Berlin (epo). - Führende deutsche Geowissenschaftler haben Bundeskanzler Gerhard Schröder ihr Konzept für den Aufbau eines Tsunami-Frühwarnsystem in Asien vorgestellt. Das im Auftrag der Bundesregierung entwickelte System könnte in spätestens drei Jahren einsatzfähig sein und umfasst auch das Notfallmanagement nach dem Eintreffen einer Tsunami-Warnung.
Gemeinsam mit Bundesforschungsministerin Edelgard Bulmahn, Bundesaußenminister Joschka Fischer und Bundesverkehrsminister Manfred Stolpe hat sich Bundeskanzler Schröder am 13. Januar das von deutschen Forschern entwickelte System vorstellen lassen. Erarbeitet wurde das Konzept von der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren unter der Leitung des Potsdamer Geoforschungszentrums im Auftrag der Bundesregierung.
Als hochentwickelte Industrienation sei es für Deutschland selbstverständlich, vorhandenes Wissen bei der Katastrophenfrühwarnung anderen Ländern zur Verfügung stellen, sagte Bundesforschungsministerin Bulmahn bei der Vorstellung des Konzepts. Damit könnte die Bevölkerung schneller gewarnt und Menschenleben könnten gerettet werden.
Neben dem Leiter des Geoforschungszentrums Potsdam, Professor Rolf Emmermann, nahmen an der Präsentation im Bundeskanzleramt als weitere führende Geowissenschaftler Professor Peter Herzig, Leiter des Leibniz-Institutes für Meereswissenschaften der Universität Kiel, und der Präsident der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe Professor, Friedrich-Wilhelm Wellmer, teil.
Das Bundeskabinett hatte am 5. Januar beschlossen, das Geoforschungszentrum mit der Entwicklung eines Konzeptes für ein Frühwarnsystem zu beauftragen. Bundesaußenminister Fischer hat den Regierungen der von der Flutkatastrophe betroffenen Länder bei seinem anschließenden Besuch in der Katastrophenregion den Einsatz des deutschen Know-hows bereits angeboten.
Die Bundesregierung will das weltweit innovativste Frühwarnsystem als deutschen Beitrag auf der Tagung der Vereinten Nationen zur Eingrenzung von Georisiken vom 18. bis 22. Januar im japanischen Kobe einbringen. Die Geberkonferenz der Vereinten Nationen hatte in der vergangenen Woche in Indonesien den Aufbau eines Frühwarnsystems beschlossen. Die Vereinten Nationen haben die internationale Koordinierung für den Aufbau des Systems übernommen. Seit längerem arbeitet die Bundesregierung an internationalen Konzepten zur Katastrophenvorsorge mit.
Das Tsunami-Frühwarnsystem ist Teil eines umfassenden Frühwarnsystems, das auch andere Naturkatastrophen wie Erdbeben und Vulkanausbrüche erfassen soll.
Bestandteil des umfassenden Konzepts ist auch der Aufbau eines so genannten Desaster-Management-Konzepts für Entscheidungsträger und Experten bis hin zu den Anwohnern betroffener Regionen: etwa zur Sicherstellung der Trinkwasserversorgung im Katastrophenfall. Auch hierzu verfügt Deutschland über international anerkannten Sachverstand.
Nach den Vorstellungen von Bundesministerin Bulmahn soll das System später auch auf den Mittelmeerraum und den Atlantik zu einem globalen Frühwarnsystem ausgebaut werden.
Das Geoforschungszentrum Potsdam zählt bei der Frühwarntechnologie zu den weltweit führenden Instituten. Die Potsdamer Forscher hatten nach dem Seebeben schneller als alle anderen über das Meeresbeben in Asien berichtet.
Das jetzt vorgestellte System integriert terrestrische Beobachtungsnetze der Erdbebenkunde (Seismologie) und der Vermessungskunde (Geodäsie) mit neuesten Messverfahren und Satellitenbeobachtungen. Die Stationen und Bojen erfassen auftretende Seebeben durch damit einhergehenden erhöhten Wasserdruck und Wellenbewegungen. Diese Daten werden über Satellit automatisch an einen Zentralrechner übertragen. Diese sollen in Form so genannter Echtzeit-Warnungen - das bedeutet innerhalb von zwei bis drei Minuten - dezentrale Datenzentren in den betroffenen Ländern informieren.
Zusammen mit seinen Partnerinstituten verfügt das Potsdamer Institut bereits heute über ein seismologisches Forschungsnetz aus 50 Messstationen weltweit. Das Netzwerk soll durch zusätzliche Stationen und bojengestützte Druckpegelmesser in Asien erweitert und mit vorhandenen seismologischen Netzen verbunden werden. Noch in diesem Jahr wird ein Forschungsschiff mit topographischen Untersuchungen des Meeresbodens im Indischen Ozean beginnen und die ersten Sensorbojen aussetzen.
Die Realisierung eines wirksamen Tsunami-Frühwarnsystems für den Indischen Ozean dürfte in der 1. Stufe voraussichtlich rund 25 Millionen Euro Kosten.
Das Geoforschungszentrum Potsdam wurde am 1. Januar 1992 als Stiftung des öffentlichen Rechts gegründet und fasst alle Disziplinen der Wissenschaften der festen Erde von der Geodäsie über die Geophysik, Geologie und Mineralogie bis zur Geochemie in einem interdisziplinären Forschungsverbund zusammen. Die Stiftung gehört zur Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren e.V. und wird zu 90 Prozent aus dem Haushalt des Bundesministeriums für Bildung und Forschung finanziert. Dabei können die Wissenschaftler auf dem Potsdamer Teufelsberg auf eine lange Tradition zurückblicken: Schon 1889 registrierten Forscher dort das erste Erdbeben.
Geoforschungszentrum Potsdam
Presse- und Informationsamt der Bundesregierung