Oxfam BerichtLondon/Berlin (epo.de). - Die Hilfsorganisationen Oxfam International und Water Aid haben an die Regierungen der Entwicklungsländer appelliert, mehr in den Aufbau öffentlicher Dienstleistungen wie Schulen, Kliniken, Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung zu investieren. "Klassenzimmer mit Lehrerinnen und Lehrern, Kliniken mit Krankenschwestern und -pflegern, Wasser aus der Leitung und funktionierende Toiletten: grundlegende öffentliche Dienstleistungen sind die entscheidenden Ansatzpunkte zur Beendigung der weltweiten Armut", heißt es in einem neuen Bericht, den die Organisationen am Freitag in zehn Ländern veröffentlichen.

Nur die Regierungen der armen Länder seien in der Lage, die grundlegenden Dienstleistungen im erforderlichen Umfang bereitzustellen, um Millionen in Armut lebender Menschen ein besseres Leben zu ermöglichen, so der Bericht mit dem Titel "Im Interesse der Allgemeinheit: Gesundheitsfürsorge, Bildung, Wasserversorgung und Hygienemaßnahmen für alle". Die Regierungen der reichen Länder sollten diesbezügliche Reformen der Entwicklungsländer mit mehr langfristiger Entwicklungshilfe unterstützen, fordern die Autoren des Berichts.

"Der Aufbau des öffentlichen Sektors in armen Ländern ist absolut entscheidend dafür, dass Armut der Vergangenheit angehört", so Paul Bendix, Geschäftsführer von Oxfam Deutschland. "Welch klügere Investition könnte es geben, als Mittel für Ausbildung und Gehälter von Lehrkräften und Gesundheitspersonal oder für die Einrichtung einer Wasserversorgung einzusetzen?"

Der Bericht kritisiert die Versuche der reichen Länder und der Weltbank, "ungeeignete Privatisierungen im Bereich der Wasserversorgung und Gesundheitsfürsorge durchzusetzen und damit die Fähigkeit der Regierungen der armen Länder zur Bereitstellung dieser grundlegenden sozialen Dienstleistungen zu untergraben". Zwar habe der privatwirtschaftliche Sektor durchaus eine Rolle zu spielen - gemeinsam mit Hilfsorganisationen und religiösen Einrichtungen -, aber nichtstaatliche Organisationen könnten die geforderten Dienstleistungen niemals in dem Umfang erbringen, um die Bedürfnisse aller Menschen, einschließlich Frauen und Mädchen sowie Minderheiten abzudecken.

Umfassende öffentliche Dienstleistungssysteme seien die Grundlage für den heutigen Wohlstand in den reichen Ländern gewesen, so der Bericht. "Vor hundert Jahren war die Lebenserwartung in Europa nicht viel höher als heute in Afrika", erklärte Paul Bendix. "Nur durch starke staatliche Programme konnten Krankheiten besiegt werden und Grundbildung in der Bevölkerung entstehen, zwei wichtige Voraussetzungen für unseren heutigen Wohlstand."

Der Bericht weist auf das Problem schwacher staatlicher Strukturen in vielen Entwicklungsländern hin. Er führt aber auch einige bemerkenswerte Erfolge auf: Sri Lanka, Botswana, Malaysia und der indische Bundesstaat Kerala hätten innerhalb einer Generation Fortschritte im Bildungs- und Gesundheitssektor erreicht, für die Industriestaaten mehr als ein Jahrhundert benötigten.

Sri Lanka - ein armes Land, in dem ein Drittel der Bevölkerung von weniger als zwei Dollar am Tag lebt - ermögliche seinen Bürgern kostenlose Gesundheitsfürsorge und Grundbildung. Die dortige Müttersterblichkeit sei eine der niedrigsten der Welt, heißt es in dem Bericht.

"Über eine Milliarde Menschen auf der Welt haben kein sauberes Trinkwasser, 2,6 Milliarden stehen keine Toiletten zur Verfügung", warnte Belinda Calaguas von Water Aid. "Tag für Tag sterben 6.000 Kinder an Krankheiten, die durch diesen Missstand verursacht werden."

Oxfam und Water Aid riefen die Bundesregierung dazu auf, die Themen Gesundheitsfürsorge, Bildung und Wasserversorgung auf die Agenda des G8-Gipfels zu setzen, der 2007 in Deutschland stattfindet. Starke staatliche Einrichtungen in diesen Bereichen seien für die Armutsbekämpfung unumgänglich. Vor allem hierfür sollte das auf dem G8-Gipfel 2005 in Gleneagles versprochene Mehr an Entwicklungshilfe eingesetzt werden.

Weltweit sterben Tag für Tag 4.000 Kinder an vermeidbaren Durchfallerkrankungen und 1.400 Frauen während der Schwangerschaft oder der Geburt. 100 Millionen Schulkinder - die Mehrheit davon Mädchen - können nicht zur Schule gehen. 47 Milliarden US-Dollar jährlich sind zur Erreichung der Millennium-Entwicklungsziele auf den Gebieten Gesundheit, Grundbildung, Wasser und Hygiene erforderlich. In reichen Ländern würden jedes Jahr 40 Mrd. Dollar allein für Haustiernahrung ausgegeben, erklärten die beiden Hilfsorganisationen.

"Erstmals in der Geschichte der Menschheit ist es möglich, innerhalb einer Generation zu bewirken, dass jedes Kind auf der Welt zur Schule geht, dass jede Frau während der Schwangerschaft und bei der Geburt betreut wird, dass alle Menschen Zugang zu sauberem Trinkwasser haben", erklärte Paul Bendix von Oxfam Deutschland. "Dieses Ziel können und müssen wir erreichen!"

Deutsche Zusammenfassung des Berichts (PDF)
Der ausführliche Bericht in englischer Sprache (PDF)
Oxfam Deutschland 


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