Aidskonferenz 2006 TorontoToronto/Berlin (epo.de). - Nach dem Ende der Welt-Aids-Konferenz 2006 in Toronto haben sich nichtstaatliche Organisationen enttäuscht zu den Ergebnissen geäußert. Fortschritten in der Wissenschaft und bei der praktischen Aids-Bekämpfung stehe eine Finanzierungslücke für das Jahr 2007 in Höhe von zehn Milliarden US-Dollar gegenüber, konstatierte das deutsche Aktionsbündniss gegen Aids. Das Kinderhilfswerk terre des hommes erklärte, eine Eindämmung der Pandemie sei nur möglich, wenn sich die ergriffenen Maßnahmen an den Lebensumständen der Menschen orientieren.

"WissenschaftlerInnen, SozialarbeiterInnen und Betroffene haben viele erfolgversprechende Ansätze und Erfahrungen präsentiert. Es ist jedoch ein Schlag ins Gesicht der Armen, dass diese Konferenz ohne ausreichende Finanzierungszusagen endet", sagte Olaf Hirschmann, Aids-Berater bei Brot für die Welt und Sprecher des Aktionsbündnisses gegen AIDS. Während im vergangenen Jahr weltweit rund acht Milliarden US-Dollar für die Aids-Bekämpfung zur Verfügung standen, gehe UNAIDS für 2007 von einem Finanzbedarf in Höhe von 18,1 Milliarden US-Dollar (14 Milliarden Euro) aus. "Wir haben es also mit einer Finanzierungslücke in Höhe von 10 Milliarden US-Dollar zu tun."

Das Aktionsbündnis gegen Aids forderte eine Verdoppelung der deutschen Mittel zur Aidsbekämpfung. "Dass die Entwicklungsministerin den deutschen Beitrag auf 400 Millionen Euro pro Jahr erhöhen möchte, war längst überfällig. Um die Aids-Pandemie in den Griff zu bekommen, sollte die Bundesregierung allerdings 800 Millionen Euro in den Entwicklungshaushalt 2007 einplanen", sagte Hirschmann.

Angesichts der steigenden Neuinfektionsraten bei Frauen und Mädchen wurde in Toronto die Notwendigkeit, spezifische Präventionsmethoden zu entwickeln, in vielen Veranstaltungen thematisiert. "Ob Femidome und Mikrobizide für Frauen und Mädchen weltweit verfügbar werden, hängt auch davon ab, wie die reichen Länder und die forschende Pharmaindustrie diese Intiativen unterstützen", sagte Hirschmann. Die ersten Ergebnisse aus klinischen Studien in Südafrika würden nächstes Jahr vorliegen. Mikrobizide sollen bereits bekannte Präventionsmethoden ergänzen. "Wenn Mikrobizide in fünf bis sieben Jahren zugänglich sind, muss ihr Einsatz mit weiteren Präventionsmassnahmen gekoppelt werden. Nicht zuletzt müssen wir auch die Männer schulen, um die gesellschaftliche Akzeptanz aller Präventionsmassnahmen zu erreichen", erklärte Hirschmann.

DOSIERUNGEN FÜR KINDER MÖGLICH

Zur Behandlung von Kindern begrüßte das Aktionsbündnis gegen Aids die wasserlösliche Minitablette des indischen Generikaherstellers Ranbaxy. Das Einstiegsmedikament ist von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) genehmigt und soll zum Preis von ca. 60 US-Dollar pro Jahr für ein Kind verkauft werden.

"Das indische Beispiel zeigt, dass die günstige Herstellung von Kinderdosierungen möglich ist," sagte Christiane Fischer, Vertreterin der BUKO-Pharma-Kampagne im Aktionsbündnis gegen AIDS. "Forschende Pharmaunternehmen haben nun keine Entschuldigung mehr, nicht auch neuere Medikamente als Minitablette für Kinder in armen Ländern herzustellen." Bislang stehen anerkannte Kinderdosierungen ausschliesslich als bittere Säfte zur Verfügung. Diese müssen gekühlt werden, was den Einsatz in tropischen Entwicklungsländern nahezu unmöglich macht.

Für die nachhaltige Behandlung in Entwicklungsländern ist es aus der Sicht der NRO entscheidend, ob sie die  Schutzklauseln des internationalen Patentrechtes praktisch anwenden können. Das aktuelle Beispiel der kanadischen Regierung und des kanadischen Pharmaunternehmens Apotex hat laut Aktionsbündnis gezeigt, dass die bisherige Regelung der Welthandelsorganisation nicht funktioniert.

Kanadas Patentrecht ermöglicht seit 2005 den Export patentgeschützter generischer Medikamente in arme Länder. Das erste Medikament, das unter dieser Regelung produziert wurde, ist seit 10. August 2006 von der WHO genehmigt. Die komplizierten Anforderungen der Welthandelsorganisationen verhinderten jedoch, dass das Medikament in ärmere Länder exportiert wird, kritisiert das Aktionsbündnis. "Die Regelung, die eingesetzt wurde, um die öffentliche Gesundheit in Entwicklungsländern zu schützen, dient bislang vor allem den Interessen der forschenden Pharmaindustrie. Wir wissen nun, dass der TRIPS-Kompromiss nicht funktioniert. Wenn die Bundesregierung den Medikamentenzugang für ärmere Länder wirklich unterstützen möchte, sollte sie sich für die grundlegende Revision des faulen TRIPS-Kompromisses einsetzen", sagte Fischer.

Das Aktionsbündnis gegen AIDS ist ein Zusammenschluss von 100 zivilgesellschaftlichen und kirchlichen Organisationen der Aids- und Entwicklungszusammenarbeit sowie mehr als 270 lokalen Basisinitiativen in Deutschland. Gemeinsam appellierten sie an die Pharmaindustrie und die Bundesregierung, ihrer Verantwortung im weltweiten Kampf gegen HIV/Aids gerecht zu werden.

SOZIALE DIMENSION DER IMMUNSCHWÄCHE

Aus der Sicht des Kinderhilfswerkes terre des hommes (tdh) ist echte Eindämmung der AIDS-Pandemie ist nur möglich, wenn sich die ergriffenen Maßnahmen an den Lebensumständen der Menschen orientieren. "Wir haben es nicht nur mit einer Immunschwäche im medizinischen, sondern vor allem auch im sozialen Sinne zu tun. Sie bildet den eigentlichen Nährboden für die Ausbreitung des Virus", erklärte Christa Dammermann, Referentin beim Kinderhilfswerk terre des hommes, zum Abschluss der 16. Internationalen Aids-Konferenz.

terre des hommes fordert neben der notwendigen Verbesserung der medizinischen Versorgung, insbesondere auch für HIV-positive Kinder, weitergehende Konzepte. Sie sollen sicherstellen, dass Hilfen nicht an der Lebenssituation vieler Familien scheitern. Einer jungen Mutter in Burkina Faso ein Sterben an Aids und damit ihren Kindern ein Leben als Waise zu ersparen, würde für sie etwa 7,60 Euro im Monat kosten. "Doch selbst diese Summe können viele nicht aufbringen. Zusätzlich fallen Kosten wie Transporte oder Arztbesuche an; die Wirkung der Medikamente hängt außerdem von einer guten Ernährung ab - doch die ist längst nicht selbstverständlich, denn oftmals hat die ganze Familie nicht genug zu essen", erklärte Dammermann.

Die vielfältigen Belastungen der Menschen durch HIV/Aids haben weit reichende Folgen für die Kinder: "Häufig ist nicht einmal mehr Geld da, um den Schulbesuch zu finanzieren. Noch viel zu selten werden außerdem die seelischen Belastungen durch das Erleben von Tod und Verlust professionell aufgefangen", erklärte Dammermann. Das Leiden und Sterben der Eltern an AIDS dürfe nicht auch der nächsten Generation ihre elementaren Rechte wie ausreichende Ernährung, gesundheitliche Versorgung, Bildung und Ausbildung vorenthalten.

terre des hommes sieht jedoch Fortschritte im Bereich der Vorbeugung: "Die Erfahrungen der vergangenen zwei Jahrzehnte haben gezeigt, dass es einfache Lösungen nicht gibt: Der Blick auf die besondere Situation der Frauen, die stärkere Einbeziehung der einheimischen Bevölkerung in die Maßnahmen und ein Aufklärungsprogramm, das die von Armut und Kultur beeinflussten Lebensumstände einbezieht, sind wichtige Aspekte, wenn Vorbeugung greifen soll", betonte Christa Dammermann.

Aktionsbündnis gegen Aids
terre des hommes


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