Berner Oberland. Foto: epo.de/kbBern (epo.de). - Die Schweiz, eines der reichsten Ländern der Welt, kann aus der Sicht des eidgenössischen Bundesrates zwar sechs Milliarden Franken zur Rettung der Großbank UBS aufbringen. Die 380 Millionen Franken, die in den Jahren 2010 bis 2012 zur Aufstockung der Entwicklungshilfe auf 0,5 Prozent des Bruttonationaleinkommens nötig wären, überfordern das Land jedoch. Die Mehrheit des Bundesrates lehnte es deshalb jetzt ab, eine verbindliche Erhöhung der Entwicklungshilfe in die Wege zu leiten. Die Entscheidung stieß bei Schweizer NGOs auf scharfe Kritik.

Wie die Alliance Sud, die entwicklungspolitische Arbeitsgemeinschaft der Hilfswerke Swissaid, Fastenopfer, Brot für alle, Helvetas, Caritas und Heks, am Mittwoch berichtete, hatten sich in der Herbst- und Wintersession 2008 klare Mehrheiten in beiden Kammern des Parlaments prinzipiell für die Erhöhung der Entwicklungshilfe bis 2015 auf 0,5-Prozent des Bruttonationaleinkommens (BNE) ausgesprochen. Sie hätten aber verlangt, dass der Bundesrat dieses Jahr in einer Zusatzbotschaft darlegt, welche Budgeterhöhungen dafür nötig sind, wie die Aufstockung finanziert werden soll und wo der Bund die zusätzlichen Mittel investieren will. Auf dieser Basis wollte das Parlament verbindlich über eine Erhöhung entscheiden.

Die Mehrheit des Bundesrates beschloss am Mittwoch jedoch, dem Parlament keine Zusatzbotschaft vorzulegen, sondern nur einen Bericht. "Damit widersetzt er sich einem klaren Auftrag des Parlaments", kritisierte  Alliance Sud, die "kein Verständnis für diese Verweigerungshaltung" hat. Sie erwartet von National- und Ständerat, dass sie auf ihrer Forderung beharren.
 
Um das 0,5-Prozent-Ziel bis 2015 zu erreichen, wären in den Jahren 2010 bis 2012 maximal zusätzliche 380 Millionen Franken (rund 251 Mio. Euro) nötig, rechnet Alliance Sud vor. "Doch dafür, so die Meinung der Mehrheit im Bundesrat, habe die Schweiz kein Geld. Verglichen mit den 6 Milliarden Franken zur Rettung der UBS ist die Summe ein Klacks. Für die ärmsten Länder würde sie aber einen Unterschied machen. Sie leiden, nach der Explosion der Nahrungsmittel- und Ölpreise in den vergangenen zwei Jahren, unverhältnismässig stark unter der Wirtschaftskrise, obschon sie daran keine Schuld tragen."

Die Weltbank schätzt, dass wegen der Wirtschafts- und Finanzkrise dieses Jahr bis zu 80 Millionen Menschen neu in die extreme Armut gestossen und allein in Afrika die Erfolge von vier Jahren Armutsbekämpfung zunichte gemacht werden. UNO, Weltbank und IWF warnen deshalb seit Monaten eindringlich davor, die Entwicklungshilfe gerade jetzt stagnieren zu lassen oder gar zu senken. "Genau das aber bezweckt der Bundesrat mit seiner Verweigerungshaltung", kritisiert das NGO-Bündnis.

Mit seinem Grundsatzbeschluss, die Entwicklungshilfe auf 0,5% BNE zu erhöhen, hatte das Schweizer Parlament die Petition "0,7% – Gemeinsam gegen Armut" aufgegriffen, die von mehr als 70 Hilfswerken und weiteren Organisationen lanciert worden war. Die Petition hatte eine Erhöhung der Entwicklungshilfe auf 0,7 Prozent des BNE gefordert, wie dies die Vereinten Nationen seit 1970 empfehlen. Sie war von über 200.000 Schweizern unterzeichnet worden.
 
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