ilisuHamburg (epo.de). - Das von der türkischen Regierung geplante Ilisu Staudamm-Projekt wird nicht mehr mit Exportkreditgarantien von Deutschland, Österreich und der Schweiz abgesichert. Das teilte die deutsche Euler Hermes Kreditversicherungs-AG am Dienstag in Hamburg mit. "Die an diese Absicherungen geknüpften Auflagen im Bereich der Umwelt, Kulturgüter und Umsiedlung konnten trotz teilweise erheblicher Verbesserungen innerhalb der vertraglich festgelegten Frist nicht erfüllt werden", erklärten die Exportkreditversicherer Deutschlands, Österreichs und der Schweiz gemeinsam.

Der Türkei und dem Lieferkonsortium sei am Dienstag mitgeteilt worden, dass die seit Dezember 2008 bestehende Suspendierung der Bauverträge nicht innerhalb der vorgesehenen Frist aufgehoben werden konnte, heißt es in der Erklärung der Euler Hermes Kreditversicherungs-AG, der Schweizerischen Exportrisikoversicherung (SERV) und der Österreichischen Kontrollbank AG (OeKB). "Die vertraglich vereinbarten Auflagen im Bereich der Umwelt, Kulturgüter und Umsiedlung sind nicht genügend erfüllt. Daher sind die Grundlagen für eine Fortführung des Projekts mit staatlicher Absicherung aus den drei Ländern nicht mehr gegeben."

Die Exportkreditagenturen hatten mit ihren Auflagen versucht, die Auswirkungen des Kraftwerksprojektes auf die in der Region lebenden Menschen sowie auf Umwelt und Kulturgüter zu minimieren und die dafür geltenden Standards der Weltbank zu erfüllen. Weil sich die Umsetzung durch die türkische Regierung immer wieder verzögerte, hatten die Exportkreditagenturen im Dezember letzten Jahres die Konsortien angewiesen, die Bau- und Lieferverträge zu suspendieren und die vertraglich vorgesehene letzte Frist von 180 Tagen zur Umsetzung dieser Standards eingeleitet. Diese Frist endete am 6. Juli.

Wie es in der Erklärung weiter heißt, hätten mehrmalige Besuche im Projektgebiet und der Austausch mit der vom Bauherren eingesetzten Projektleitung "immer wieder Defizite in der Umsetzung der während der bisherigen Projektphasen zu erfüllenden Auflagen aufgezeigt". Die Einhaltung internationaler Standards, festgelegt in den OECD-Umweltleitlinien ("Common Approaches"), sei aber ein wesentliches Element für die Übernahme von Exportkreditgarantien. Dies sei in rund 150 Auflagen ("Terms of Reference") festgehalten worden, die sowohl die Weltbankstandards als auch die Empfehlungen der Weltstaudammkommission berücksichtigten.

Durch den Ilisu-Staudamm würden nach Angaben von Umweltschützern und Experten rund 65.000 Menschen ihre Heimat verlieren, 400 Kilometer Flusslandschaften zerstört und zahlreiche Tier- und Pflanzenarten gefährdet. Rund 300 wertvolle archäologische Stätten würden im Stausee versinken, darunter mit Hansankeyf eine der ältesten Städte der Menschheit. Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen in der Türkei und in Westeuropa hatten das Projekt im Rahmen einer gemeinsamen Kampagne ("Stop Ilisu") heftig kritisiert.

Die Kosten für das Ilisu-Projekt werden auf rund 1,2 Milliarden Euro geschätzt. Nach dem Ausfall der Garantien, die rund 450 Millionen Euro abgedeckt hätten, gilt es als unwahrscheinlich, dass westeuropäische Unternehmen sich wie vorgesehen an dem Projekt beteilligen. Die türkische Regierung machte jedoch deutlich, sie wolle auf jeden Fall an dem Projekt festhalten. Dazu müsste das Konsortium aufgelöst und das Projekt neu ausgeschrieben werden.

WIEZOREK-ZEUL: GUT SO

Die deutsche Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul erklärte am Dienstag in Berlin zu der Entscheidung, das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) habe während des ganzen Prozesses darauf gedrängt, dass die hohen internationalen Weltbank-Standards eingehalten werden. "Unsere kritische Haltung zu Ilisu war von Anfang an richtig: Wenn der Schutz von Menschen, Umwelt und Kulturgütern nicht gewährleistet werden kann, müssen die Liefer- und Kreditverträge für den Staudamm beendet werden. Dies ist jetzt geschehen, da die Türkei die Auflagen nicht erfüllt hat. Gut so!"

KRITIKER ERFREUT ÜBER AUSSTIEG

Der Ausstieg der drei Exportkreditagenturen wurde in Kreisen der Kritiker des Mammutprojekts mit großer Freude aufgenommen.

"Unsere Bemühungen, die Kulturgüter und die Existenzgrundlage der Menschen im Tigristal zu schützen, gehen weiter und zwar in einem immer breiteren Bündnis", erklärte Ercan Ayboga von der Initiative zur Rettung von Hasankeyf. "Die Regierung hat jede Legitimation in der Öffentlichkeit verloren, das Projekt umzusetzen. Dadurch haben wir zum ersten Mal die Chance, Ilisu tatsächlich zu stoppen."

Stop Ilisu Kampagne"Der Rückzug der Bürgschaften für Ilisu ist ein riesiger Erfolg der intensiven Kampagnenarbeit in allen beteiligten Ländern“, sagte Heike Drillisch von GegenStrömung, der Ilisu-Kampagne in Deutschland. Über zehn Jahre lang hätten Nichtregierungsorganisationen immer wieder nachgewiesen, dass das Ilisu-Projekt internationale Standards verletzt und so auf den jetzigen Ausstieg der europäischen Regierungen hingewirkt. "Ilisu ist zum Wahrzeichen einer verfehlten Exportpolitik geworden. Regierungen, Banken und Unternehmen müssen ihre Lehre daraus ziehen und von derartigen Megaprojekten ohne Rücksicht auf die Menschen und die Umwelt künftig direkt Abstand nehmen."

"Mit diesem Schritt bekommt der Schutz von Menschen, Kulturgütern und Natur erstmals Vorrang vor kurzfristigen Wirtschaftsinteressen", erklärte Christine Eberlein von der "Erklärung von Bern" (EvB). Kaspar Haller von der Gesellschaft für bedrohte Völker Schweiz sagte, das "schlecht konzipierte Projekt" sei vor Ort vor allem deshalb auf massive Ablehnung gestoßen, "weil es der türkische Staat bisher versäumt hat, die grundlegendsten Bedürfnisse der Bevölkerung genügend zu berücksichtigen". "Der Ausstieg der Europäer zeigt den Menschen der Region, dass sie mit ihrer Kritik an diesem Staudammprojekt richtig liegen", so Haller.

Amnesty International sprach von einer "historisch einzigartigen Entscheidung". Staatliche Exportkreditbürgschaften wie Hermes dürften "keine Projekte absichern, die zu Menschenrechtsverletzungen führen oder führen können".

www.ilisu-wasserkraftwerk.com
www.stopilisu.com
www.gegenstroemung.org

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