Foto: GTZ/Heine

Berlin (epo.de). - Die UN-Konferenz zur Ernährungssicherung, die am Donnerstag in Rom zu Ende ging, hat das mediale Interesse kurzfristig auf die in der Entwicklungszusammenarbeit jahrzehntelang vernachlässigte ländliche Entwicklung gerichtet. Dasselbe hatten zuvor einige "Hungerevolten" in den Ländern bewirkt, die am meisten unter den weltweit steigenden Lebensmittelpreisen leiden. Soll die Entwicklungspolitik sich wieder vorrangig der Landwirtschaft widmen, die aufgrund von Agrarsubventionen und Export-Dumping durch den Norden nach Ansicht vieler Experten ohnehin keine Zukunft hat? Die Ernährungskrise ist auch eine Krise der Entwicklungsstrategen.

Die Welternährungsorganisation FAO konnte "nicht beantworten, was getan werden muss, damit Klimawandel und Agrarkraftstoffe die Hungerkrise nicht noch weiter verschärfen", erklärte Thomas Hirsch von Brot für die Welt nach dem Ende der Rom-Konferenz. "Anstatt den angereisten Kleinbauern, Fischern und Hirten zuzuhören, was sie zu diesem Thema zu sagen haben, hat man sie und ihre Expertise während der Konferenz weitgehend ignoriert und stattdessen der Agrarindustrie breiten Raum geboten."

Während Nichtregierungsorganisationen (NRO) häufig auf eine Stärkung der Kleinbauern setzen, um dem Recht auf Nahrung zur Durchsetzung zu verhelfen, favorisiert eine neue UN-Arbeitsgruppe zur Hungerkrise alte Rezepte wie die Öffnung der Märkte des Südens, die Importsubventionierung durch Entwicklungshilfegelder, Privatisierungen und eine neue "Grüne Revolution" mithilfe der Biotechnologie.

Entwicklungspolitische Praktiker der Deutschen Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ) hatten schon in den 90er Jahren vor einer Vernachlässigung der ländlichen Entwicklung gewarnt. Nicht wenige beklagen, dass in der Entwicklungspolitik immer wieder eine neue Sau durchs Dorf getrieben wird. Mal ist die mangelnde Infrastruktur an allen Entwicklungsdefiziten schuld, dann wieder die mangelnde Integration in die Weltwirtschaft und die zu geringe Exportorientierung der Wirtschaft.

Entsprechend ändern sich die Rezepte: ländliche Regionalentwicklungsprojekte wechseln sich ab mit der Betonung von Umwelt- und Ressourcenschutz, gigantischen Staudammbauten oder Straßenbauvorhaben. Dann entdeckt die Weltbank die Armen und pumpt enorm viel Geld in die Armutsbekämpfung. In Ländern wie Guinea, wo sich arme Menschen nicht als arm empfanden, weil es kaum Reiche gab, entstanden plötzlich verschiedene Welten und divergierende Interessen.

Gelobt wird unisono die Fokussierung auf Frauenförderung, sind die Frauen es doch, die die größte Last in armen Ländern tragen und das größte Potenzial für Veränderung in sich bergen. Aber dann sind Mikrofinanz-Instrumente angesagter, strenge Demokratisierungs-Auflagen und gute Regierungsführung sind politisch korrekt und kluge NRO-Gründer in diesen Geschäftsfeldern werden mit viel Geld ausgestattet.

INSTRUMENTALISIERUNG DER ENTWICKLUNGSPOLITIK

Nicht zuletzt erlebt die politische Instrumentalisierung der Entwicklungspolitik und -hilfe aufgrund der Terrorismus-Furcht nach dem 11. September 2001 eine Renaissance. Waren die ersten US-Hilfen für Griechenland und die Türkei unter Präsident Truman bereits politisch motiviert (die Abwehr des Kommunismus im Kalten Krieg stand auf der Tagesordnung), geht der Trend nach 9/11 in Richtung "embedded aid worker": Entwicklungshelfer und -experten sollen in Afghanistan oder im Irak das verlorende Vertrauen in die Rezepte des Westens zurückgewinnen, das Ansehen der Militärs aufpolieren und den Staatsverfall wenigstens ein wenig bremsen.

GTZ-Aufsichtsrat Erich Stather und die GTZ-Geschäftsführer Bernd Eisenblätter und Wolfang Schmitt warnten denn auch auf der Jahrespressekonferenz des Unternehmens in Berlin, ein schnelles Umschalten der Entwicklungszusammenarbeit in Form einer Refokussierung auf die ländliche Entwicklung könne nicht funktionieren. "Die Selbstversorgung im Agrarbereich wiederherzustellen, dauert ein paar Jahre", so BMZ-Staatssekretär Stather.

Nicht zuletzt aufgrund der Abschottung der Agrarmärkte des Nordens, der Agrarsubventionen in den USA und der EU und des Dumping überschüssiger EU-Agrarprodukte, die die lokalen Produzenten im Süden ruinieren, würden ländliche Entwicklungsprojekte von den Partnerländern nicht häufig nachgefragt, so die GTZ-Leitung. Außerdem lebten mittlerweile mehr als 50 Prozent der Weltbevölkerung in den Städten. Die zunehmende Landflucht in Entwicklungsländern mache es zusätzlich schwierig, die Landwirtschaft zu pushen.

Im Jahr 2006 seien dennoch 577 Millionen Euro deutscher Entwicklungsgelder in die ländliche Entwicklung geflossen, sagte Stather, was 13% der gesamten Portfolios entspreche. Und trotz veränderter Rahmenbedingungen mit einem Trend hin zu den Bereichen Energie und Umweltschutz kann man den Partnerländern Vorhaben im Bereich der erneuerbaren Energien nicht im gewünschten Maße schmackhaft machen. Solange ein auf der Verfeuerung von Öl basierendes Kraftwerk billiger zu erstellen ist als ein Solarkraftwerk, kann sich die Sonnenenergie nicht durchsetzen.

Foto: Ein Bauer mit seiner Viehherde in Bangladesch, fotografiert von Robert Heine. © GTZ / Robert Heine.

www.gtz.de/de/themen/laendliche-entwicklung/863.htm

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