Klimaforscher Niklas Höhne im Interview mit der Tagesschau. Screenshot: epo.de
Klimaforscher Niklas Höhne, Professor an der Universität Wageningen, hat im Interview mit der Tagesschau am Sonntag zum Ergebnis des Weltklimagipfels in Baku (Aserbaidschan) Stellung genommen. Höhne beklagt, dass wir "weit, weit weg (sind) von dem, was wir eigentlich machen müssen." Die Beschlüsse des jetzigen Klimagipfels würden der Klimakrise und auch den am meisten betroffenen Ländern nicht gerecht. "Sie zeigen leider die Handschrift der fossilen Industrie und der fossilen Länder", sagte Höhne. "Ein wirklicher Notfallmodus, wie er jetzt nötig wäre, ist leider überhaupt nicht zu sehen. Aber ich finde es schon bemerkenswert, dass es überhaupt zu einem Abschluss gekommen ist."
Niklas Höhne betonte im Interview mit Ralph Baudach von tagesschau24, es seien "zahlreiche Regierungen, die sich hier einstimmig einigen müssen. Dass man sich da überhaupt einigt, ist sehr schwierig". Die "Weltgemeinschaft steht hinter dem Thema Klimaschutz", meint der Wissenschaftler. "Aber man muss eben ganz deutlich sagen: Das reicht alles überhaupt gar nicht."
"DIE KLIMAKRISE WIRD UND ÜBERROLLEN ..."
Höhne weiter: "Die Klimakrise wird uns überrollen, wenn wir nicht mehr tun. Wir müssen mehr Emissionen reduzieren und auch mehr Geld auf den Tisch legen. Hier wurde jetzt beschlossen, dass man mehr macht. Aber die Zahl, die jetzt auf dem Tisch liegt, die 300 Milliarden pro Jahr, die ist eigentlich verschwindend gering, wenn man sie vergleicht - zum Beispiel mit den 1,3 Billionen, die die Welt derzeit für fossile Energien, also für Subventionen für fossile Energien, ausgibt. Also da wäre deutlich mehr drin und da muss jetzt eben weiter daran gearbeitet werden. Aber man hat jetzt einen Schritt gemacht. Man kann sagen, das war zu langsam, aber immerhin hat man den Schritt gemacht. Eine Katastrophe wäre gewesen, hätte man gar keinen gemacht."
"Das teuerste aller Szenarien ist das ohne Klimaschutz", mahnte Höhne. "Denn die Schäden werden uns über den Kopf wachsen. Damit können wir einfach überhaupt nicht umgehen. Deswegen müssen wir jetzt massiv investieren. Und das sind eben keine Kosten, sondern Investitionen. Wenn wir investieren in erneuerbare Energien, dann kann das Energiesystem langfristig günstiger werden. Wenn wir in den Transportsektor investieren, dann bewegen wir uns von A nach B effizienter."
Zu den finanziellen Hilfen für den Globalen Süden (angepeilt sind 300 Mrd. US-Dollar) sagte Höhne, das sein "eine Investition, die sich auszahlt durch die dadurch vermiedenen Schäden und dadurch, dass die Wirtschaftskraft in diesen Ländern besser ist und dass es dann eben nicht zu langfristigen Migrationsbewegungen kommt. Denn das ist die große Gefahr: Wenn wir nichts tun, dann wird es die ärmeren Länder dieser Welt treffen und die werden sich dann irgendwann auf den Weg machen. Und das ist wahrscheinlich nicht im Interesse auch der Populisten und Egoisten."
Höhne: "Das wirklich Positive an den Verhandlungen ist, dass sich China komplett anders verhalten hat als sonst. China will immer eigentlich als Entwicklungsland angesehen werden und hat gar keine Verantwortung, Geld auf den Tisch zu legen als Entwicklungsland. Das hat es aber trotzdem getan und hat auch die Sprache benutzt, die sonst den Industrieländern vorbehalten ist."
"CHINA IST DAS POWERHOUSE"
China habe ein "enormes ökonomisches Interesse, dass es beim Pariser Klimaschutzabkommen bleibt", so Höhne. "Denn China ist das Powerhouse: China ist der weltweite Marktführer bei Solar, Wind, bei Elektroautos, bei Batterien und bei Elektrolyseuren. Alles, was die Welt braucht für die Wende, kommt aus China. Und deswegen hat sich hier China eben auch kooperativ gezeigt und möchte weitermachen.
Die ölexportierenden Staaten, allen voran Saudi-Arabien, hätten sich in Baku "extrem rückwärtsgewandt verhalten", kritisierte Höhne. "Da merkt man so richtig: Ja, das ist so ein letztes Aufbäumen der fossilen Lobby. Sie merken, es geht ihnen an den Kragen und jetzt versuchen sie wirklich alle, was dagegen zu tun. Da kann man nur sagen: Ja, auch dort wird der Klimawandel die Länder überrollen und langfristig können sie das nicht durchhalten."
"Ich glaube, viele Leute sind sehr frustriert, muss man sagen, weil es einfach viel, viel, viel zu langsam geht. Ich auch", gab Höhne zu. "Ich bin jetzt schon so lange dabei und die Treibhausgasemissionen gehen immer noch rauf. Das kann nicht wahr sein. Aber unser Ausblick auf die Zukunft ist besser geworden ab diesem Jahr. Hoffentlich werden die Emissionen runtergehen."
(Das Interview führte Ralph Baudach, tagesschau24)