Hühnerzucht auf Madagaskar. Foto: FAOLondon (epo.de). - Ein am Dienstag von der UNESCO veröffentlichter Bericht zur Lage der Landwirtschaft geht hart mit der industriellen Landwirtschaft ins Gericht. Das International Assessment of Agricultural Science and Technology for Development (IAASTD) ruft die Weltgemeinschaft zu fundamentalen Veränderungen in der Landwirtschaft auf, um rasant steigenden Preisen, Hunger, sozialer Ungerechtigkeit und ökologischen Katastrophen Einhalt zu gebieten. Der Bericht stellt einen Kompromiss dar, auf den sich mehr als 400 Wissenschaftler geeinigt haben und der gemeinsam von Regierungen, UN-Organisationen, Wirtschaft und Nichtregierungsorganisationen bestätigt wurde. 

Das alte Paradigma einer industriellen Landwirtschaft mit hohem Energie- und Chemikalieneinsatz ist nicht mehr zeitgemäß, lautet das Fazit des Berichts. Die volle Einbeziehung lokalen und indigenen Wissens, die Stärkung von Frauen, die die Hauptlast landwirtschaftlicher Arbeit in den Entwicklungsländern tragen, und ein Forschungsschwerpunkt auf kleinbäuerliche und agro-ökologische Anbaumethoden seien wesentliche Elemente einer Landwirtschaft, die den Weg aus der derzeitigen Krise weisen könnte.

Deutlicher als je zuvor betont der Bericht, dass die Landwirtschaft kein Produktionssystem wie jedes andere ist, sondern seine Funktionen für Natur und Gesellschaft ebenso wichtig sind. Er weist darauf hin, dass Staaten und Gemeinden demokratisch und souverän ihre Ernährungs- und Landwirtschaftspolitik selbst bestimmen müssen und die kleinsten Landwirte die größten Verlierer des Weltmarktes sind.

Der Bericht, der vergangene Woche im südafrikanischen Johannesburg von 60 Regierungen verabschiedet wurde, ist in einem mehrjährigen, einzigartigen Prozess entstanden. Auf Initiative der der Weltbank hatten Regierungen, UN-Agenturen, führende Forschungseinrichtungen, Industrie und Zivilgesellschaft sich gemeinsam auf unabhängige Experten geeinigt, deren Ergebnisse zweimal zur öffentlichen Diskussion gestellt und überarbeitet wurden ehe sie nun von den Regierungsvertretern verabschiedet wurden. Die deutsche Bundesregierung hatte sich daran nicht beteiligt.
 
Nach Angaben nichtstaatlicher Organisationen stellten sich nur Kanada, die USA und Australien zum Schluss ins Abseits. Nachdem sie zunächst wichtige Formulierungen in den Zusammenfassungen aufgeweicht hätten, hätten sie den Bericht zum Schluss als unausgewogen abgelehnt. Vertreter der Agrochemie- und Biotechnologie-Industrie hatten bereits zum Jahreswechsel den gemeinsamen Prozess verlassen, als sich abzeichnete, dass ihre Favorisierung gentechnischer Methoden von den wissenschaftlichen Ergebnissen nicht gerechtfertigt und von den Experten nicht geteilt wird. Dies ändere freilich nichts daran, dass die Wissenschaftler, die zu diesem Ergebnis kamen, auch von der Industrie und den drei Staaten an ihrer Seite ausgewählt wurden, so die NGOs.

Die zivilgesellschaftlichen Organisationen, die an dem Prozess beteiligt waren, seien nicht mit allen von den Regierungen ausgehandelten Schlussfolgerungen einverstanden, teilten Sprecher der Zukunftsstiftung Landwirtschaft und von Greenpeace International mit. Aber sie respektierten die Tatsache, "dass der Bericht den gegenwärtigen Konsens der Wissenschaft wiedergibt".

Die NGOs riefen die Regierungen, internationalen Organisationen und die Zivilgesellschaft dazu auf, die Ergebnisse des Berichts nicht nur zur Kenntnis zu nehmen, sondern seine Empfehlungen jetzt auch umzusetzen.

"Der IAASTD-Bericht beweist: Die Intensivierung der Landwirtschaft muss künftig lokal selbstbestimmt sein und auf ökologischen Prinzipien beruhen - kurz gesagt, der  Ernährungssouveränität dienen", sagte Patrick Mulvany von der britischen Organisation Practical Action. Lim Li Ching vom Third World Network in Malaysia sagte, der Bericht mache deutlich, "dass Kleinbauern und die Natur zu Opfern der Handelsliberalisierung geworden sind. Entwicklungsländer müssen das Recht haben, den Import von billigen, subventionierten Agrargütern aus dem Norden zu verhindern".

» IAASTD-Bericht (International Assessment of Agricultural Science and Technology for Development): www.agassessment.org

» kritische Begleitung durch NGOs:
www.agassessment-watch.org

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