undjetzt_gruppenarbeit_wirkungskette_kai_walter_200Potsdam (epo.de). - In Potsdam geht am Samstag die erste bundesweite Konferenz für Rückkehrer aus dem Freiwilligendienst zu Ende. Unter dem Titel "undjetzt?!" diskutieren seit Montag mehr als einhundert entwicklungspolitisch interessierte junge Leute aus ganz Deutschland über das "Danach". Bundespräsident Horst Köhler sprach in seinem Grußwort an die Konferenzteilnehmer deren Bereitschaft, gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen, an. Er ermutigte sie, nicht stehen zu bleiben und ihre eigenen Antworten auf die drängenden Fragen unserer Zeit zu finden. Für epo.de sprach Kai Walter mit Initiatoren und Beteiligten.

Es ist die erste Konferenz dieser Art in Deutschland und sie findet gerade jetzt statt, weil in diesem Sommer die ersten Freiwilligen aus dem staatlichen Freiwilligenprogramm "weltwärts" zurückkehren. Durch "weltwärts" haben mehr junge Menschen die Möglichkeit Erfahrungen in Entwicklungsländern zu sammeln. Aber es gibt nun auch wesentlich mehr Rückkehrer, die nicht nur in den Alltag zurückkehren wollen, sondern Wege suchen, um ihre Erfahrungen zu nutzen und sich weiterhin zu engagieren.

Den ersten Workshoptag eröffneten die Mitorganisatoren Thomas Strotjohann und Moritz Mussmann. Im morgendlichen Impulsreferat stellten sie das NicaNetz vor, dessen Vertreter zahlenmäßig sehr stark bei der Organisation der Konferenz "undjetzt?!" vertreten waren. So erfuhren die teilnehmenden Rückkehrer, dass NicaNetz Freiwillige vernetzt, die in Nicaragua ihren Dienst leisten oder geleistet haben.

Der Verein nahm und nimmt auch Einfluss auf die Gestaltung des Freiwilligenprogramms "weltwärts", das 2008 vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) gestartet wurde. Über die Vorbereitung von Freiwilligen hinaus habe man in diesem Jahr angefangen, in den Partnerländern einheimische Mentoren für die deutschen Freiwilligen aus- und fortzubilden. Die beiden Vertreter fanden die richtigen Worte, um die Teilnehmer einzustimmen: "Wir sind alle bereit uns zu engagieren, sonst wären wir nicht hier", sagte Strotjohann.

VON RÜCKKEHRERN FÜR RÜCKKEHRER

Nähe zur Realität von Freiwilligen und Rückkehrern war bei "undjetzt?!" quasi per se gegeben, da die Konferenz von Rückkehrern für Rückkehrer organisiert und durchgeführt wurde. Das Organisationsteam bestand aus ehemaligen Freiwilligen, die wissen, was Rückkehrer suchen. Bei der Auswahl der Referenten für die Workshops und für Vorträge habe man sehr genau recherchiert und abgewogen, ob die Inhalte passen, so Christian Wienberg.

Workshop Grundmann

Laut Wienberg war es nicht einfach, einen geeigneten Ort zu finden. Staatliche Bildungseinrichtungen mit entsprechendem Raumangebot seien eher zögerlich gewesen, weil sie vielleicht das Format nicht verstanden hätten und mit den jungen zivilgesellschaftlichen Akteuren nicht umgehen konnten. Die Hoffbauer Stiftung hatte weniger Probleme und stellte ihre Gebäude des Gymnasiums und der Berufsfachschule auf der Halbinsel Hermannswerder in Potsdam zur Verfügung.

Möglich wurde die Konferenz vor allem dadurch, dass das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung mehr als zwei Drittel der Finanzierung übernahm. Mit Unterstützung der Stiftung Nord-Süd-Brücken und privater Sponsoren konnte ein umfangreiches und anspruchvolles Programm organisiert werden.

ANSTOSS ZUM HANDELN

Zwischen drei Monaten und einem Jahr haben die Teilnehmer der Konferenz in Entwicklungsländern in Asien, Afrika oder Lateinamerika ganz persönliche Erfahrungen gesammelt. Manche der Erfahrungen gleichen sich, andere nicht. Sie sind jedoch alle Anstoß zum weiteren Handeln. Aber was hat der Freiwilligendienst gebracht und was kann man nach der Rückkehr tun? Wie kann man die Erfahrungen nutzen? Und wo findet man Gleichgesinnte? Diese und viele andere Fragen stellen sich die Jugendlichen in Workshops und Open Space-Veranstaltungen während der Konferenz.

Ein zweitägiges Workshop-Programm bot Gelegenheiten, von Experten mehr über Entwicklungspolitik und Entwicklungszusammenarbeit zu erfahren, aber auch reichlich Zeit für den Austausch und die Reflektion der eigenen Erfahrungen. In parallel verlaufenden dreistündigen Workshops konnten die Rückkehrer gemeinsam intensiv an Themen wie Wirkung von Entwicklungszusammenarbeit (EZ), Web 2.0 for development, Millenium Development Goals, Globales Lernen und Vom Freiwilligen zum Projektpartner arbeiten. Insgesamt wurden mehr als vierzig verschiedene Themen angeboten.

Die Geografin Gesa Grundmann vom Seminar für Ländliche Entwicklung der Humboldt Universität Berlin sprach über Wirkung in der EZ. Ein komplexes und oft sehr theoretisches Thema, wie sie den Teilnehmern eingestand. Im Workshop stellten die Rückkehrer jedoch fest, wie wichtig und hilfreich es sein kann, wenn man das eigene Tun im Projekt anhand einer Wirkungskette reflektiert.

IST FREIWILLIGENDIENST EZ?

In der Diskussion kam auch die Frage auf, ob Freiwilligendienst Entwicklungszusammenarbeit ist. Während einige Freiwillige meinten, durchaus entwicklungspolitisch etwas im Projekt bewirkt zu haben, sahen andere klar den Aspekt des eigenen Lernens im Vordergrund. Einig waren sich die Rückkehrer darin, dass solche Diskussionen wichtig sind, um das Selbstverständnis von Freiwilligen zu hinterfragen und die Ausrichtung von Freiwilligenprogrammen zu schärfen.

Gruppenarbeit zur Wirkungskette. Foto: Kai Walter

In ihren Workshops zur entwicklungspolitischen NGO-Szene in Deutschland stellte Jana Rosenboom auch Unterschiede bei den Teilnehmern fest. "Im ersten Workshop waren die Leute total fit und haben vieles schon gewusst", sagte die Leiterin des Bereichs Inlandsarbeit beim NGO-Dachverband VENRO.

Im zweiten Workshop wurde schon in der Vorstellungsrunde klar, welch unterschiedliche Erwartungen vorhanden sind. Während einige gerade erst zurückgekehrt sind und "etwas Orientierung in der NGO-Szene" suchen, zielen andere schon konkret auf eine berufliche Karriere in der EZ ab. Eine Rückkehrerin sagte, dass sie das Thema seit ihrem Freiwilligendienst "nicht mehr loslässt" und sie deshalb Wege sucht, um sich weiter zu engagieren. Genau richtig, denn auch Jana Rosenboom ist zur Konferenz gekommen, um neue Leute für die Inlandsarbeit zu gewinnen.

In Open Space-Veranstaltungen konnten sich die Rückkehrer zu selbst gestellten Themen austauschen und sich auf einem Markt der Möglichkeiten direkt bei entwicklungspolitischen Akteuren informieren. Etwa 30 Organisationen nutzen am Freitag die Gelegenheit, um sich mit Aktionen und Vorträgen vorzustellen und mit den Rückkehrern ins Gespräch zu kommen. "Die Beteiligung der vielen Organisationen bestätigt uns in unserem Format der Konferenz", sagte Christian Wienberg. Es sei das Ziel der Tagung, Leute zusammen zu bringen, die anders nicht zusammen kommen würden.

"Potsdamer Erklärung" der Konferenz-TeilnehmerInnen (PDF)

Fotos: Kai Walter

Hintergrund:

www.undjetzt-konferenz.de