Das globalisierungskritische Netzwerk Attac und das SuKo-Bündnis gegen Wasserprivatisierung in der Türkei reagierten “mit scharfem Protest” auf das Vorgehen der türkischen Polizei. Sie warfen den Veranstaltern des Forums vor, das “unverhältnismäßige Vorgehen der türkischen Behörden” zu unterstützen.

Die türkische Polizei hatte am Montag zwei Umweltaktivisten festgenommen, weil sie während der Eröffnung des 5. Weltwasserforums im Saal ein Transparent mit der Aufschrift "No risky dams" entrollt hatten (epo.de berichtete). Ann-Kathrin Schneider von der Kampagne Gegenströmung in Deutschland, die dem SuKo-Bündnis angehört, und der Klimaaktivist Payal Parekh aus den USA wurden Attac zufolge 24 Stunden in Polizeigewahrsam festgehalten und am Dienstag in ihre Heimatländer ausgewiesen.
Zur Begründung habe es geheißen, die Aktion sei darauf angelegt gewesen, "die öffentliche Meinung zu beeinflussen". Laut türkischen Anwälten hätten den Aktivisten Freiheitsstrafen von einem Jahr und mehr gedroht, hätten sie ihrer Ausweisung nicht zugestimmt.
EINE MILLIARDE OHNE ZUGANG
Der türkische Präsident Abdullah Gül hatte zu Beginn des Weltwasserforums, das bis Sonntag dauert, zur grenzübergreifenden Zusammenarbeit bei der Bekämpfung von Wasserproblemen aufgerufen. Bereits jetzt hätten mehr als eine Milliarde Menschen keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Aufgrund dieser Situation müssten “wir alle zu Umweltschützern werden, egal welcher Ideologie wir anhängen”, sagte Gül nach einem Bericht der Nachrichtenagentur AFP.
Das Forum steht unter dem Motto “Brücken schlagen für das Wasser”. Eine Präsentation der UNESCO mit Hinweisen auf die Zerstörung historischer Kulturgüter durch den Ilisu-Staudamm im Tal des Tigris in der Türkei war auf Druck der Veranstalter jedoch abgesagt worden.
Der Wasserexperte der Deutschen Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ), Andreas Kuck, sagte der Frankfurter Rundschau, mit der Unterbindung jeglicher Kritik an den Auswirkungen beim Bau des Ilisu-Staudamms, durch den 55.000 Menschen umgesiedelt werden müssten und unter anderem die Jahrtausende alte Stadt Hasankeyf überspült würde, täten sich die Gastgeber keinen Gefallen. “Nun ist es Gespräch auf den Gängen und an den Ständen der Organisationen der Konferenz.”
LOBBYVERANSTALTUNG DER PRIVATISIERER
Ebenfalls am Montag hatte die Polizei vor dem Konferenzgebäude 26 meist türkische Teilnehmer einer friedlichen Kundgebung unter dem Motto "Wasser ist Menschenrecht und keine Ware" festgenommen. Insgesamt hatten sich rund 300 Menschen an der Demonstration beteiligt, darunter internationale Aktivisten aus Umwelt- und Wasserbewegungen, Gewerkschaften und linken Parteien. “Die Polizei ging mit Gewalt gegen die friedlichen Demonstranten vor, viele wurden verletzt”, berichtete Dorothea Härlin. Dennoch habe der Direktor des Weltwasserforums, Gerd Berkamp, es auf Nachfrage ausdrücklich abgelehnt, die Gewalt der Polizei gegen Kritiker des Forums zu verurteilen.
“Diese Haltung zeigt, was das Welwasserforum tatsächlich ist: eine große Lobbyveranstaltung der Wasser- und Energiewirtschaft, die von den Interessen der großen Konzerne bestimmt wird”, sagte Härlin. “Der Weltwasserrat vertritt mitnichten die Interessen der Mehrheit der Weltbevölkerung.” Die meisten Gruppen der zivilen Wasser- und Umweltbewegungen seien schon deswegen vom Forum ausgeschlossen, weil sie die hohen Eintrittspreise nicht zahlen könnten. Vor allem Organisationen und Bewegungen aus dem Süden hätten keine Möglichkeit teilzunehmen.
Die Weltwasserforen würden von den großen globalen Wasserunternehmen organisiert und dienten vor allem als Kontaktbörse zwischen Regierungen und Großunternehmen wie Suez oder Veolia, so Attac. Es stehe zu befürchten, dass die Wasserkonzerne und die türkische Regierung das Weltwasserforum in Istanbul dazu nutzten, die Privatisierung türkischer Gewässer im großen Stil einzuleiten. So plane die Türkei, die Nutzungsrechte an Quellen, Flüssen und Seen im Einzugsgebiet von Euphrat und Tigris für 49 Jahre an Konzerne zu verpachten.
Attac und das SuKo-Bündnis forderten den Weltwasserrat, die deutschen Regierungsvertreter sowie die deutschen Teilnehmer des Forums auf, sich für Meinungsfreiheit einzusetzen und das “undemokratische Vorgehen der Polizei in Istanbul” deutlich zu verurteilen.
Zu SuKo (türkisch für "Wasserkoordinierung") gehören Attac, Verdi, der BUND, die Rosa-Luxemburg-Stiftung, die Ilisu-Kampagne Deutschland, der Berliner Wassertisch und engagierte Einzelpersonen. Unter dem Motto "Wasser ist Menschenrecht" setzt sich das Bündnis gegen den Ausverkauf der Gewässer in der Türkei, in Deutschland und weltweit ein.
Foto: Pipeline-Bau an einem Fluss © GTZ/Peter Prokosch
www.worldwaterforum5.org
www.wer-ist-wim.de
www.alternatifsuforumu.org
www.suplatformu.net
peopleswaterforum.foodandwaterwatch.org