ilisu

Berlin/Wien/Bern (epo.de). - Das umstrittene Ilisu Staudammprojekt in der Türkei steht vor dem Aus. Die Bundesregierung suspendiere vorerst die Finanzierungsverträge für den Staudamm, teilte das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) in Berlin mit. Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen reagierten am Dienstag erleichtert auf die Ankündigung. Den Berichten zufolge will die deutsche Seite nach nach einer Frist von 180 Tagen aus dem Projekt aussteigen, da keine Aussicht besteht, dass die türkische Regierung die erforderlichen Umweltauflagen fristgerecht erfüllt.

"Da die Entscheidung im Konsens gefallen ist, werden auch die Schweizer und die österreichische Ankündigung in Kürze erwartet", erklärte die europäische Ilisu-Kampagne, ein Zusammenschluss von Umwelt-, Entwicklungs- und Menschenrechtsorganisationen. "Dies ist ein einzigartiger Schritt, denn weltweit wurde nie zuvor eine bereits bewilligte Deckung von Lieferaufträgen ausgesetzt. Ein wichtiger Etappensieg der Ilisu-Kampagne ist damit erreicht."

"Einziger Wermutstropfen", so die Nichtregierungsorganisationen, sei die erneute Frist von 180 Tagen für die Türkei. Erst danach kann der Ausstieg endgültig vollzogen werden.

Nach Angaben des BMZ suspendiert die Bundesregierung die Verträge zur Finanzierung des Damms, da sie einen Großteil der mehr als 150 Auflagen "nicht erfüllt" sieht. Deutschland hatte ebenso wie die Schweiz und Österreich Exportkreditbürgschaften bereitgestellt. Diese lägen nun auf Eis, heißt es in einem Bericht der Frankfurter Rundschau vom Montag.

Die Bundesregierung hatte der türkischen Regierung eine Frist von 60 Tagen gesetzt, um Belege für eine Erfüllung der Auflagen zu liefern. Die Frist lief am 12. Dezember ab. Die Türkei habe zwar Unterlagen geliefert, gleichzeitig aber Fakten geschaffen und mit Bauarbeiten begonnen. Kritiker des Projekts wurden bedroht und von Regierungsangehörigen als Terroristen beschimpft, Anwohner entlang der Staudammstraßen enteignet (epo.de berichtete).

"Das ist ein Verstoß gegen das Verfahren", empörte sich Staatssekretär Erich Stather laut FR-Bericht. "Wir fühlen uns an der Nase herumgeführt." Es sei darum die nötige klare Reaktion, die Lieferverträge zu suspendieren. "Wir lassen keine Spielchen mehr mit uns machen."

AUFWIND FÜR NGOs

"Wir begrüßen den notwendigen und mutigen Schritt der drei Staaten. Wir werden alles daran setzen, dass der Ausstieg in einem halben Jahr endgültig vollzogen wird", sagte Heike Drillisch, Koordinatorin der deutschen Ilisu-Kampagne "GegenStrömung". Auch die Erklärung von Bern (EvB) und die Gesellschaft für bedrohte Völker begrüssten den "notwendigen und mutigen Schritt der drei Staaten".

Die nichstaatlichen Organisationen kündigten an, die Arbeit in der Türkei zu verstärken. Das Ziel sei, den Bau des Staudamms zu verhindern und stattdessen die Region zum UNESCO Weltkultur- und Weltnaturerbe zu erklären.

Die Entscheidung Deutschlands, Österreichs und der Schweiz bedeutet aus der Sicht der NGOs, dass die Lieferverträge der europäischen Baufirmen - die Andritz AG, die im Besitz der STRABAG befindliche deutsche Züblin AG und der Schweizer Generatorenlieferant Alstom – suspendiert werden und diese jetzt keine Lieferungen an das Projekt vornehmen können. Auch die europäischen Banken - Bank Austria/UniCredit, DekaBank und Société Générale – könnten ihre zugesagten Kredite nicht auszahlen. Insgesamt fehlten der Türkei damit rund 500 Millionen Euro, die angesichts der Finanzkrise nicht so leicht zu ersetzen seien, so die Ilisu-Kampagne.

"Die Chancen sind damit deutlich gestiegen, dass der Ilisu-Staudamm trotz gegenteiliger Beteuerungen der Türkei nicht realisiert wird", konstatieren die NGOs. Das Projekt sei jetzt als "ungenügend" abgestempelt. Andere Finanziers müssten damit rechnen, sich internationale Kritik einzuhandel, wenn sie in das Projekt investieren. Zuletzt hatten sich zahlreiche prominente türkische Musiker und Schauspieler der Kampagne angeschlossen.

Durch den Ilisu-Staudamm würden nach Angaben von Umweltschützern und Experten rund 65.000 Menschen ihre Heimat verlieren, 400 Kilometer Flusslandschaften zerstört und zahlreiche Tier- und Pflanzenarten gefährdet. Rund 300 wertvolle archäologische Stätten würden im Stausee versinken, darunter mit Hansankeyf eine der ältesten Städte der Menschheit.

 


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