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Abraham Ortelius, Public domain, via Wikimedia Commons


«Gut formuliert, differenziert in der Analyse und Politikempfehlung» – auf diesen Nenner bringt Roger Peltzer die neuen afrikapolitischen Leitlinien des Auswärtigen Amtes (AA). Sie seien ein «durchweg überzeugendes Strategiepapier für den Umgang mit unserem Nachbarkontinent» und setzten «Maßstäbe auch für die kommende Regierung». Roger Peltzer ist Volkswirt und ehemaliger Abteilungsleiter der Deutschen Entwicklungsgesellschaft DEG. (Sein Kommentar gibt nicht notwendigerweise die Meinung der Redaktion wider.)

Durchaus aufbauend auf der Afrikapolitik der Merkel-Regierung, setzt Annalena Baerbock darauf, dass Deutschland und die EU in zunehmenden Systemwettbewerb gerade auch gegenüber der politisch aktiv werdenden Jugend des Kontinents mit unseren demokratischen Werten Punkte machen können. Gleichwohl wird die Zusammenarbeit mit Regierungen, die nicht die europäischen Werte teilen, nicht ausgeschlossen, wenn es um Fragen des Klimaschutzes oder der Sicherheit geht.

Der ganzheitliche Ansatz des Papiers gewährleistet, dass Fragen der Vermeidung von Kriegs- und Konfliktursachen, des Klimaschutzes, der Förderung von Zivilgesellschaft und Privatwirtschaft, der globalen Governance und der Sicherheitspolitik ebenso angesprochen werden, wie die klassische Entwicklungspolitik. Er zeigt, dass die in Deutschland auch in der NRO-Szene noch verbreitete Denke in Ressortlogiken (z.B. BMZ versus AA) völlig überholt und den aktuellen Herausforderungen nicht mehr ansatzweise gewachsen ist.

In den Leitlinien wird nicht nur der Völkermord an den Herero und Nama in Namibia erstmals als solcher vom AA benannt, es wird auch die drängende Frage der Erleichterung der Vergabe von Visa angesprochen, die eine unabdingbare Voraussetzung für einen partnerschaftlichen Dialog auf Augenhöhe mit unseren afrikanischen Partnern ist.

Mit Blick auf die Wirtschaftskooperation weisen die Leitlinien zurecht darauf hin, dass Deutschland gemeinsam mit der EU (Stichwort Global Gateway Initiative) ein breites Instrumentarium zur Förderung von Privatinvestitionen deutscher und europäischer, insbesondere aber auch lokaler Unternehmen bereitstellt. Die wichtige Rolle der afrikanischen Diaspora in Deutschland wird ausdrücklich erwähnt.

Wo gibt es Diskussions- und Weiterentwicklungsbedarf?

Die Leitlinien fordern zurecht, dass illegale Migration eingeschränkt und legale Migration ausgebaut werden soll. Mit den Migrationszentren der GIZ verfügt Deutschland auch bereits über Instrumente für die Umsetzung einer solchen Politik. Allerdings ist die Förderung legaler Migration nicht ohne Fallstricke.

Zwar ist es so, dass es in Afrika eine große Zahl an Jugendlichen mit Schul- und Universitätsabschluss gibt, die keine Chance haben, auf dem lokalen Arbeitsmarkt eine Beschäftigung zu finden, die ihrer Ausbildung entspricht. Das Bild ändert sich aber schlagartig, wenn es um Fachkräfte mit 3 ,4 Jahren Berufserfahrung geht. Da gibt es oft eine Mangelsituation, nicht zuletzt durch Abwerbeprogramme wie die des kanadischen Staates Quebec, die im frankophonen Afrika zur Zeit von etablierten privaten Firmen und staatlichen Institutionen viele gerade mühsam ausgebildete Fachkräfte abziehen.

Deutschland wird deshalb in erster Linie junge Leute mit Schul- und Uniabschluss aufnehmen und hier aus- und weiterbilden müssen, wenn es den Brain Drain nicht befördern will. Gleichzeitig muss die Ausbildung in Afrika für die lokalen Märkte gefördert werden, was aber auch prominent in den Leitlinien angesprochen wird.

Und dann gibt es einen Elefanten im Raum, der in dem Papier nur insofern indirekt angesprochen wird, als ausgeführt wird, dass sich Deutschland dem Systemwettbewerb stellen muss. Tatsächlich ist China der maßgebliche Wettbewerber, wenn es um wirtschaftlichen und politischen Einfluss, aber auch wenn es um unsere Werte geht.

Auf der anderen Seite trägt China – bei aller Kritik an einzelnen Aktionen – ganz maßgeblich zur wirtschaftlichen Entwicklung Afrikas bei. Keine afrikanische Regierung wird deshalb davon abgehen, jetzt und in der Zukunft die Zusammenarbeit mit allen sich anbietenden Partnern zu suchen, ob EU, China, Indien, Türkei oder Brasilien.

Deshalb wäre es ausgesprochen sinnvoll, wenn die EU und Deutschland in Afrika im Verhältnis zu China einen Handlungsmodus finden würden, der Elemente des Wettbewerbs und der Kooperation mit China gleichermaßen umfasst. Bei den Verhandlungen über Umschuldungsabkommen geschieht dies schon teilweise. Aber man wird auch bei der Elektrifizierung ländlicher Räume in Afrika um chinesische Solarpanels und andere innovative Produkte nicht herumkommen.

Ebenso wird China beim Infrastrukturausbau in Afrika auch in Zukunft eine große Rolle spielen. Da bietet sich eine verstärkte Kooperation mit deutschen Ingenieurfirmen geradezu an. Gleiches gilt beim Ausbau des Pharmasektors im Hinblick auf indische Firmen. In dieser Frage sollten die Leitlinien von einer neuen Bundesregierung nachgeschärft werden.

Insgesamt stellen die afrikapolitischen Leitlinien des AA aber eine sehr gute Grundlage für das künftige Regierungshandeln dar.

peltzer roger 500Roger Peltzer (71) ist Volkswirt und war als Abteilungsleiter bei der Deutschen Investitions- und Entwicklungsgesellschaft (DEG) in Köln unter anderem an der Entwicklung des Textillabels «Cotton Made in Africa» beteiligt. Er betreibt den Blog »roger-peltzer.com« zur Außen- und Entwicklungspolitik und engagiert sich im Ruhestand ehrenamtlich in zahlreichen Initiativen nichtstaatlicher Organisationen.

 

Zur Karte: Africae Tabula Nova (»Die neue Karte von Afrika«) stammt von Abraham Ortelius und wurde 1570 veröffentlicht. Graviert von Frans Hogenberg, gilt die Karte als erster moderner Atlas. Sie erschien in sieben Sprachen und 31 Ausgaben zwischen 1570 und 1612. (Wikipedia Commons)

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