GfbVGöttingen (epo.de). - Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hat auf die dramatische Lage von mehr als 400.000 Flüchtlingen im Osten des Tschad aufmerksam gemacht. 235.000 Flüchtlinge aus dem benachbarten Darfur und 172.000 Binnenflüchtlinge bräuchten dringend Schutz und mehr humanitäre Hilfe, erklärte die Menschenrechtsorganisation am Montag in Göttingen.

Die GfbV appellierte an Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier, eine geplante Interims-Schutztruppe der Europäischen Union (EU) nicht zu blockieren. Vor allem aus Deutschland werde in Brüssel Skepsis gegenüber der geplanten EU-Truppe aus Polizisten und Soldaten laut, über deren Entsendung die EU voraussichtlich noch im Juli entscheiden wird.

Die geplante Truppe soll nach Darstellung der GfbV bis zum Eintreffen von UN-Blauhelmen den Schutz von Flüchtlingen und Binnenflüchtlingen gewährleisten, die verstärkt Opfer von Übergriffen werden. Nach dem Vorbild der "Operation Artemis", bei der im Sommer 2003 im Osten des Kongo europäische Soldaten eine Eskalation der Gewalt verhinderten, solle die Tschad-Mission Zivilisten vor Überfällen sudanesischer Janjaweed und ihrer Verbündeten schützen sowie eine Eskalation der Gewalt zwischen einzelnen Bevölkerungsgruppen verhindern. Arabische und afrikanische Gruppen beschuldigen sich gegenseitig gewalttätiger Übergriffe.

Angesichts immer größerer Gewalt habe die Zahl der Binnenflüchtlinge im Osten des Tschad seit Juni 2006 um 140.000 Menschen zugenommen, so die GfbV. "Aufgrund der Belastungen für die Bundeswehr durch andere Auslandseinsätze geht es nicht darum, ausgerechnet deutsche Soldaten oder Polizisten in den Tschad zu entsenden", sagte GfbV-Afrikareferent Ulrich Delius. "Doch wenn nicht schnell der Schutz der Flüchtlinge verbessert wird, droht im Tschad nicht nur der Tod tausender Vertriebener, sondern auch das weitere Abgleiten in Chaos und Anarchie." Aus Angst vor der Gewalt seien 40.000 Darfur-Flüchtlinge bereits in die Zentralafrikanische Republik weiter geflohen. Doch auch dort seien sie nicht sicher. 

"Die Sicherheitskräfte des Tschad schützen die Vertriebenen nicht, sie versagen auf ganzer Linie", kritisierte Delius. Der mangelnde Schutz werde von humanitären Helfern als eines der größten Probleme bei der Versorgung aller Flüchtlingsgruppen gesehen. Auch sei die humanitäre Hilfe unzureichend und oft schlecht koordiniert. Insbesondere die Lage der Binnenflüchtlinge sei dramatisch. So stünden in dem Lager Habile nur 100 Toiletten für 25.000 Menschen zur Verfügung. Im Krankenhaus von Goz Beida müssten zwei Ärzte 100.000 Binnenflüchtlinge versorgen. In anderen Camps gebe es gar keine medizinische Betreuung. Jeder fünfte Binnenflüchtling sei unterernährt, bei Kindern im Alter unter fünf Jahren sogar fast jedes zweite.

Die GfbV erinnerte daran, dass sich auch Deutschland in der Milleniums- Erklärung vom September 2005 zum Schutz der Zivilbevölkerung vor Vertreibung und schwersten Menschenrechtsverletzungen bekannt habe. "Die Tschad-Mission ist ein Test-Fall, ob man den Lippenbekenntnissen auch Taten folgen lässt", erklärte Delius.

 www.gfbv.de


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