g8Berlin (epo.de). - Führende Wissenschaftler aus China, Brasilien, Deutschland und Südafrika haben an die Staats- und Regierungschefs der acht wichtigsten Industrienationen (G8) appelliert, beim heute beginnenden G8 Gipfel in Italien die Einrichtung eines Krisen-Frühwarnsystems zu beschließen. Ein solches "International Panel on Systemic Risks in the Global Economy" solle wissenschaftliche Grundlagen zur Vermeidung der zentralen ökonomischen, sozialen, ökologischen und politischen Systemrisiken in der Weltwirtschaft des 21. Jahrhunderts erarbeiten.

Die aktuelle globale Rezession habe gezeigt, dass die Weltwirtschaft über kein funktionstüchtiges Frühwarnsystem verfügt, erklärte das Wissenschaftlerteam, dem die Professoren Dirk Messner vom Deutschen Institut für Entwicklungspolitik (DIE), Enrique Saravia von der Getulio Vargas Fundação (Brasilien); Elisabeth Sidiropoulos (Direktorin des South African Institute of International Affairs) und Yizhou Wang (Direktor des Institute of World Economics and Politics, Chinese Academy of Social Sciences, China) angehören.

Das Wissenschaftlerteam argumentiert in der Frankfurter Rundschau vom 7. Juli, die Gleichzeitigkeit von globaler Finanz- und Wirtschaftskrise, beschleunigtem Klimawandel und sich abzeichnenden Herausforderungen in der internationalen Energie- und Ernährungssicherungspolitik verdeutliche, dass die internationale Gemeinschaft im 21. Jahrhundert große Fortschritte im Management globaler Systemrisiken machen muss. Das Panel solle den vielen ökonomischen Weltberichten, etwa der Weltbank oder des Internationalen Währungsfonds, keinen weiteren Zustandsbericht zur Weltwirtschaft hinzufügen. Es solle vielmehr drei Fragenbündel beantworten:
  • Aus welchen Dynamiken ergeben sich Systemrisiken für die Weltwirtschaft? Was sind weltwirtschaftliche Systemrisiken des 21. Jahrhunderts?
  • Lassen sich fünf bis zehn zentrale Systemrisiken für die Weltwirtschaft und Kriterien für deren Auswahl (z. B. Signifikanz, Breitenwirksamkeit, Irreversibilität) benennen? Was kann getan werden, um diese Systemrisiken einzuhegen?
  • Wie kann die Weltgemeinschaft Vorsorge treffen, um auf unvorhergesehene globale Systemrisiken reagieren zu lernen?

VORBILD IPCC

Das Panel solle vom Weltklimarat (International Panel on Climate Change, IPCC) lernen, meinen die Wissenschaftler. Das IPCC habe gezeigt, "dass die weltweite Bündelung des Wissens zu zentralen Überlebensfragen der Menschheit dazu beitragen kann, Politik, Wirtschaft und Gesellschaften auf zukünftige globale Herausforderungen aufmerksam zu machen und Handlungsdruck zu erzeugen."

Das IPCC umfasse einige tausend führende Wissenschaftler und stehe nicht etwa für eine "Schule" der Klimaforschung, sondern für die heterogene Forschungslandschaft insgesamt. Diese Konstruktion verleihe  den weltweit beachteten IPCC-Reports, die den globalen Stand des Wissens zu den Gefahrenpotentialen des Klimawandels dokumentieren, Seriosität, Überparteilichkeit und Ausgewogenheit.

Das Panel zu Systemrisiken sollte Wissenschaftler aus OECD-Ländern, Schwellen- und Entwicklungsländern sowie allen Weltregionen angemessen einbeziehen und seine Arbeit auf die langfristigen Dynamiken des 21. Jahrhunderts konzentrieren, schlagen Messner, Saravia, Sidiropoulos und Yizhou Wang vor. Hierzu zählen sie Bevölkerungsentwicklung, globale Erwärmung, Machtverschiebungen in Weltwirtschaft und -politik, für das Überleben der Menschheit zentrale Ökosysteme, Migrationsbewegungen und technologische Langfristtrends.

NORMATIVE MASSSTÄBE FÜR EINE FAIRE GLOBALISIERUNG

Aufgabe des Panels müsse es sein, "die zentralen langfristigen Treiber globalen Wandels und deren Wechselwirkungen zu identifizieren und Aussagen zu den größten Systemrisiken für die Weltwirtschaft in den kommenden Dekaden zu formulieren". Während nicht nur die Märkte, sondern auch politische Systeme eher kurzfristigen Logiken folgten, sei die Beherrschung von Langfristtrends "einer der Schlüssel für eine erfolgreiche Gestaltung der Globalisierung". Wichtig sei auch die inter- und transdisziplinäre Ausrichtung des Panels und ein "360 Grad Blick" auf globale Risiken, der "das Wissen der Welt bündelt".

"Die Lösung globaler Probleme kann nicht nur an Unwissenheit über komplexe Systemrisiken scheitern, sondern vor allem auch an kollektiven Handlungsblockaden, nationalen Interessen und Machtstrukturen im internationalen System", konstatiert das Wissenschaftlerteam. Nötig seien normative Prinzipien für eine faire Globalisierung. "Aus der Perspektive globaler Risikovorsorge ist offensichtlich, das Kooperation, Fairness, internationaler Interessenausgleich und Gerechtigkeit die Grundlagen für effektive Global Governance seien müssen."

Globalisation at the Crossroad: An “International Panel on Systemic Risks in the Global Economy” is Needed, DIE Briefing Paper 6/2009 (PDF)

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