gfbvGöttingen (epo.de). - Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hat Außenminister Guido Westerwelle "mangelnden Realismus" in der Somalia-Politik vorgeworfen. "Statt die Ursachen der Piraterie vor Somalias Küste nachhaltig zu bekämpfen, übt sich Berlin mit der Ausbildung somalischer Sicherheitskräfte im leeren Aktivismus", erklärte GfbV-Afrikareferent Ulrich Delius am Freitag in Göttingen. Dabei zeigten Erfahrungen der Vergangenheit, dass es keine militärische Lösung für Somalia gebe.

Außenminister Westerwelle (FDP) stattet Djibouti am 11. April einen Besuch ab. "Dringend muss die Europäische Union neue diplomatische Initiativen entwickeln, um eine Friedenslösung zu fördern", forderte Delius. Erfahrungen mit vorangegangenen Ausbildungsprogrammen für Soldaten in Somalia hätten gezeigt, dass die meisten neu ausgebildeten Sicherheitskräfte schon nach wenigen Monaten von oppositionellen Kriegsfürsten abgeworben würden.

Auch die zivile Ausbildung von Sicherheitskräften - die Ausbildung von Polizisten - sei ein Konfliktherd, so die GfbV. Gemeinsam mit Italien fördert Deutschland finanziell die Ausbildung von somalischen Polizisten im Nachbarland Äthiopien. "Damit macht Berlin den Bock zum Gärtner", kritisiere die GfbV. Äthiopiens Regierung werde wegen massiver Menschenrechtsverletzungen im eigenen Land und in Somalia heftig kritisiert. Die äthiopische Armee habe während ihrer militärischen Besetzung Somalias (Dezember 2006 - Januar 2009) Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit verübt, die bis heute nicht juristisch geahndet würden.

"Das Engagement Berlins gehe in die falsche Richtung", so Delius. "Statt Kontakt zu allen politischen Kräften im Land zu suchen, setzt Berlin ausschließlich auf eine somalische Übergangsregierung, die die militärische Kontrolle über weite Landesteile verloren hat." Die Truppen der somalischen Übergangsregierung seien trotz internationaler Unterstützung ineffektiv und korrupt, erklärten die Vereinten Nationen in einem im März 2010 veröffentlichten Bericht.

"Nicht neue Soldaten braucht Somalia, sondern vor allem mehr Entwicklung und Wiederaufbau", erklärte Delius. "Nur mit Friedensgesprächen und mehr Wiederaufbau-Hilfe kann der Vormarsch radikal-islamischer Milizen aufgehalten und der Flüchtlingsstrom von immer mehr Menschen aus Somalia verringert werden." Seit Januar 2010 seien mehr als 100.000 Somalis vor der Gewalt aus ihren Siedlungsgebieten geflohen. Die humanitäre Lage der Zivilbevölkerung werde immer katastrophaler.

Westerwelle besucht am Sonntag das somalische Nachbarland Djibouti, um sich über die Beteiligung der Bundesmarine an der Bekämpfung der Piraterie vor der Küste Somalias zu informieren. Neben dieser "Operation Atalanta" unterstützt Deutschland mit 13 Bundeswehrangehörigen im Rahmen eines EU-Projektes die Ausbildung von 5.000 neuen somalischen Soldaten, die im Mai 2010 in Uganda beginnen soll.

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