Bischof Pascua. Foto: epo.deBerlin (epo.de). - Auf den Philippinen nimmt die Zahl politischer Morde und des "Verschwindenlassens" von Oppositionellen weiter zu. Darauf haben Bischöfe und andere Vertreter der Zivilgesellschaft anlässlich der Fachtagung "Politische Morde und Rechtsstaatlichkeit" am Donnerstag in Berlin aufmerksam gemacht. Allein in den letzten sechs Jahren seien 20 Pastoren seiner Kirche ermordet worden, sagte der Generalsekretär der United Church of Christ in the Philippines (UCCP), Bischof Eliezer Pascua (Foto). Die Regierung habe bisher keinen der Morde untersucht.

Die Philippinen verzeichnen eine Mordwelle an politischen Aktivisten, Journalisten, Kirchenleuten und Gewerkschaftern. Das Ausmaß der schweren Menschenrechtsverstöße ist strittig, es hänge davon ab, "wer den Bericht macht", sagte Pasuca. So hatte eine Sondereinheit der Polizei für die Jahre 2001 bis Januar 2007 insgesamt 136 politische Morde verzeichnet, während die Tageszeitung Philippine Daily Inquirer auf 296 kam und die maoistischen Rebellen nahestehende Menschenrechtsorganisation Karapatan 834 politische Morde dokumentierte.  

Marie Aileen Diez Bacalso, Generalsekretärin der Asian Federation against the Involuntary Disappeared (AFAD), deren Ehemann zu den "Verschwundenen" gehört, verwies in Berlin auf die Zusage von Präsidentin Gloria Macapagal Arroyo, alle Fälle des "Verschwindenlassens" politisch missliebiger Personen aufzuklären. Seit diesem Versprechen im Jahre 2001 habe es 186 neue Fälle gegeben. Der jüngste Fall betreffen den Bauern-Aktivisten Jonas Burgos, der im April 2007 spurlos verschwand. Bis heute habe die Regierung nichts zur Aufklärung des Falles getan.

Die Erfolglosigkeit der Behörden hinsichtlich der Aufklärung politischer Morde und Entführungen räumte auch Bischof Juan de Dios Pueblos aus der katholischen Diözese Kidapawan auf der Insel Mindanao ein. Er war 2006 von der Staatspräsidentin in die "Melo-Kommission" berufen worden, die im Auftrag der Regierung die sich häufenden Morde an Aktivisten untersuchen sollte. Ihr im Juni 2007 vorgelegter Bericht macht einige Führungskräfte in Polizei und Militär für politisch motivierte Morde verantwortlich und "liegt seither bei der Präsidentin", so de Dios. Die Melo-Kommission habe bisher zehn Fälle untersucht. 

Die philippinische Justiz werde erst nach einer Anzeige tätig und entwickle keinerlei Eigeninitiative, sagte Consuelo Ynares-Santiago, die als erste Frau 1999 zur Richterin am Obersten Gerichtshof ernannt worden war. Der Oberste Gerichtshof hatte angesichts einer wachsenden Zahl politisch motivierter Tötungen ein nationales Konsultationsforum eingerichtet.

Bischof Pascua sieht die schweren Menschenrechtsverletzungen und die Politik der Verfolgung und Einschüchterung politischer Gegner auch als Resultat des Aufstandsbekämpfungsprogramms (Counter-Insurgency) der Regierung. Schon lange vor Beginn des islamistischen Terrorismus seit dem September 2001 hatte die Regierung paramilitärische Strategien gegen die Kommunistische Partei der Philippinen und deren bewaffneten Arm, die New Peoples Army (NPA), sowie gegen muslimische Rebellen auf Mindanao entwickelt. Maßgeblichen Anteil daran hatten US-amerikanische Militärberater, die eine ähnliche Counter-Insurgency-Strategie auch in Lateinamerika umsetzten.   
 
Unter der Diktatur von Ferdinand E. Marcos (1972-1986) verschwanden im Zuge der Bekämpfung der NPA etliche Oppositionelle oder vermutete Kommunisten spurlos - oder sie wurden schwer verstümmelt aufgefunden, eine Praxis, die vom Militär "salvaging" genannt wurde. Obwohl die politischen Morde und Entführungen auch nach der "Blumen-Revolution" der ersten Präsidentin Corazon Aquino weiter gingen, konnten oder wollten die deutsche Bundesregierung und die Europäische Union keine systematische Verletzung der Menschenrechte auf den Philippinen erkennen. Diese Haltung scheine sich nun zu ändern, berichtete der Menschenrechtsreferent der Vereinten Evangelischen Mission (VEM) in Wuppertal, Jochen Motte.

Aufgrund der großen Zahl politischer Morde sahen sich Brot für die Welt, der Evangelische Entwicklungsdienst (EED), Misereor, missio München, das Philippinen-Büro im Asienhaus Essen und die VEM im August 2007 veranlasst, das "Aktionsbündnis Menschenrechte - Philippinen" zu gründen. Es beklagt, bisher sei es "in nur wenigen Fällen zu Verhaftungen gekommen und in keinem zu Verurteilungen der mutmaßlichen Drahtzieher in Politik, Militär, Polizei und Großgrundbesitz".    

Hintergrund der Gewalttaten gegen politische Aktivisten und Analysten ist für viele Beobachter der latente Versuch der Eliten, ihre Privilegien gegen politische und wirtschaftliche Emanzipationsbestrebungen zu verteidigen. Selbst die Asiatische Entwicklungsbank und die Weltbank bekagten die wachsende Kluft zwischen Reich und Arm, die sich darin ausdrückt, dass 15 Familien mehr als die Hälfte der Unternehmen des Landes beherrschen.

Amnesty international schildert im Jahresbericht 2007 den Fall des 19-jährigen Audie Lucero, einem aktiven Mitglied des Jugendverbands der linksgerichteten Bewegung für nationale Demokratie (Kilusan para sa Pambansang Demokrasya – KPD). Er "verschwand" im Februar, "nachdem er zusammen mit zwei Begleitern einen verwundeten Freund ins Krankenhaus von Balanga City (Bataan, Luzon) gebracht hatte und dort von Soldaten und Polizisten zu seinem verletzten Freund befragt worden war. Am nächsten Tag wurde seine Leiche in einem Reisfeld gefunden. Nach Angaben des Militärs war der verwundete Mann ein Rebell."

Das Aktionsbündnis beklagt insbesondere, dass bewaffnete Milizen und Vigilante-Gruppen, die oft im Auftrag von Bürgermeistern, lokalen Clan-Führern oder politischen Familien agierten, für eine große Zahl von politischen Morden verantwortlich seien. "Dass dies möglich ist, ist Ausdruck des rechlosen Raumes, in dem Täter und kriminelle Netzwerke mit mächtigen politischen Beziehungen agieren."


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