soz staatenJekaterinburg/Bonn (epo.de). - Die Staatschefs der Schanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ) wollen gemeinsam gegen die Wirtschaftskrise vorgehen und sich stärker an der Kontrolle der internationalen Finanzsysteme beteiligen. Bei ihrem Gipfeltreffen im russischen Jekaterinburg vereinbarten sie, besonderes Augenmerk auf die Energie- und Ernährungssicherheit zu legen. Ein neuer Impuls für die wirtschaftliche Kooperation zwischen Asien und Europa könnte von der angestrebten beschleunigten Umsetzung von Projekten in Bereichen der internationalen Transportwege und der Modernisierung der Eisenbahnlinien und Autostraßen ausgehen, analysiert Alwin Becker für epo.de.

Der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ) mit Sitz in Peking gehören die Volksrepublik China, Russland, Usbekistan, Kasachstan, Kirgisistan und Tadschikistan an. Indien, Mongolei, Pakistan und Iran haben in der SOZ den Beobachterstatus inne. Die Organisation vereint zurzeit rund 40 Prozent der Weltbevölkerung und umfasst drei Fünftel der Fläche Eurasiens.

Im Mittelpunkt des 9. Gipfeltreffens des Rates der Staatschefs der SOZ vom 15. bis 16. Juni in Jekaterinburg standen drei Themen: Weltwirtschaftskrise, Terrorismusbekämpfung sowie die Erweiterung der SOZ . Neben den Staatsoberhäuptern von Russland, China, Kasachstan, Kirgisien, Tadschikistan und Usbekistan nahmen die Präsidenten Pakistans, Irans und Afghanistans, der Premierminister Indiens und ein Sonderbeauftragter des Präsidenten der Mongolei teil. Zu den wichtigsten Dokumenten, die auf dem Gipfel verabschiedet wurden, zählen die Deklaration von Jekaterinburg sowie das gemeinsames Kommuniqué, in welchen die Staatschefs ihren Willen zur Intensivierung der Zusammenarbeit in Bereichen Wirtschaft und Sicherheit zum Ausdruck brachten.

VEREINTES VORGEHEN GEGEN DIE WELTWIRTSCHAFTSKRISE

Chinas Staatschef Hu Jinatao gab auf dem Gipfel bekannt, dass China der Schanghaier Organisation für Zusammenarbeit einen Kredit in Höhe von 10 Mrd. US-Dollar zur Verfügung stellt. Die Mittel sollen im Rahmen der Bekämpfung der Wirtschaftskrise in gemeinsame SOZ-Projekte in Bereichen Infrastruktur, Transport und Energiesektor in zentralasiatischer Region investiert werden. Darüber hinaus soll Tadschikistans Wirtschaft von China mit weiteren 60 Mio. Yuan unterstützt werden. Das bevölkerungsreichste Land der Erde gewährt auch einem weiteren SOZ-Mitglied - der Kirgisischen Republik - ein Darlehen in Höhe von 12 Mio. USD für die Entwicklung regionaler Kooperation.

Auch das Thema Schaffung einer supranationalen Währung für den Finanzverkehr im Rahmen der SOZ stand auf der Agenda. Doch der Vorschlag des kasachischen Präsidenten Nursultan Nasarbajew zur Einführung einer SOZ-Valuta wurde von anderen Mitgliedern der SOZ nicht unterstützt. Russlands Präsident Medwedew rief in seiner Ansprache die SOZ-Länder dazu auf, mittelfristig nationale Währungen im internationalen Finanzverkehr intensiver zu nutzen. Er betonte, dass die Einführung einer supranationalen SOZ-Währung angesichts der gegenwärtigen Wirtschaftsentwicklung verfrüht wäre. Nichtsdestotrotz wurden Finanzexperten der SOZ damit beauftragt, Optionen einer gemeinsamen Währung zu prüfen.

ANTI-TERROR-KAMPF UND SICHERHEIT

Die Absicht der Staatschefs der SOZ-Mitgliedsländer, weiterhin gegen den Terrorismus in der Region vorzugehen, wurde durch die Unterzeichnung eines Anti-Terror-Abkommens bekräftigt. Das Abkommen soll die rechtliche Basis für Anti-Terror-Maßnahmen im Rahmen der SOZ schaffen und weitere Möglichkeiten der Zusammenarbeit auf diesem Gebiet eröffnen. Es wurde vereinbart Sicherheitszonen einzurichten, die die Ausweitung des Drogenhandels und der grenzüberschreitenden organisierten Kriminalität verhindern sollen.

In diesem Zusammenhang brachten alle Länder der SOZ ihre tiefe Besorgnis über die Lage in Afghanistan zum Ausdruck. Russlands Präsident Medwedew erklärte sich bereit, bei der Suche nach Lösungen des Problems der Überschreitung der afghanisch-pakistanischen Grenze durch die Taliban zwischen Afghanistan und Pakistan zu vermitteln. Er wies darauf hin, dass der Bekämpfung der Taliban die Umsetzung von wirtschaftlichen Projekten folgen sollte: "Ohne der Entwicklung der Wirtschaft kann normales Leben weder in Afghanistan noch in bestimmten Provinzen Pakistans aufgebaut werden", betonte der russische Präsident.

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In der Deklaration von Jekaterinburg wird hervorgehoben, dass Bestrebungen, sich einseitige Vorteile im Rüstungsbereich zu verschaffen, das strategische Gleichgewicht und den Frieden gefährden sowie Abrüstungsprozesse verhindern könnten. Internationale und regionale Konflikte, heißt es in der Deklaration, seien ausschließlich auf politischen bzw. diplomatischen Wegen zu lösen.

In diesem Zusammenhang bekräftigen die SOZ-Mitgliedsländer ihre Bereitschaft, die nukleare Abrüstung der koreanischen Halbinsel durch die unverzügliche Wiederaufnahme der Verhandlungen über einen atomwaffenfreien Status voranzutreiben. In der Verbreitung der Kernwaffen sieht die SOZ eine ernsthafte Bedrohung des internationalen Friedens und der Sicherheit. "Das Vorgehen von Pjöngjang gefährdet nicht nur den Frieden in der Region, sondern auch die globale Sicherheit", sagte der kasachische Präsident Nazarbaew.

SOZ BEKOMMT ZUWACHS

Die Aufnahme von neuen Vollmitgliedern in die SOZ ist durch das seit 2006 wirksame Moratorium ausgeschlossen. Jedoch besteht seit 2008 für interessierte Länder und internationale Organisationen die Möglichkeit, als Dialogpartner mit der Organisation zu kooperieren. Durch die Beschlüsse des Rates der Staatschefs der SOZ Nr. 4 bzw. Nr. 5 des jüngsten Gipfels erhielten Belarus und Sri Lanka, die bereits 2008 entsprechenden Anträge stellten, den Status des Dialogpartners.

Dieser Status - zwischen Beobachterstatus und Vollmitgliedschaft - war bereits im §14 der SOZ-Charta vorgesehen, doch fehlten bis 2008 rechtliche Kriterien für die Vergabe des Status. Laut den Bestimmungen der SOZ können Dialog-Partner entsprechend ihren Interessensschwerpunkten gezielt an Projekten teilnehmen. Sie sind berechtigt, an öffentlichen Sitzungen des Rates der Außenminister sowie an relevanten Konferenzen der Minister oder Behördenleiter der Mitgliedsländer teilzunehmen.

Pakistan, das bereits Beobachterstatus besitzt, bekundete sein Interesse an einer Vollmitgliedschaft. Das bestätigte Präsident Asif Ali Zardari auf dem Gipfel in Jekaterinburg. Pakistan will die Zusammenarbeit mit der SOZ in drei Gebieten aufnehmen: "Die Sicherheit einschließlich die Bekämpfung des Terrorismus und Extremismus, Energiesektor und wirtschaftliche Kooperation, die die Schaffung von Handelskorridoren und Kommunikationswegen mit unseren regionalen Nachbarn umfasst", so der Präsident.

SOZ (Wikipedia) | Karte: Wikimedia Commons

Alwin Becker ist Research Assistant in der Abteilung "Politischer und Kultureller Wandel" am Zentrum für Entwicklungsforschung (ZEF) der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn.

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