ngo_forumBerlin (epo.de). - Die deutsche Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) hat anlässlich des "Globalen Forums" zu sexueller und reproduktiver Gesundheit und Entwicklung in Berlin an die Staaten appelliert, ein Prozent der Mittel für Konjunkturprogramme für die Entwicklungshilfe bereitzustellen. 15 Jahre nach der Internationalen Konferenz über Bevölkerung und Entwicklung in Kairo treffen sich in Berlin rund 400 Experten aus 131 Ländern, um die globale Bewegung für die Gesundheit und Rechte von Frauen wieder aufleben zu lassen. Mit einem Zehn-Punkte-Papier rief Wieczorek-Zeul zu neuen Investitionen und zu mehr politischem Engagement für Frauen und Mädchen in aller Welt auf.

"Wir fordern besonderen Schutz für die Ärmsten und Schwächsten, und zwar gerade in Zeiten der Wirtschafts- und Finanzkrise", sagte Wieczorek-Zeul am Mittwoch vor der Presse in Berlin. "Die Konjunkturprogramme der Geberländer sollten daher ein Prozent ihrer Konjunkturmittel für entwicklungspolitische Maßnahmen vorsehen." Der Ein-Prozent-Vorschlag geht auf eine Initiative von Weltbank-Präsident Robert B. Zoellick zurück, wurde bislang von der internationalen Staatengemeinschaft aber kaum aufgegriffen.

"Jeder Dollar, der in freiwillige Familienplanung investiert wird, rentiert sich mindestens vierfach durch die erzielten Einsparungen", sagte Thoraya Ahmed Obaid, Exekutivdirektorin des Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen (UNFPA). Der UN-Bevölkerungsfonds richtet das NGO-Forum gemeinsam mit dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) aus. "Es würde die Welt nur 23 Milliarden US-Dollar kosten, Frauen vor ungewollten Schwangerschaften zu bewahren und dafür zu sorgen, dass keine Frau bei der Geburt ihres Kindes stirbt. Zudem könnten Millionen Neugeborener gerettet werden. Diese Summe entspricht den globalen Rüstungsausgaben von zehn Tagen."

Gill Greer, Generaldirektorin der International Planned Parenthood Federation (IPPF), appellierte an die Konferenzteilnehmer, ihre Regierungen zu einer Erneuerung ihres Engagements aufzufordern. "Wir können in diesem Prozess eine zentrale Rolle spielen, wenn wir darauf bestehen, dass Regierungen ihre Versprechen von vor 15 Jahren halten, und wenn wir zeigen, dass sexuelle und reproduktive Gesundheit eine effiziente langfristige Investition darstellt", sagte Greer.

Die dreitägige Konferenz bringt Vertreter führender Nichtregierungsorganisationen (NGOs) auf dem Gebiet der sexuellen und reproduktiven Gesundheit aus aller Welt an einen Tisch. Um den Konsens von Kairo bis 2015, dem letzten Termin für die Erreichung des Kairoer Aktionsprogramms, umzusetzen, wollen die Teilnehmer grundlegende Handlungsempfehlungen für politische Entscheidungsträger, die Geber und die Regierungen der Entwicklungsländer, definieren. Die Ergebnisse des Forums sollen in den Folgeprozess der Kairoer Weltbevölkerungskonferenz und weiterer UN-Konferenzen später in diesem Jahr einfließen.

Die Herausforderungen seien heute "größer als im Jahr 1994", dem Zeitpunkt, zu dem die Weltbevölkerungskonferenz in Kairo stattfand, betonte Greer. "Dazu gehören die weltweite Finanzkrise, der Klimawandel, die HIV/Aids-Epidemie, zunehmender Konservatismus und fragmentierte Gesundheitssysteme." In jeder Minute sterbe eine Frau aufgrund von Komplikationen bei Schwangerschaft oder Geburt – das sind mehr als eine halbe Million Todesfälle pro Jahr. Weitere zehn Millionen Frauen tragen schwere Verletzungen und bleibende Schäden davon.

Greer wies auch darauf hin, dass 200 Millionen Frauen moderne Familienplanungsmethoden anwenden möchten, jedoch keinen Zugang dazu haben. Dabei steige die Nachfrage nach Verhütung und Kondomen bis 2050 um weitere 40 Prozent, unter anderem aufgrund von HIV/Aids.

Junge Menschen unter 25 Jahren bilden heute die größte Jugendgeneration aller Zeiten – mehr als 1,5 Milliarden Menschen. "Wer im Jahr 1994 geboren wurde, ist jetzt 15 Jahre alt – an der Schwelle zum Erwachsensein", sagte sie. "Sie alle brauchen umfassende gesundheitliche Aufklärung und Gesundheitsdienstleistungen."

BERLINER APPELL: KAIRO LEBT!

In ihrem "Berliner Appell: Kairo lebt!" betont Entwicklungsministerin Wieczorek-Zeul, die Anerkennung der Rechte von Frauen sowie der universelle Zugang zu Informationen und Dienstleistungen der sexuellen und reproduktiven Gesundheit bis zum Jahr 2015 seien Schlüsselfaktoren für nachhaltige Fortschritte bei der wirtschaftlichen Entwicklung. 2015 ist der gemeinsame Zieltermin des Kairoer Aktionsprogramms und der Millennium-Entwicklungsziele (MDGs) der Vereinten Nationen.

Die Ministerin forderte außerdem einen universellen Zugang zu Präventions- und Behandlungsmethoden gegen HIV/Aids sowie zu günstigen oder subventionierten Gesundheits- und Sozialleistungen, mehr Investitionen im Kampf gegen Kinder- und Müttersterblichkeit, eine starke Partnerschaft mit der Zivilgesellschaft, mehr Aufmerksamkeit für Aspekte des Bevölkerungswachstums sowie eine Weiterverfolgung der MDGs über das Jahr 2015 hinaus. Zudem rief sie dazu auf, der Diskriminierung ein Ende zu setzen, die beim Zugang zu und bei der Nutzung von Gesundheitsdienstleistungen herrsche.

Bei der Eröffnungspressekonferenz sprachen außerdem die Leiterin des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (UNDP), Helen Clark, und Laura Villa-Torres, Mitarbeiterin für Jugendprogramme bei Ipas und Gründungsmitglied von Decidir, einer Nichtregierungsorganisation mit Sitz in Mexiko Stadt.

Hintergrund:
www.globalngoforum.de


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