cora_200Berlin. - Anlässlich der Verleihung des Innovationspreises zum "Tag des öffentlichen Auftraggebers" am Dienstag in Berlin haben Gewerkschaften, Menschenrechts- und Umweltorganisationen den Bund kritisiert. "Die Bundesregierung ignoriert bei der Beschaffung weitgehend die Berücksichtigung von Sozialstandards. Die Folge sind Sozial- und Lohndumping in Deutschland, aber auch in vielen Entwicklungsländern. Damit werden wichtige Produktinnovationen blockiert", erklärte Volkmar Lübke vom Netzwerk für Unternehmensverantwortung "CorA".

Dank der Vergaberechtsreform von 2009 können bei Auftragsvergaben des Staates soziale und ökologische Standards berücksichtigt werden. Bei einer Vergabeentscheidung zählten damit nicht mehr nur der Preis, sondern auch Sozial- und Umweltstandards, so CorA. Größter Konsument in Deutschland sei mit mehr als 400 Milliarden Euro die öffentliche Hand. Eine Nachfragemacht, die das Angebot verändern könne. Massive Arbeitsrechtsverletzungen in der Produktion öffentlich beschaffter Pflastersteine, Arbeitsbekleidung oder Computer könnten wirksamer bekämpft werden.

Inzwischen hätten über 200 Kommunen beschlossen, auf Produkte ohne ausbeuterische Kinderarbeit zu setzen und auch in einigen Bundesländern würden die Vergaberichtlinien modernisiert. Der Bund verschlafe aber den Trend. "Die Bundesregierung liegt weit hinter den Entwicklungen in anderen europäischen Staaten zurück und droht in Hinblick auf die Beachtung von Sozialstandards zu einem Entwicklungsland zu werden", sagte Volker Bajus vom Kinderhilfswerk terre des hommes.

Das Netzwerk für Unternehmensverantwortung "CorA", das aus 49 Menschenrechtsorganisationen, Gewerkschaften, Verbraucher- und Umweltverbänden besteht, fordert schon seit 2009 einen Aktionsplan für eine verantwortliche öffentliche Beschaffung. Geschehen sei aber fast nichts. "Es wirkt schon fast zynisch, wenn das Wirtschaftsministerium beim Tag des öffentlichen Auftraggebers den Staat als intelligenten Nachfrager bezeichnet, der bei der Vergabe von Aufträgen Innovationen stimuliert, tatsächlich aber Sozialstandards ignoriert und damit die Innovationsfeindlichkeit von Billiglöhnern und Ausbeutern unterstützt", kritisierte Johanna Fincke von der Christlichen Initiative Romero.

Die wenigen Ansätze für eine effektivere Umsetzung der FAIRgabe, die es beim Bund derzeit gibt, wie die Internetplattform "Kompass Nachhaltigkeit" oder die Ankündigung der Schaffung einer "zentralen Kompetenzstelle für nachhaltige Beschaffung", greifen bislang viel zu kurz, so die Kritiker. "Wir brauchen auf allen staatlichen Ebenen strategisch denkende Einkäufer", zitierte CorA den Schirmherrn des Tages des öffentlichen Auftraggebers, Ernst Burgbacher, Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium. "Diese brauchen aber nicht nur rechtliches, technisches und betriebswirtschaftliches Know-How, wie das Wirtschaftsministerium meint, sondern auch Kenntnisse über Sozial- und Umweltstandards. Die Bundesregierung muss hier endlich voranschreiten", fordern die CorA-Sprecher und verweisen auf die Niederlande, die bis 2015 alle Beschaffungen der Zentral- und der Provinzregierungen nachhaltig gestalten wollen.

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