Klimaverhandlungen in BonnBonn (epo.de). - Die UN-Klimaverhandlungen in Bonn sind am Freitag ohne ein deutliches Signal für ein ambitioniertes Kyoto-Nachfolgeabkommen, das im Dezember in Kopenhagen beschlossen werden soll, zu Ende gegangen. Das Sekretariat der UN-Klimarahmenkonvention (UNFCCC) sprach erwartungsgemäß von "Fortschritten", während Umwelt- und Entwicklungsorganisationen von skeptisch über "enttäuscht" bis empört auf den Ausgang der zehntägigen Gespräche reagierten. Germanwatch zufolge fehlte der "politische Wille auf höchster Ebene". Misereor erklärte, es sei "höchste Zeit, dass die EU und Deutschland ein deutliches politisches Signal setzen. Die Menschen in Asien, Afrika und Lateinamerika erwarten zu Recht, mit den Folgen des Klimawandels nicht allein gelassen zu werden." Der BUND sieht vor allem Kanada und die USA als "Blockierer-Staaten" an.

Mehr als 4.600 Delegierte und Beobachter aus 183 Ländern hatten an den Klimaverhandlungen vom 1. bis 12. Juni im Bonner Maritim Hotel teilgenommen. Sie diskutierten die Entwürfe der Vertragsdokumente, die Anfang Dezember in Kopenhagen in ein Folgeabkommen des Kyto-Protokolls münden sollen, das Ende 2012 ausläuft.

UNFCCC-Exekutivsekretär Yvo de Boer sagte zum Abschluss der Konferenz, eine "große Errungenschaft" sei die Tatsache, dass die Regierungen "klarer gemacht haben, was sie in einem gemeinsamen Beschluss in Kopenhagen sehen möchten". Aus seiner Perspektive sei ein "ambitioniertes und effektives Ergebnis" ("agreed outcome") in Kopenhagen in Sicht.

Nach Angaben des UNFCCC-Sekretariats konnte sich die "Ad Hoc Working Group on Further Commitments for Annex I Parties under the Kyoto Protocol (AWG-KP)", die Fragen wie Landnutzung, Entwaldung und Waldbewirtschaftung im Zusammenhang mit dem Klimawandel diskutiert, freilich nicht auf die notwendigen Ziele zur Verringerung der Treibhausgas-Emissionen der Industriestaaten einigen. UNFCCC-Chef de Boer warnte, die Delegierten seien "noch weit entfernt" von der Marke von minus 25 bis minus 40 Prozent gegenüber den Emissionenn von 1990, die Klimaforscher als Minimalziele für das Jahr 2020 vorgegeben haben.

Klimaverhandlungen in Bonn. NGO-Aktivisten. Foto: Germanwatch

Die Bonner Verhandlungsrunde war die zweite von fünf Konferenzen in diesem Jahr, die den Weg zu einem Vertrag beim Klimagipfel in Kopenhagen (7.-18. Dezember) ebnen sollen. Das nächsten Treffen zweier Arbeitsgruppen findet vom 10.-14. August in Bonn statt. Weitere Stationen sind Konferenzen in Bangkok (28. September bis 9. Oktober) und Barcelona (2.-6. November).

POLITISCHER WILLE FEHLT

Die Klimaexperten von Germanwatch fassten die Bonner Konferenz folgendmaßen zusammen: "Japan legte in Bonn erschreckend schwache Ziele vor, die kaum über die in Kyoto beschlossenen Reduktionsziele hinausgehen. Die EU-Finanzminister gaben währenddessen nur ein schwaches Signal für die notwendige finanzielle Unterstützung. Die USA legen bisher keine wirklich ambitionierten Reduktionsziele und noch weniger für das angestrebte Finanzpaket auf den Tisch. Die Entwicklungs- und Schwellenländer zeigen sich vor diesem Hintergrund nicht bereit, über die notwendigen ernsthaften Klimaaktivitäten zu verhandeln. Sie erwarten von den Industrieländern, dass sie ihre Emissionen zumindest um 40 Prozent bis 2020 reduzieren."

Die Bonner Konferenz habe aber deutlich gemacht, so Germanwatch, dass vor allem immer mehr junge Menschen durch Aktionen und Demonstrationen Druck auf den Verhandlungsprozess ausüben. "Die positive Einstellung der Jugendgruppen, hier etwas bewegen zu wollen, muss nun auch in die Verhandlungen reingetragen werden", sagte Klaus Milke, Vorstandsvorsitzender von Germanwatch. "Ein großes menschliches Ausrufezeichen in der Bonner Rheinaue zeigte während der Verhandlungen, dass Engagement für ein faires und ambitioniertes Abkommen in Kopenhagen vorhanden ist", so Milke.

Germanwatch hatte mit anderen NGOs, darunter Greenpeace und der WWF, einen eigenen Vertragsentwurf in die Debatte eingebracht. "Viele reagieren begeistert, dass endlich ein Entwurf eines ambitionierten Abkommens auf dem Tisch liegt", sagte Germanwatch-Klimaexperte Christoph Bals. "Wichtig ist, dass die Regierungen bis zum Klimagipfel in Kopenhagen im Dezember jetzt ein solches Abkommen durchsetzen."

MISEREOR: ENTTÄUSCHUNG ÜBERWIEGT

Das katholische Hilfswerk MISEREOR zeigte sich enttäuscht über die unzureichenden Ergebnisse zu konkreten Klimaschutzmaßnahmen: "Von einem ambitionierten Klimaschutzabkommen ist die globale Staatengemeinschaft immer noch weit entfernt. Den Regierungsvertretern der Industrienationen fehlt anscheinend der politische Wille, ihre Verantwortung für den Klimawandel in Form konkreter Klimaschutzziele nachzukommen, während in Afrika, Asien und Lateinamerika tausende Menschen unter dem Klimawandel leiden," sagte MISEREOR-Hauptgeschäftsführer Josef Sayer in Aachen.

Als Folge der globalen Erderwärmung sei die Ernährungssicherheit unzähliger Menschen durch Missernten bedroht. Stürme, Überflutungen und Dürren nähmen stetig zu und trieben die Menschen in Obdachlosigkeit und Armut. "Laut aktuellen Studien sterben bereits heute jährlich 300.000 Menschen allein an den Folgen des Klimawandels", mahnte MISEREOR.

Auch MISEREOR-Partner aus Afrika, die durch eine Videokonferenzschaltung aus Lilongwe in Malawi mit den Klimaverhandlungen in Bonn verbunden waren, betonten die negativen Auswirkungen des Klimawandels in ihren Ländern. Sie forderten die Industrienationen nachdrücklich auf, ihre Treibhausgasemissionen um mindestens 40% bis 2020 zu senken. Dies ist wissenschaftlichen Erkenntnissen zu Folge das notwendige Mindestmaß, um den globalen Temperaturanstieg auf unter 2 Grad Celsius zu begrenzen, und damit noch größere Klimakatastrophen zu verhindern.

Die derzeit auf dem Tisch liegenden Verhandlungsangebote seien davon jedoch weit entfernt, krisierte das Hilfswerk. "Japan beispielsweise ist lediglich bereit, seine CO2 Emissionen um 8% zu senken - das liegt nur 2% über dem Wert, zu dem Japan bereits nach dem Kyoto-Protokoll verpflichtet ist."  

Auch die EU habe enttäuscht, so MISEREOR. "Für die Anpassung an den Klimawandel benötigen Entwicklungs-und Schwellenländer von den Industriestaaten finanzielle Unterstützung von über 100 Milliarden Euro jährlich. Bis zum Ende der Verhandlungen wurden seitens der EU und Deutschland jedoch keinerlei finanzielle Zusagen gemacht."

"Es ist höchste Zeit, dass die EU und Deutschland ein deutliches politisches Signal setzen. Die Menschen in Asien, Afrika und Lateinamerika erwarten zu Recht, mit den Folgen des Klimawandels nicht allein gelassen zu werden", betonte Sayer. "Wir fordern Deutschland und die weiteren Industrienationen, aber auch große Emittenten wie China eindringlich auf, in den kommenden Monaten nicht auf halbem Weg nach Kopenhagen stehen zu bleiben. Die EU ist mehr denn je gefordert, im Sinne der Klimagerechtigkeit eine Vorreiterrolle zu übernehmen. Das Zustandekommen eines ambitionierten und gerechten Klimaabkommens in Kopenhagen ist sonst von vornherein gefährdet."

BUND: ABKOMMEN GEFÄHRDET

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) sieht das Zustandekommen eines Klimaschutzabkommens bereits als gefährdet an. Die Blockierer-Staaten seien vor allem Kanada und die USA, die keine festen Zusagen für CO2-Reduktionen gemacht hätten. Die Europäische Union sei zwar immer noch Vorreiter, biete jedoch bisher nur maximal 30 Prozent Reduktion an. Diese CO2-Reduktionsziele liegen nach BUND-Auffassung weit hinter dem Notwendigen zurück.

"Das Pokern der Industriestaaten um die globale Klimazukunft ist inakzeptabel", mahnte der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger. Die ins Spiel gebrachten CO2-Reduktionsziele sind dem Klimawandel völlig unangemessen und ein Affront gegenüber den Entwicklungsländern. Diese haben den Klimawandel nicht verursacht, sind aber durch zunehmende Dürren, Überschwemmungen und Ernteeinbrüche die Hauptleidtragenden."

Für wirksamen Klimaschutz müssten die Industriestaaten ihre CO2-Emissionen bis 2020 um mindestens 40 Prozent im Vergleich zu 1990 reduzieren, fordert der BUND. Und dies im jeweils eigenen Land. Der Ausgleich von Treibhausgasemissionen durch Projekte im Ausland, wie ihn der so genannte Clean Development Mechanism (CDM) ermöglicht, führe zu keiner ausreichenden Reduktion. Dies habe eine aktuelle Studie des BUND und seiner Dachorganisation Friends of the Earth (FoE) ergeben. Zumeist würden mittels CDM Projekte finanziert, die auch ohne dieses Instrument realisiert worden wären. Die Industriestaaten ermöglichten somit nicht zusätzlichen Klimaschutz in Entwicklungsländern, sondern unterstützen ohnehin vorgesehene Maßnahmen.

Auch bei den finanziellen Zusagen für Klimaschutz in Entwicklungsländern hätten sich die Industriestaaten bei den Bonner Verhandlungen kein Stück bewegt. "Schwammige Ankündigungen helfen nicht, der globalen Herausforderung des Klimawandels zu begegnen", so Antje von Broock, BUND-Expertin für internationale Klimapolitik. "Die Industriestaaten müssen rund 70 Milliarden Euro jährlich für Klimaschutz in den Entwicklungsländern bereitstellen. Davon muss die EU ein Drittel übernehmen." Mit diesen Mitteln sollten erneuerbare Energien, CO2-arme Technologien und Energieeffizienz finanziert werden.

ENTWICKLUNGSLÄNDER ENTTÄUSCHT

"Es ist kein politischer Wille bei den reichen Ländern zu erkennen, dass sie zu ihrer historischen Verantwortung stehen und auch den Armen die Chance auf Entwicklung und ein Leben in Würde geben wollen", kommentierte Mithika Mwenda aus Kenia, Koordinator des Pan-Afrikanischen Netzwerkes für Klimagerechtigkeit.

Die Passivität der Industrieländer habe zu einem erheblichen Vertrauensverlust geführt, erklärte der Evangelische Entwicklungsdienst (EED). Die Entwicklungsländer seien über Versuche besorgt, bei denen ihnen die Lasten des Klimawandels stärker aufgebürdet werden.

Foto: 500 Klimaaktivisten setzten am 6. Juni in der Bonner Rheinaue ein menschliches Ausrufezeichen für den Klimaschutz © Germanwatch/Robert van Warden/Spectral Q / Design John Quigley

www.unfccc.int

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