chinabild_hbsBerlin (epo.de). - Nach den Ergebnissen einer aktuellen Studie geben deutsche Medien ein teilweise verzerrtes Bild von China wieder. Mehr als die Hälfte von über 8.700 ausgewerteten Beiträgen zu China aus dem Jahr 2008 transportierten Stereotype, heißt es in der Untersuchung "Die China-Berichterstattung in den deutschen Medien". Herausgeber ist die Heinrich-Böll-Stiftung in Kooperation mit den Universitäten Erfurt und Duisburg-Essen.

Die Studie untersucht Inhalte und Strukturen der China-Berichterstattung von sieben deutschen Leitmedien im Olympiajahr 2008. Es ist laut Böll-Stiftung die bundesweit erste Studie, die diese umfangreiche Materialanalyse vornimmt.

In der China-Berichterstattung prägten normativ abwertende Bilder ("Unterstützer von Schurkenstaaten", "Klimasünder", "Billigproduzent") die Berichterstattung, so die Autoren der Studie, Carola Richter und Sebastian Gebauer. Der Fokus liege auf Minderheiten und Territoriumsfragen wie Tibet und Taiwan sowie auf der Menschenrechtssituation. Bereiche wie Soziales oder Bildung und Wissenschaft würden fast vollständig ausgeklammert.

Einen Grund für die zumeist undifferenzierte Darstellung Chinas sehen die Autoren in den erschwerten Arbeitsbedingungen für ausländische Medien: Der journalistische Zugang zu originären Quellen und Akteuren werde erschwert, so dass ausländische Journalisten zumeist auf Sekundärquellen der Staatsmedien und auf Pressemitteilungen zurückgreifen müssten. Aufgrund der fehlenden Originalität und Personalisierung hätten etliche Themen weniger Chancen, auf die Agenda deutscher Medien zu kommen.

Die Studie schließt mit konkreten Empfehlungen für die internationale Berichterstattung über China, darunter eine verbesserte und vorurteilsfreie Kooperation zwischen Medien und Wissenschaft. Die Autoren plädieren für eine stärkere Einbeziehung von China-Korrespondenten und Asien-Redakteuren in die Berichterstattung und schlagen die Aufstockung um Korrespondenten oder freie Mitarbeiter im Bereich Kultur und Gesellschaft vor. Insbesondere eine stärkere Offenheit der Behörden im Umgang mit den ausländischen Journalisten könnte zu einer akkurateren und vorurteilsfreien Berichterstattung führen, heißt es in der Studie.

"Anlass für diese Studie waren die Spannungen zwischen chinesischen und deutschen Medien im Olympiajahr 2008", erklärte Barbara Unmüßig, Vorstand Heinrich-Böll-Stiftung. Ziel der empirischen Bestandsaufnahme sei nun die Rationalisierung der in jüngster Zeit teilweise hochemotionalen Debatte. "Wir wollen eine konstruktive Diskussion anstoßen und zur kritischen Auseinandersetzung einladen", sagte Unmüßig. "Wir hoffen, mit dieser Studie einen wichtigen Beitrag für eine konstruktive Befassung mit dem noch immer hochbrisanten Thema zu leisten und die Verständigung zwischen Medienschaffenden und Medienkritikern in China und Deutschland fördern zu können."

Schriften zu Bildung und Kultur, Band 5:
Die China-Berichterstattung in den deutschen Medien
Eine Studie von Carola Richter und Sebastian Gebauer
Mit Beiträgen von Kai Hafez und Thomas Heberer
Herausgegeben von der Heinrich-Böll-Stiftung
Berlin, Juni 2010, 304 Seiten, zahlreiche Tabellen und Abbildungen
ISBN 978-3-86928-036-3
www.boell.de/publikationen/publikationen-9409.html

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