GermanwatchDüsseldorf (epo.de). - Die Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch hat Maßnahmen gefordert, die die Verluste von Bauern in den ärmsten Entwicklungsländern infolge der EU-Zuckermarktreform ausgleichen sollen. "Die im Juli 2006 in Kraft getretene Reform der EU-Zuckermarktordnung ist weder entwicklungspolitisch noch aus Sicht der ländlichen Entwicklung in der EU akzeptabel", sagte Germanwatch-Vorstand Tobias Reichert bei der Konferenz "Die Zukunft des Zuckers" im nordrhein-westfälischen Landtag.

"Jetzt stehen drei Aufgaben zur Umsetzung an", erklärte Reichert: "Eine angemessene Entschädigung für die Länder und Akteure, die es am Nötigsten haben, eine gerechte und effektive Verteilung der noch bestehenden Vorteile aus der Zuckermarktordnung und die Entwicklung neuer Perspektiven, darunter die Förderung von Sozial- und Umweltstandards."

In einem neuen Positionspapier zur EU-Zuckermarktordnung fordert Germanwatch, die Einnahmeausfälle der Länder Afrikas, der Karibik und des Pazifiks (AKP-Staaten), die Handelspräferenzen für die EU haben, sollten in ähnlichem Umfang ausgeglichen werden wie die Verluste der Landwirte in der EU - also zu etwa 60 Prozent. Bisher seien nur 10 Prozent vorgesehen, was gerade für viele Kleinbauernfamilien in diesen Ländern ein Absacken in Armut und Hunger bedeuten würde.

Ferner sollte die EU aus der Sicht von Germanwatch die Subvention von Zuckerexporten auch dann beenden, wenn die WTO-Verhandlungen scheitern. Dies sei ein wichtiger Beitrag zur Stabilisierung der Agrarmärkte in den sogenannten Entwicklungsländern.

In Biokraftstoffe würden derzeit große Hoffnungen gesetzt, so Germanwatch. Es gebe jedoch noch viele offene Fragen. Eine Gefahr sei die zunehmende Flächenkonkurrenz zu Nahrungsmitteln. Um zu klären, ob tatsächlich positive Effekte für Entwicklungsländer zu erwarten sind, müssten zunächst umfassende Forschungen und Länderstudien durchgeführt werden.

Keeper Gumbo, Vertreter einer Zuckergewerkschaft aus Malawi, erläuterte die Auswirkungen der Zuckermarktordnung auf das Land: "Der Anbau von Zuckerrohr ist in Malawi eine Möglichkeit zur Armutsbekämpfung. Aber durch die EU-Zuckermarktreform sind unsere Einnahmen drastisch gesunken. Wir brauchen Ausgleichszahlungen und Anpassungshilfen."

Auf der Konferenz "Die Zukunft des Zuckers - Optionen für eine entwicklungspolitisch, sozial und ökologisch nachhaltige Zuckerpolitik" diskutierten auf Einladung von Germanwatch mehr als 50 Fachleute, Politiker und Wissenschaftler über die Reform der EU-Zuckermarktordnung, deren Folgen für Zuckerbauern in Europa und den Ländern des Südens und darüber, wie die Zuckerpolitik sozial und ökologisch nachhaltig gestaltet werden kann.

Die Tagung fand zum Abschluss eines Germanwatch-Dialogprojekts zur Reform der EU-Zuckermarktordnung statt. Nach anderthalb Jahren intensiver Diskussionen zwischen Fachleuten aus Deutschland, der EU und aus den Entwicklungsländern entstanden in dem Projekt Handlungsempfehlungen für die Entwicklungspolitik, für die Zuckerrübenbauern in NRW und zur Frage, ob Ethanol aus Zuckerrohr ein Ersatz für herkömmliche Kraftstoffe sein kann.

"Der Dialog war sehr offen und konstruktiv, wir sind hoch zufrieden", zog Projektleiterin Kerstin Lanje von Germanwatch Bilanz. "Gerechtigkeitsfragen und die Solidarität mit den Menschen in Entwicklungsländern wurden ebenso angesprochen wie die negativen Folgen unseres Konsumverhalten. Es wurde deutlich, dass nachhaltige Lösungen für das Thema Zuckerpolitik nur mit allen Akteuren gemeinsam entwickelt werden können."

An den regelmäßigen Dialogrunden nahmen Botschafter von Entwicklungsländern, Vertreter von Umwelt- und Entwicklungsorganisationen, Rüben- und Zuckerrohrbauern, Vertreter der Zuckerindustrie, Gewerkschafter, Umwelt- und Agrarwissenschaftler, Mitglieder von Landes- und Bundesregierung sowie aus Landes-, Bundes- und EU-Politik teil.

Germanwatch-Positionspapier zur EU-Zuckermarktordnung