cop15Berlin (epo.de). - Umwelt- und Entwicklungsorganisationen haben die deutsche Bundesregierung und die anderen Industriestaaten am Donnerstag aufgefordert, ihre Angebote für den am Montag in Kopenhagen beginnenden UN-Klimagipfel nachzubessern. Deutschland und die Europäische Union stünden in der Verantwortung, bis zuletzt auf ein rechtlich verbindliches Abkommen hinzuarbeiten und von den USA stärkere Klima-Ziele zu fordern, erklärten Oxfam Deutschland und der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Germanwatch kritisierte die Pläne der Bundesregierung, die Klimaschutz-Hilfen für Entwicklungsländer auf die Entwicklungshilfe anzurechnen.

"Die Weltgemeinschaft muss sich in Kopenhagen dringend auf ein faires Klimaabkommen einigen, das die Erderwärmung so weit wie möglich unter zwei Grad Celsius begrenzt", sagte der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger. "Unverbindliche Absichtserklärungen reichen nicht aus. Die Industrieländer müssen sich völkerrechtlich verbindlich verpflichten, ihre eigenen Emissionen um mehr als 40 Prozent bis 2020 zu reduzieren. Die bisherigen Angebote ergeben zusammen aber nicht einmal 20 Prozent. Wenn hier nicht nachgebessert wird, stürzen die Industrieländer die Welt in eine Katastrophe."

Die bisherige Weigerung der Industriestaaten, ausreichende Klimaschutzziele vorzulegen, schade vor allem den Menschen in den ärmsten Ländern der Welt. Sie spürten die Folgen des Klimawandels wie Wetterextreme in Form von Stürmen, Dürren oder Überschwemmungen am stärksten. Nach Berechnungen von Oxfam wird sich die Zahl der wegen des Klimawandels jedes Jahr in Not geratenen Menschen in den nächsten Jahren um 50 Prozent auf 375 Millionen Menschen erhöhen.

"Wir brauchen eine faire Lastenverteilung beim Klimaschutz; die Industrieländer müssen die armen Länder dabei finanziell unterstützen", forderte Jan Kowalzig, Klima-Referent bei Oxfam Deutschland. "Die Mittel hierfür sollten bis 2020 auf mindestens 110 Milliarden Euro jährlich anwachsen - für klimafreundliche Entwicklung und die Anpassung an die Folgen des Klimawandels. Deutschlands Anteil an diesem Betrag sollte bei sieben bis zehn Milliarden Euro liegen. Nur wenn die Industrieländer sich in dieser Frage bewegen, werden die Schwellen- und Entwicklungsländer ein Abkommen als gerecht empfinden und bereit sein, eigene Beiträge zur Bewältigung der Krise zuzusagen."

Ein ausreichend ehrgeiziges Klimaabkommen sei gleich in mehrfacher Hinsicht im Interesse Deutschlands, so BUND und Oxfam. Zum einen würden auch hierzulande erhebliche Klimaschäden vermieden, zum anderen ergebe sich daraus ein enormes Potential für die deutsche Wirtschaft. Nach Angaben des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung sind bei einem ambitionierten Kopenhagen-Abkommen zusätzliche jährliche Exporterlöse etwa im Bereich klimafreundlicher Technologien und Dienstleistungen von ca. 30 Milliarden Euro zu erwarten.

GERMANWATCH: KLIMAFINANZIERUNG NICHT AUF ARMUTSBEKÄMPFUNG ANRECHNEN

Die Bundesregierung aus CDU/CSU und FDP legte am Donnerstag ihre Verhandlungsposition zum Kopenhagener Klimagipfel in einem Bundestagsantrag fest. Germanwatch kritisierte den dabei gefassten Beschluss, die Finanzmittel für den Klimaschutz und die Anpassung an die Folgen des Klimawandels in Entwicklungsländern sollten auf die schon bestehende Verpflichtung angerechnet werden, 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens für die Entwicklungszusammenarbeit aufzuwenden. Bisher zahlt Deutschland erst 0,36 Prozent.

"Die Bundesregierung setzt damit ein Kopenhagen-Abkommen aufs Spiel, denn die Entwicklungsländer werden diese Schönrechnung natürlich durchschauen", sagte der Germanwatch-Vorstandsvorsitzende Klaus Milke. "Dabei könnte Deutschland von einem solchen Deal wirtschaftlich stark profitieren. Schätzungen zufolge könnten zusätzliche Exporterlöse von mehr als 30 Milliarden Euro entstehen, während der faire Finanzbeitrag Deutschlands bei 7 bis 10 Milliarden Euro pro Jahr liegen sollte. Deutschland wird so auch in der EU zu einem Bremsklotz, denn andere Staaten wie Dänemark oder die Niederlande haben die Notwendigkeit der Zusätzlichkeit erkannt."

Allein die Anpassung an die negativen Folgen bringe den Entwicklungsländern Zusatzkosten in Höhe von mehreren Milliarden Euro pro Jahr, so Germanwatch. Deutschland solle sich stark machen für innovative Finanzierungsinstrumente beispielsweise im Flug- und Schiffsverkehr, um zusätzliche Mittel zu generieren.

"Dass diese Anrechnung auf Kosten der nach wie vor dringend notwendigen Armutsbekämpfung gehen wird, ist simple Arithmetik, denn mit der Finanzierung von Anpassung werden keine Menschen zusätzlich aus der Armut geholt", betonte Sven Harmeling, Referent für Klima und Entwicklung bei Germanwatch. "Zudem ist dies extrem ungerecht. Es ist in etwa so, als wenn die Bundesagentur für Arbeit einem Hartz-IV-Empfänger das Auto kaputt fährt, und dann erwartet, dass dieser mit seinen bereits aufgrund seiner Armut versprochenen Hartz-IV-Mitteln das Auto reparieren lässt."

Anlässlich des Besuches des brasilianischen Staatspräsidenten Lula da Silva in Berlin kündigte das deutsche Entwicklungsministerium am Donnerstag die Förderung von neun Projekten zum Schutz des Tropenwaldes sowie zur Förderung regenerativer Energien in Brasilien an. Die Vorhaben haben ein Gesamtvolumen von 295 Millionen Euro.

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