Solarkollektoren in Almeria, Spanien. Foto: DLRMünchen (epo.de) - Zwölf Unternehmen haben am Montag in München ein "Memorandum of Understanding" zur Gründung einer Planungsgesellschaft für die Produktion von "Wüstenstrom" in solarthermischen Kraftwerken in Nordafrika unterzeichnet. Die Desertec Industrial Initiative (DII) soll ein Projekt zur umweltfreundlichen Erzeugung von Strom für die Bedürfnisse maghrebinischer Staaten und für den Export nach Europa vorantreiben, in das Energiekonzerne und andere Firmen rund 400 Milliarden Euro investieren wollen.

Das Desertec-Projekt umfasst eine Vielzahl vernetzter und über Nordafrika und den Nahen Osten (MENA-Region) verteilter solarthermischer Kraftwerke, die einmal einen Anteil von rund 15 Prozent des Strombedarfs von Europa und einen erheblichen Anteil des Strombedarfs für die Erzeugerländer produzieren sollen (epo.de berichtete). Innerhalb von drei Jahren, so die Ankündigung am Montag im München, sollen "umsetzungsfähige Investitionspläne" entstehen.

Gründungsunternehmen der DII sind ABB, ABENGOA Solar, Cevital, Deutsche Bank, E.ON, HSH Nordbank, MAN Solar Millennium, Münchener Rück, M+W Zander, RWE, SCHOTT Solar und SIEMENS. Die Vereinbarung wurde im Beisein hochrangiger Repräsentanten aus der deutschen und der internationalen Politik unterzeichnet.

Karte des Desertec-Projekts

Neben Profiten versprechen sich die Geschäftspartner "weitere ökonomische, ökologische und gesellschaftliche Potenziale", darunter mehr Energiesicherheit in den EU/MENA-Ländern, Wachstum- und Entwicklungschancen für die MENA-Region durch große Investitionen privater Geldgeber, die Sicherung der zukünftigen Trinkwasserversorgung in den MENA-Ländern durch die Nutzung überschüssiger Energie in Meerwasser-Entsalzungsanlagen und die Reduzierung von CO2-Emissionen, die einen erheblichen Beitrag zur Unterstützung der Klimaschutzziele der Europäischen Union leisten könnten.

Die DII Planungsgesellschaft soll bis zum 31. Oktober 2009 als GmbH nach deutschem Recht gegründet werden. Prinz Hassan bin Talal von Jordanien sagte, die überregionalen Partnerschaften, die durch das DESERTEC-Projekt entstünden, "öffnen ein neues Kapitel der Zusammenarbeit zwischen den Menschen in der Europäischen Union, Westasien und Nordafrika". Der Aufsichtsratsvorsitzende der DESERTEC Foundation, Gerhard Knies, nannte die Gründung der Desertec Industrial Initiative einen "Meilenstein im Konzept der DESERTEC-Foundation für weltweite Energie-, Wasser- und Klimasicherheit".

Zu den beteiligten Unternehmen gehört die ABB AG, die die Hochspannungs-Gleichstromübertragung entwickelt hat, die es erlaubt, Strom über weite Strecken mit nur geringen Transportverlusten zu übertragen. ABENGOA Solar baut derzeit in Algerien und Marokko integrierte Solar-, Gas- und Dampfkraftwerke. Hervé Touati, Mitglied der Geschäftsführung von E.ON Climate & Renewables, sagte in München, E.ON sei "davon überzeugt, dass der Solartechnik langfristig die Zukunft gehört". Die MAN Solar Millennium realisiert bereits große solarthermische Kraftwerke in der Mittelmeerregion.

"Wir verfolgen einen großen Plan", erklärte Torsten Jeworrek, Mitglied des Vorstands der Münchener Rück, die das Projekt maßgeblich initiiert hatte. "Im Erfolgsfalle würden wir einen ganz großen Beitrag im Kampf gegen den Klimawandel leisten. Das ökologische wie auch das wirtschaftliche Potenzial ist enorm. Wir werden alles tun, diese Vision Wirklichkeit werden zu lassen."

Zum Gründungskonsortium gehören auch die M+W Zander Group, ein führender Anlagenbauer im Bereich Photovoltaik und Solartechnik, und die SCHOTT AG, die die Parabolrinnentechnologie in Solarkraftwerken weiterentwickelt hat.

SCHEER: FATA MORGANA

scheer_hermann_100Der Präsident von EUROSOLAR und Vorsitzende des Weltrats für Erneuerbare Energien, Hermann Scheer (SPD), erklärte, das Desertec-Projekt sei "eine Fata Morgana". "Die Initiatoren selbst wissen: Daraus wird nie und nimmer etwas." Desertec könne eine gute Idee sein, wenn es darum ginge, den Sahara-Staaten zu helfen, ihre eigene Energieerzeugung vollständig auf Erneuerbare Energien umzustellen. Der geplante großangelegte Solarstromexport nach Europa sei jedoch "höchst fragwürdig".

Scheer monierte, die erwarteten Kosten würden "künstlich heruntergerechnet". "Selbst wenn der Plan, 15 Prozent des EU-Strombedarfs zu Investitionskosten von angeblich 400 Milliarden Euro realisierbar wäre, so wäre das keineswegs kostengünstiger als eine Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien innerhalb der EU selbst."

Mit dem zügigen Ausbau der Erneuerbaren Energien innerhalb Europas ergebe sich die Notwendigkeit schnell zuschaltbarer dezentraler Regelkraftwerke statt des Baus von Grundlastkraftwerken in der Wüste, so Scheer. Der SPD-Bundestagsabgeordnete sieht die zentrale Frage darin, "wo künftig die Wertschöpfung aus Erneuerbaren Energien stattfindet". Die an Desertec beteiligten Konzerne versuchten, ihre Vorherrschaft bei der Stromerzeugung und -verteilung durch das Großprojekt aufrecht zu erhalten, kritisiert Scheer.

Staatsminister Günter Gloser (SPD) vom Auswärtigen Amt erklärte, Deutschland und die EU könnten die nötigen Rahmenbedingungen schaffen und eine Anschubfinanzierung geben. "Der Staat oder die EU können nicht all diese Finanzen aufbringen. Der wesentliche Anteil muss von privaten Unternehmen organisiert werden."

Die Welthungerhilfe und das katholische Hilfswerk MISEREOR mahnten, von dem Projekt müssten auch die beteiligten afrikanischen Staaten profitieren. Welthungerhilfe-Sprecher Ralph Dickerhoff sagte, es wäre sinnvoll, zumindest Ländern in der Nachbarschaft von Solarkraftwerken Strom verbilligt zu liefern.

www.desertec.org

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