doha logo Doha/Berlin (epo.de). - Die Regierungen haben sich auf der Weltkonferenz über Entwicklungsfinanzierung in Doha auf einen Minimalkonsens geeinigt, der die UNO nach einer ersten Bewertung durch nichtstaatliche Organisationen "davor bewahrt, in die Bedeutungslosigkeit zu versinken". Diese ernüchternde Bilanz ziehen das entwicklungspolitische Kinderhilfswerk terre des hommes und das Global Policy Forum zum Ende der UN-Konferenz, die am Dienstag einen Weltgipfel im März 2009 "auf höchster Ebene" zu den Folgen der globalen Wirtschafts- und Finanzkrise für die Entwicklungsländer vereinbart hat. "Angesichts der weltweiten Finanzkrise und der Übergangsperiode in der US-Regierung waren die Erwartungen niedrig – und wurden nicht übertroffen", konstatierte ONE.

"Es ist ein Erfolg, dass die Aktivitäten zur Überwindung der globalen Finanzkrise nicht auf die G20 beschränkt bleiben", stellte Klaus Schilder, terre des hommes-Referent für Entwicklungspolitik, am Dienstag in Doha fest. "Wir begrüßen ausdrücklich, dass die Regierungen in Doha auf die Dringlichkeit der Finanzkrise reagiert haben und noch im Jahr 2009 einen UN-Gipfel über die globale Finanzkrise und deren Folgen für Entwicklung abhalten werden. Diese 'G192', nämlich die UNO mit ihren 192 Mitgliedsstaaten, ist das einzige legitimierte globale Forum, um eine umfassende Reform der internationalen Finanzarchitektur anzustoßen, die auch die Interessen der Entwicklungsländer berücksichtigt."
 
Im Abschlussdokument von Doha anerkannten die Regierungen grundsätzlich, dass sie in internationalen Steuerfragen enger zusammenarbeiten müssen. "Die Entwicklungsländer verlieren jährliche Hunderte von Milliarden Euro durch Kapital- und Steuerflucht", sagte Jens Martens vom Global Policy Forum. "Es war daher überfällig, dass die UN der internationalen Kooperation in Steuerfragen stärkere Bedeutung beimessen."

Die Entscheidung über eine substantielle Aufwertung des dafür zuständigen UN-Ausschusses für Steuerfragen sei aufgrund der Blockadehaltung der USA allerdings auf 2009 vertagt worden, kritisierte Martens. "Wir begrüßen die Initiative der Bundesentwicklungsministerin für einen internationalen Pakt gegen Steuerflucht. Nun müssen dieser politischen Ankündigung von Doha aber konkrete Schritte folgen."

ONE: NIEDRIGE ERWARTUNGEN WURDEN BESTÄTIGT

"Doha war die Chance der reichen Staaten ein Ausrufezeichen gegen jede Rückzugsbewegung im Kampf gegen extreme Armut zu setzen. Nicht trotz, sondern gerade wegen einer weltweit schwierigen Situation. Nach einigem Hin und Her haben die Geber ihre bestehenden Zusagen an die Ärmsten im Grunde bestätigt. Aber jenseits der Verhandlungstische werden diese Zusagen nicht überall umgesetzt", sagte Oliver Buston, Europadirektor der entwicklungspolitischen Organisation ONE. "Erfolgreiche Entwicklungszusammenarbeit hat die Zahl der Menschen, die in Afrika lebensrettende Aids-Medikation erhalten, von 50.000 im Jahr 2002 auf über zwei Millionen im Jahr 2007 katapultiert. Sie hat auch dazu beigetragen, dass in Afrika seit 1999 über 34 Millionen Kinder zusätzlich eingeschult wurden. Trotz dieser eindrucksvollen Ergebnisse kommen einige reiche Staaten ihren selbst gegebenen Verpflichtungen noch immer nicht nach."

Buston nennt Beispiele: Frankreichs jüngster Etatentwurf bedeute eine Stagnation. Italien – der kommende Gastgeber der G8 – habe sein Entwicklungsbudget gekürzt. Diese Rückwärtsentwicklungen müssten sich umkehren, wenn die Aussagen von Doha eine Bedeutung haben sollten.

"Die Geber müssen Zeitpläne vorlegen, wie sie ihre Ziele erfüllen wollen", so Buston. "Wir blicken nun auf den G20-Gipfel in London, der Afrikas Belange berücksichtigen muss. Wenn die Entscheider Lösungen der Weltfinanzkrise beraten, müssen sie bedenken, welche Auswirkungen diese Krise für die ärmsten Länder der Welt hat und dass diese Krise hier zur Nahrungs- und Energiekrise hinzukommt. Wir begrüßen deshalb, dass man sich in Doha auf eine hochrangige UN-Konferenz zu den Auswirkungen der Finanzkrise auf Entwicklung geeinigt hat."

Zu den Ergebnissen von Doha sagte Buston weiter, die Konferenz habe anerkannt, "dass die Anpassung der ärmsten Länder an den Klimawandel nicht aus den bestehenden Etats für Armutsbekämpfung bestritten werden kann. Es ist nun an der Konferenz in Posen zu betonen, dass diese Mittel von den Gebern mobilisiert werden müssen."

KEIN DEUTLICHES SIGNAL ZUGUNSTEN DER ENTWICKLUNGSLÄNDER

Die kirchlichen Hilfswerke MISEREOR und Evangelischer Entwicklungsdienst (EED) kritisierten das Abschlussdokument. "Das Ergebnis weist in die richtige Richtung. Sehr bedauerlich ist aber, dass es nicht deutlicher zugunsten der Bevölkerungen der ärmsten Länder ausgefallen ist", sagte Wilfried Steen, Vorstand des EED.

Erfreulich sei, dass die anwesenden Industrieländer ihre Verpflichtungen zur Erhöhung der Entwicklungsleistungen erneut bestätigt und dass Entwicklungs- und Schwellenländer ihrerseits weitere Reformen zur Verbesserung der Wirksamkeit der Entwicklungszusammenarbeit angekündigt hätten. "Die globalen Finanz-, Nahrungsmittel- und Klimakrisen zeigen aber, dass es nicht nur darum geht, mehr Geld für die Entwicklung im Rahmen eines globalen Systems auszugeben, das gerade diese Krisen verursacht hat. Wir brauchen eine umfassende Reform des internationalen Finanz- und  Wirtschaftssystems, um Armut und Unterentwicklung dauerhaft zu bekämpfen", erklärte Bernd Bornhorst, Leiter der Abteilung Entwicklungspolitik bei MISEREOR.

Dies beinhalte auch ein international abgestimmtes Vorgehen gegen Steueroasen und Steuerflucht, eine gleichberechtigte Beteiligung des Südens an der Lenkung der Weltbank und dem Internationalen Währungsfonds und die Mandatierung der Vereinten Nationen als Koordinator der notwendigen Reformschritte.

"Auf der Konferenz war das starke Misstrauen der Entwicklungsländer gegenüber Weltbank, IWF und den G8 mit den Händen zu greifen. Deswegen genügt es nicht, aus der Gruppe der G8, die aus den sieben stärksten Wirtschaftsnationen und Russland besteht, eine der G20 oder der G50 zu machen. Es geht um die gleichberechtigte Einbeziehung aller Länder. Die Mehrheit der anwesenden Ländervertretungen war sich darin einig, dass dies am besten unter dem Dach der Vereinten Nationen geschehen kann. Auf Druck der USA, Russlands und Japans wurden jedoch entsprechende Beschlüsse im Abschlussdokument deutlich verwässert", so Steen.  

Der EED und MISEREOR begrüßten, "dass sich Deutschland unter der Verhandlungsführung von Bundesministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul engagiert für die notwendigen Reformschritte eingesetzt" habe.
 
-> Baustellen der Globalisierung: Der Consensus von Doha ist da

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