariser Klimaabkommen eingehalten würden, die Erderhitzung auf unter 2 Grad zu begrenzen und möglichst das 1,5 Grad-Ziel nicht zu überschreiten, könnten es bis zu 2,9 Grad werden! Falls die UN-Prognosen diesmal stimmen.

Der SPIEGEL schreibt: »Der Text der Konferenz-Präsidentschaft aus den Vereinigten Arabischen Emiraten wurde am Mittwochmorgen veröffentlicht und bereits wenige Stunden später im Plenum angenommen. In dem Papier werden die Staaten aufgefordert, sich von fossilen Brennstoffen in ihren Energiesystemen abzuwenden. Mehr als hundert Staaten hatten zuvor eine weitergehende Formulierung gefordert, nämlich einen Ausstieg (»Phase out«). Allerdings ließ der Text auch Hintertüren offen – wie die weitere Nutzung von Gas sowie den Einsatz umstrittener Technologien zur Speicherung und Abscheidung von CO₂. Enthalten ist zudem das Ziel, die Kapazität der erneuerbaren Energien bis 2030 zu verdreifachen und das Tempo bei der Energieeffizienz in diesem Zeitraum zu verdoppeln. Die G20-Staaten hatten sich dies bereits vorgenommen.«

Al Jaber feiert den »historischen« Beschluss von Dubai: »Erstmals« sei der Abschied von fossilen Energieträgern ins Auge gefasst worden. »Wir haben geliefert«, »im Dienste des Planeten«. »Save this beautiful planet for the generations to come«, »historic achievement«. Inshallah. Die Grünen stehen dem auf Twitter nicht nach: „#COP28: Die Welt hat sich entschieden – für das Ende der Fossilen bis 2050! Das ist ein Durchbruch. Die Hartnäckigkeit unserer Außenministerin @ABaerbock, der EU & vieler weiterer Staaten hat sich ausgezahlt. Jetzt müssen wir mit klaren Zielen in die Umsetzung kommen.«

Der WWF Deutschland twittert: „Erstmals in der Geschichte der Klimakonferenzen hat man sich auf die globale Abkehr von fossilen Energien geeinigt.“ In der Tat. Früher ging es nicht, denn die fossile Industrie, die Al Jaber repräsentiert, hat dies immer zu verhindern gewusst. Bald werden die Ölkonzerne so viel Geld verdient haben, dass sie Produzenten erneuerbarer Energien bequem aufkaufen und sich an die Spitze des "Green Deals" setzen können. Ob das noch rechtzeitig kommt und ob die Welt das verkraftet, steht auf einem anderen Blatt.

Ottmar Edenhofer, Direktor des Berliner Klimaforschungsinstituts MCC (Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change) und des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, sieht keine Chance für ein "Business as usual" mehr und bauchpinselt die großen Verschmutzer: "Jetzt geht es um das Ende des fossilen Zeitalters – das ist ein echter Fortschritt. Der Handlungsaufruf zur Abkehr von Kohle, Öl und Gas mit dem Ziel der Treibhausgasneutralität bis 2050 ist für Regierungen in aller Welt ein wichtiger Orientierungspunkt. Die EU-Staaten mit ihrem großen Klimaschutz-Plan European Green Deal dürfen sich ermutigt sehen, Kurs zu halten, ebenso die USA mit ihrem Inflation Reduction Act.“

"ÖL, KOHLE UND GAS HABEN WIEDER GEWONNEN"

Ein kritische Stimme kommt von Oxfams International’s Climate Change Policy Lead, Nafkote Dabi: "Everyone fighting against the global climate crisis has little to celebrate from this disappointing COP28. Its final outcome is grossly inadequate. Oil, coal and gas won again, but they had to struggle harder to do so and their era is nearing its end. (...) “COP28 was doubly disappointing because it put no money on the table to help developing countries transition to renewable energies. And rich countries again reneged on their obligations to help people being hit by the worst impacts of climate breakdown, like those in the Horn of Africa who have recently lost everything from flooding, after an historic five-season drought and years of hunger. Developing countries, and the poorest communities, are left facing more debt, worsening inequality, with less help, and more danger and hunger and deprivation. COP28 was miles away from the historic and ambitious outcome that was promised.”

Weitere Stimmen:

Jan Kowalzig, Oxfam Deutschland: "Das Ergebnis der Konferenz ist durchaus ein deutliches Signal der Weltgemeinschaft, mit dem die schrittweise Abkehr von den fossilen Energien eingeläutet wird. Allerdings kommt dieses Signal mit ärgerlichen Abstrichen, die die Einhaltung der wichtigen 1,5-Grad-Schwelle gefährden. Nach wie vor befindet sich die Welt auf eine Erwärmung um bis zu drei Grad Celsius zu, mit katastrophalen Konsequenzen insbesondere für die gefährdeten Länder des Globalen Südens."

Attac Deutschland: "Bundeskanzler Scholz hat Deutschland als Vorreiter für den Ausstieg aus fossilen Energien präsentiert, kündigt 200 Millionen Euro Ausgleich an Länder des Globalen Südens für verursachte Klimaschäden an und bewirbt die Idee eines „Klimaclubs“ für Strategien zur Dekarbonisierung des Industriesektors.
200 Millionen Euro als Ausgleich für Klimaschäden stehen in keinem Verhältnis zu den 2,6 Milliarden, die RWE als Ausgleich für entgangene Kohlegewinne erhält“, kritisiert Roland Süß, Welthandelsexperte von Attac. „Solange die Lobby der Fossilindustrie mehr Zugangspässe zur Weltklimakonferenz erhält als die Delegationen der zehn durch die Erderhitzung verwundbarsten Staaten, kann von ‚Verhandeln auf Augenhöhe‘ und Aufhebung der strukturellen Ungleichheit keine Rede sein.“

Katharina Dröge, Fraktionsvorsitzende Die Grünen: "Wir freuen uns sehr über den Durchbruch auf der Weltklimakonferenz. Die Weltgemeinschaft hat das Ende fossiler Energien beschlossen. Es gibt die klare Verpflichtung, den Ausstieg bei Erdöl, fossilem Gas und Kohle bis 2050 zu schaffen. Wir danken den unermüdlichen Verhandler*innen, und insbesondere unserer Außenministerin Annalena Baerbock, für ihren hartnäckigen Einsatz und dieses starke Ergebnis. Es hat sich gezeigt, dass beharrliche Verhandlungen und kluge Diplomatie in der Klima-Außenpolitik im Kampf gegen die Klimakrise den Unterschied machen. Wir sind froh, dass sich globale Verantwortung durchsetzen konnte."

Misereor: "Statt dem dringend nötigen Ende der Förderung und Nutzung von Öl, Gas und Kohle wird darin die Abwendung fossiler Rohstoffe – mit Verweis allein auf den Energieträger Kohle genannt."

CARE: "Die Abschlusserklärung der Weltklimakonferenz (COP28) in Dubai beinhaltet Hoffnung für die Zukunft, dass die Erderwärmung auf 1,5 Grad begrenzt werden kann. Sie zeigt aber zu wenig konkrete Maßnahmen auf, wie dies erreicht werden soll. Die Hilfsorganisation CARE fordert daher deutliche Nachbesserungen. Ein frühzeitiger Ausstieg aus den fossilen Energien muss umgesetzt und Länder des Globalen Südens, die schon heute massiv unter den Folgen des Klimawandels leiden, müssen adäquat unterstützt werden." (...) „Selbst wenn die vorliegenden Bestimmungen vollständig umgesetzt würden, wären Millionen Menschen im Globalen Süden immer noch mit Überschwemmungen, Bränden und Hungersnöten konfrontiert und stünden am Rande einer Klimakatastrophe“, sagt Sven Harmeling, Klimapolitischer Leiter von CARE International. „Die im Text betonte und wissenschaftlich untermauerte Dringlichkeit, die Emissionen global um mindestens 43 Prozent bis 2030 und um 65 Prozent bis 2035 zu reduzieren, kann nur durch einen schnellen und umfassenden Ausstieg aus fossilen Brennstoffen erreicht werden. Alles andere wäre ein Verrat der wohlhabenden Länder und großer Emittenten am Rest der Welt.“

Ekkehard Forberg, Klimaexperte von World Vision: „Angesichts der weit auseinanderklaffenden Vorstellungen der Verhandlungsteilnehmer muss man wohl damit zufrieden sein, dass es überhaupt zu einer Einigung gekommen ist. Dennoch: Ambitionierte Klimaziele geraten außer Reichweite und die Folgen, wie weltweite Hungerkrisen, werden sich absehbar verschärfen. Eine klare, verpflichtende Vorgabe für den Ausstieg aus fossilen Energieträgern ohne Wenn und Aber wäre das Gebot im Kampf gegen die Klimakrise gewesen.“

Clara Duvigneau, Fridays for Future Deutschland: Im Abschlussstatement der COP 28 werden mit der Abkehr von fossilen Energien wichtige Weichen gestellt. Es braucht jedoch einen konsequenten Ausstieg aus fossilen Energien, um das Pariser Abkommen einzuhalten - lediglich die richtige Richtung anzuerkennen, ist absolut unzureichend und verkennt die Realitäten und Dringlichkeit der Klimakrise. Die Klimakonferenz hat vieles nicht geschafft. Es bleiben viele Schlupflöcher, ungeklärte Fragen und Interpretationsspielräume, die zu einem fossilen weiter so verleiten. Es ist jetzt die Aufgabe der Staaten, ihre nationalen Klimaschutz-Ambitionen mehr denn je voranzutreiben und konsequente Maßnahmen umzusetzen. Das bedeutet für Deutschland ganz konkret: keine neuen fossilen Deals und die Abschaffung aller fossilen Subventionen." 

Brot für die Welt begrüßt die Fortschritte, die beim Klimagipfel erzielt wurden. "Es ist allerdings nicht gelungen, einen verbindlichen Ausstieg aus den Fossilen zu beschließen. Der Ausstieg aus den Fossilen wurde jedoch eingeleitet und die Zukunft gilt den Erneuerbaren Energien. Dies ist ein Durchbruch bei den sehr zähen Verhandlungen unter dem starken Einfluss von zahlreichen Lobbyvertretern der fossilen Energieträger. Jedoch wächst die Besorgnis, dass die Klimaschutzanstrengungen, die hier beschlossen wurden, nicht ausreichen, um die ärmsten Bevölkerungsgruppen im Globalen Süden ausreichend zu schützen in der Klimakrise."

Nachtrag: Olaf verkündet in seiner ruhigen Art, dass auch die ärmsten Bevölkerungsgruppen im eigenen Land nicht geschützt werden können. Höhere Energiepreise, noch mehr Millitärhilfe für die Ukraine, teures LNG-Gas, Wegfall staatlicher Subventionen (EEG-Umlage) - dank der Sanktionspolitik gegen das Böse, an die sich nur die "Zukunftskoalition" hält - das trifft als erstes den Geldbeutel der Armen. Der EU-Beitritt dürfte laut einer Studie mit rund 130 bis 190 Milliarden Euro im EU-Haushalt zu Buche schlagen, "je nachdem welche Annahmen über die Ackerlandfläche und die Bevölkerungszahl für die Ukraine getroffen werden. Davon würden demnach zwischen 70 und 90 Milliarden Euro auf Agrarsubventionen entfallen, auf die Kohäsionspolitik zwischen 50 bis 90 Milliarden Euro".

⇨ Abschlussdokument von Dubai