kraftwerk_frimmersdorf_rweDüsseldorf (epo.de). - Deutschland kann die von der Bundesregierung und der EU definierten Klimaschutzziele nur erreichen, wenn Nordrhein-Westfalen als das Bundesland mit den weitaus höchsten CO2-Emissionen entschlossen handelt. Die Deutsche Umwelthilfe e. V. (DUH), die Landesverbände von BUND und NABU, Germanwatch und das Kampagnen-Netzwerk Campact haben deshalb Eckpunkte für ein "Landesklimaschutzgesetz Nordrhein-Westfalen" vorgestellt.

Ziel der Initiative ist es, in den kommenden Monaten mit einer breiten Kampagne die Voraussetzungen für eine grundlegende energetische Modernisierung des Energiesystems, der Wirtschaft und der Verwaltung in NRW zu schaffen. Die beteiligten Organisationen schlagen vor, ein entsprechendes Regelwerk nach der Landtagswahl am 9. Mai 2010 zu verabschieden.

"Nordrhein-Westfalen hat mittelfristig nur die Wahl, seine historisch gewachsene Industriestruktur und die zwingenden Erfordernisse des Klimaschutzes miteinander in Einklang zu bringen und daraus Zukunftschancen zu entwickeln oder im nationalen und internationalen Standortwettbewerb immer weiter zurückzufallen", sagte DUH-Bundesgeschäftsführer Rainer Baake bei der Vorstellung des Eckpunktepapiers im Düsseldorfer Landtag. Die gegenwärtige nordrhein-westfälische Regierung habe sich dem "neuen klimapolitischen Imperativ" bis in die jüngste Vergangenheit verweigert.

Unter Hinweis auf die Ende letzten Jahres von CDU und FDP im Düsseldorfer Landtag durchgesetzte Tilgung aller klimapolitischen Ziele aus dem Landesentwicklungsprogramm sagte Baake: "Die Regierung Rüttgers gerät mit ihrem Versuch, das gerichtlich gestoppte E.ON-Kohlekraftwerk Datteln mit Gesetzgebungstricks wiederzubeleben, auch in einen unauflösbaren Widerspruch zu den Klimazielen im Koalitionsvertrag der Regierung Merkel in Berlin." Die Politik der Realitätsverweigerung müsse nach der Landtagswahl abgelöst werden von einer Politik, die von Klimaschutz nicht nur rede, sondern ihn gerade in NRW auch in Angriff nehme.

In Nordrhein-Westfalen werde sich entscheiden, ob Deutschland seinen Beitrag zum Erreichen der nationalen und internationalen Klimaziele leisten kann, sagte der Geschäftsleiter des BUND NRW, Dirk Jansen: "Mehr als ein Drittel der Treibhausgasemissionen der Bundesrepublik stammen von Rhein, Lippe und Ruhr. Hauptverantwortlich dafür sind Kohlekraftwerke, die allein Jahr für Jahr 170 Millionen Tonnen des Klimakillers CO2 ausstoßen."

Die erklärte Absicht der Landesregierung, den Klimawandel ausgerechnet mit dem Bau zusätzlicher Kohlekraftwerke bekämpfen und diese Linie trotz gegenläufiger höchstrichterlicher Urteile fortsetzen zu wollen, nannte Jansen einen "klimapolitischen Amoklauf der CDU/FDP-Regierung in Düsseldorf". Der Widerstand an den geplanten Kraftwerken sei allgegenwärtig und erfolgreich. Ein Landesklimaschutzgesetz könne deshalb nicht nur dazu beitragen, die Klimaschutzziele zu erreichen, sondern auch helfen, verloren gegangenes Vertrauen in die Politik wiederzugewinnen.

Die an der Initiative beteiligten Organisationen "werden das Landesklimaschutzgesetz im laufenden Landtagswahlkampf zu einem zentralen Baustein der Verbändeforderungen machen", bekräftigte der NABU-Landesvorsitzende Josef Tumbrinck. "Wir wollen mit möglichst breiter Unterstützung vieler Gruppen und Verbände in NRW noch vor der Landtagswahl im Mai eine Kampagne starten, um das Landesklimaschutzgesetz auf die politische Agenda des künftigen Landtages und der neuen Landesregierung zu setzen." NRW sei das Schlüsselland für den Klimaschutz in Deutschland und die Landtagswahl eine Chance, die Parteien zu fragen, wie sie den Klimaschutz künftig glaubwürdiger anpacken wollen.

Das von den Verbänden vorgeschlagene Klimaschutzgesetz NRW soll sicherstellen, dass die Treibhausgasemissionen in NRW bis 2050 um 95 Prozent gegenüber 1990 reduziert werden. Um das Ziel zu erreichen, soll das Energiesystem effizienter gestaltet und binnen vier Jahrzehnten praktisch vollständig auf erneuerbare Energien umgestellt werden. Dazu sollen alle politischen Ebenen, angefangen von der Landesregierung bis hin zu den Kommunen, in die Pflicht genommen werden.

Die Landesregierung soll zeitnah einen Klimaschutzplan NRW vorlegen, der nicht nur das Endziel für 2050, sondern auch in Fünf-Jahres-Schritten Zwischenziele festlegt. Die Umsetzung soll regelmäßig von einem Wissenschaftler-Gremium ("Landes-Klimaschutzrat") evaluiert und der Klimaschutzplan auf Basis der Ergebnisse jeweils fortgeschrieben werden. Bei drohender Zielverfehlung soll die Landesregierung verpflichtet werden, zusätzliche Maßnahmen zu erlassen.

Die Steuerung des künftigen Kraftwerksbaus soll dem NGO-Vorschlag zufolge insbesondere über die Landesraumordnung erfolgen, die sich an den Zielen des Klimaschutzgesetzes NRW zu orientieren habe. Dabei gehe es zum einen um die ausreichende Sicherung von Flächen für den Ausbau der erneuerbaren Energien und Festlegungen für eine effiziente und klimaverträgliche Kraft-Wärme-Koppelung. Zum anderen solle eine abschließende Liste von Standorten für Großkraftwerke raumordnerisch festgelegt werden, um damit einen Teil der vorhandenen Kraftwerksstandorte zu erhalten, aber den Bau zusätzlicher Braun- und Steinkohlekraftwerken auszuschließen.

Inwieweit im Rahmen eines Landesklimaschutzgesetzes überhaupt der Bau von Kohlekraftwerken gesteuert und letztlich verhindert werden kann, hat die Deutsche Umwelthilfe vorab in einem Rechtsgutachten klären lassen. Der Autor der Untersuchung, der Berliner Anwalt Remo Klinger aus der Kanzlei Geulen & Klinger, kommt zu dem Ergebnis, dass dies grundsätzlich möglich sei. Gesetzestechnisch müsse dazu in einem Artikelgesetz das geltende Landesplanungsrecht geändert werden. Darin könnten dann so genannte Ziele der Raumordnung ausgewiesen werden, die sich auf Kohlekraftwerke beziehen.

Die Aufstellung der Ziele müsse in einem bestimmten formellen Rahmen erfolgen; so müsse die Öffentlichkeit beteiligt werden und das so genannte Abwägungsgebot gewahrt bleiben. Im Ergebnis ließen sich bestimmte Vorranggebiete in NRW ausweisen, in denen Großkraftwerke errichtet werden dürfen, außerhalb dieser Gebiete aber nicht mehr. Rechtlich ist es nach den Ergebnissen des Gutachtens grundsätzlich möglich, derartige Vorranggebiete auf vorhandene Kraftwerksstandorte mit bereits laufenden Anlagen zu beschränken. Die Raumordnung ist nach dem Klinger-Gutachten das Mittel der Wahl, um den Bau von Kohlekraftwerken zu steuern.

In Nordrhein-Westfalen sind eine Reihe von Großkraftwerksprojekten auf Basis von Braun- und Steinkohle geplant. Deren Realisierung würde dazu führen, so die Umweltorganisationen, dass die mittel- und langfristigen Klimaschutzziele bei bestimmungsgemäßem Betrieb der Neuanlagen schon rein rechnerisch nicht mehr erreicht werden könnten.       

www.duh.de
www.bund.net
www.nabu.de

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