SomaliaBrüssel (epo.de). - Die 43 Teilnehmerstaaten einer Geberkonferenz in Brüssel haben Somalia rund 213 Millionen US-Dollar Hilfe zugesagt. Ein Großteil des Geldes soll zur Aufstockung der Assistance Mission in Somalia (AMISOM) der Afrikanischen Union (AU) verwendet werden. Rund 31 Millionen Euro sollen in den Aufbau somalischer Sicherheitskräfte fließen. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon begrüßte die Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft. Ein somalischer Einwanderer in den USA will  unterdessen den Internationalen Seegerichtshof wegen "Unterstützung der Piraterie" verklagen, weil vor allem europäische Fangflotten in somalischen Gewässern illegal fischen und Giftmüll sowie Nuklearabfälle verklappt haben.

Die Vereinten Nationen hatten 166 Millionen Dollar als Mindestsumme genannt, um Somalia mit Hilfe der AU-Truppen stabilisieren zu können. "Somalia is standing at a crossroads and we have seen so much strong support", erklärte UN-Generalsekretär Ban Ki Moon bei der Vorstellung der Ergebnisse der Geberkonferenz.

Somalias Präsident Sheik Sharif Ahmed dankte ebenfalls für die Unterstützung und versprach, seine Regierung werde alles tun, um Somalia zu befrieden und aus der Krise zu kommen. Somalia hat seit dem Sturz des früheren Diktators Mohammed Siad Barre im Jahr 1991 de facto keine Regierung mehr.

Die Europäische Union hatte anlässlich der Konferenz erklärt, Ziel müsse es sein, eine Polizeitruppe von 10.000 Mann und rund 5.000 Sicherheitskräfte auszurüsten. Nach den Verlautbarungen der Brüsseler Geberkonferenz sollen zwei Drittel der jetzt zugesagten Summe für die Aufstockung der AU-Truppen auf 8.000 Mann verwendet werden. Ein Drittel soll in den Aufbau der 10.000 Mann starken Polizeikräfte gehen.

EU-Entwicklungskommissar Louis Michel erklärte, die EU wolle 72 Millionen Euro für Sicherheitsaufgaben beisteuern. Darüber hinaus werde die zivile Entwicklungshilfe fortgeführt. "Die EU bleibt der wichtigste Geldgeber für Somalia." Nach UN-Schätzungen sind allein in den vergangenen zwei Jahren mehr als eine Million Menschen durch gewaltsame Konflikte vertrieben worden. Ein Drittel der Bevölkerung ist auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen.

Somalia gilt als Rückzugsgebiet islamistischer Extremisten. Westliche Industriestaaten duldeten deshalb im vergangenen Jahr auch den Einmarsch äthiopischer Soldaten, um islamistische Milizen zu bekämpfen.

PAECH: FRIEDEN WIRD SO NICHT ERREICHT

Der außenpolitische Sprecher der Fraktion DIE LINKE im Deutschen Bundestag, Norman Paech, erklärte hingegen, die Konferenz sei von Beginn an vom Thema Piraterie bestimmt gewesen. Ziel sei "die Aufstockung der internationalen Truppen und der Aufbau somalischer Sicherheitskräfte, deren Aufgabe vor allem darin bestehen soll, die gescheiterte militärische Piratenbekämpfung der EU- und NATO-Flotten an Land fortzusetzen".

"Das formulierte Ziel, den Friedensprozess und den Wiederaufbau voranzubringen, wird so nicht erreicht", warnte Paech. Um Stabilität zu erreichen, müssten die verfeindeten Gruppen wieder an den Verhandlungstisch gebracht werden. "Die Piraterie mag das zentrale Problem der großen Industrienationen sein", sagte Paech weiter. "Sie haben ein verständliches Interesse an sicheren Seehandelswegen und sind bereit Millionen dafür bereitzustellen. Von den über 200 Millionen Euro, die heute bereitgestellt wurden, wird kein Cent bei der Bevölkerung ankommen. Und so wird das Land keinen Frieden finden."

SOMALISCHER US-EINWANDERER WILL UNO VERKLAGEN

In den USA sucht unterdessen ein somalischer Einwanderer, der in mehreren Bundesstaaten "afrikanische Handelskammern" zur Unterstützung von Migranten gegründet hat, nach einem Rechtsbeistand, um die Vereinten Nationen und die Internationale Seeschifffahrts-Organisation (International Maritime Organization, IMO), eine UN-Sonderorganisation mit Sitz in London, wegen der Unterstützung der Piraterie vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag zu verklagen. Hintergrund ist die illegale Fischerei und die Verklappung von Atom- und Giftmüll in den Küstengewässern Somalias.  

Er sei besorgt wegen der Nuklearabfälle, die nach dem Zusammenbruch des somalischen Staatswesens im Jahr 1991 in den Gewässern des Landes versenkt wurden, erklärte der "Präsident" der "Handelskammern", Martin Mohammed, in einer Mitteilung, die am Donnerstag die Redaktion von Entwicklungspolitik Online erreichte. Er suche deshalb einen professionellen Rechtsbeistand mit Kenntnissen im Internationalen Seerecht. Auch im Umweltrecht der Vereinten Nationen und "in Angelegenheiten der Piraterie" solle er sich auskennen. "The Somali Coast is being abused as a profit-making center for massive illegal fishing vessels, along with illegal factories for processing captured fish", so Mohammed. Darüber hinaus bestehe die Gefahr, dass Somalier über Jahre hinaus genetisch geschädigt würden.

Besonders europäische Fischereiflotten hatten die Gunst der Stunde nach dem Zerfall des somalischen Staates genutzt und die unbewachten Küstengewässer Somalias geplündert (siehe den epo.de-Bericht "Piraten und andere Freibeuter").