AttacBerlin (epo.de). - Mit Kritik haben das globalisierungskritische Netzwerk Attac und die Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen auf das Nein des Bundestages zur Einführung der Flugticketabgabe reagiert. "Entgegen allen Beteuerungen in Sonntagsreden erweist sich die Große Koalition als Bremsklotz beim Versuch, Armut und Krankheit in Entwicklungsländern zu bekämpfen", sagte Detlev von Larcher, Steuerexperte und Mitglied im Attac-Koordinierungskreis. Die Grünen nannten die Haltung der Bundesregierung ein "Trauerspiel".

Mit der Stimmenmehrheit von CDU, SPD und FDP hatte der Bundestag am Freitag zwei Anträge von Grünen und Linksfraktion abgelehnt, in denen die Einführung einer Steuer auf Flugscheine gefordert wurde.

Ein "besonderes Geschmäckle", so von Larcher, bekomme das Nein durch einen Brief, den die amerikanische Botschaft vorab an alle Mitglieder des Haushaltsauschusses geschickt hatte: In diesem raten die USA von der Einführung der Flugticketabgabe ab und begründen dies mit den Interessen der amerikanischen Luftfahrtindustrie.

"Die Regierung der USA versucht mit allen Mitteln, die Einführung von internationalen  Steuern zu verhindern", so von Larcher. Die US-Botschaft beklage die angeblich verheerende Wirkung, die eine Flugticketabgabe auf das Wachstum des Flugreiseverkehrs und den Tourismus hätte. Negativ betroffen wären ihr zufolge vor allem Entwicklungsländer und US-Luftfahrtunternehmen.

"Das ist unsinnig. Der Flugverkehr ist eine Wachstumsbranche - daran ändert auch die Einführung der verhältnismäßig niedrigen Flugticketabgabe nichts", stellte von Larcher klar. Pro Flugticket sollen die Passagiere der Economy Class einen bis vier Euro Zuschlag zahlen. Fluggäste der Business Class würden zehn bis 40 Euro Zuschlag zahlen. Entgegen der Behauptung der USA seien die Entwicklungs- und Schwellenländer Nutznießer der Abgabe. Unter den mittlerweile 18 Staaten, die eine Ticketsteuer erklärtermaßen einführen wollten, seien denn auch vor allem Entwicklungs- und Schwellenländer. Von Larcher: "Die Flugticketabgabe ist die erste internationale Steuer, die Globalisierungsgewinner belastet und den Verlierern zugute kommt."

Thilo Hoppe, Leiter der Arbeitsgruppe Globalisierung der Grünen, nannte die Politik der Bundesregierung "ein Trauerspiel". Während mittlerweile schon 18 Länder eine Ticketsteuer eingeführt oder verbindlich beschlossen hätten, tauche die Bundesregierung ab. Sie verstecke sich hinter einer kurzfristig auf 0,35 Prozent des Bruttonationaleinkommens gestiegenen öffentlichen Entwicklungshilfe (ODA). Der Anstieg gehe aber vor allem auf die Entschuldung des Irak und Nigerias zurück.

Weiter erklärt Hoppe: "Nachdem die Koalition einen Bundestagsantrag von uns zunächst über die Sommerpause verschleppt hat, stimmt sie jetzt dagegen, ohne Alternativen zu präsentieren. Damit macht die Bundesregierung einen großen Fehler. Sie macht sich international unglaubwürdig. Es geht nicht an, sich jahrelang in der 'Pilotgruppe für die Einführung von Solidaritätsbeiträgen zugunsten von Entwicklung' zu tummeln und dann nichts zu tun, wenn Frankreich, Brasilien und Südkorea handeln."

Die Flugticketsteuer soll helfen, die Millenniums-Entwicklungsziele der Vereinten Nationen zu erreichen. Diese sehen vor, die Armut in den Entwicklungsländern bis 2015 um die Hälfte zu verringern. Frankreich hat die Ticketabgabe bereits im Juli eingeführt. Fünf Länder - Brasilien, Frankreich, Norwegen, Großbritannien und Chile - haben in der vergangenen Woche einen Fonds namens Unitaid ins Leben gerufen, der aus den Einnahmen der Flugticketsteuer gespeist wird und mit dessen Hilfe große Mengen an Medikamenten vor allem für Aids-Kranke in Entwicklungsländern gekauft werden sollen. Von Larcher: "Wir empfinden es als Schande, dass Deutschland nicht dabei ist."

? Attac
? Bundestagsfraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN


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