venro_klBerlin. - Zahlreiche Hilfswerke und nichtstaatliche Organisationen (NGOs) haben am Freitag den "Aufruf für einen entwicklungspolitischen Konsens zur Erreichung des 0,7 Prozent-Ziels" begrüßt. Entwicklungspolitiker aller Fraktionen des Deutschen Bundestages setzen sich mit der Initiative dafür ein, mehr Mittel für Entwicklung und Armutsbekämpfung zur Verfügung zu stellen.

Die Unterzeichner des Aufrufs fordern unter anderem eine Steigerung der Mittel für Entwicklungszusammenarbeit um 1,2 Milliarden Euro im Haushalt 2012. Deutschland hat sich mit dem Stufenplan der EU verpflichtet, die Ausgaben für Entwicklungszusammenarbeit bis 2015 auf 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens (BNE) zu steigern. Gegenwärtig sind es 0,38 Prozent.

"Um diese Vereinbarung einzuhalten, müssten die entsprechen Haushaltstitel im kommenden Jahr eigentlich um noch mehr als die 1,2 Milliarden Euro aufgestockt werden", sagte der Vorstandsvorsitzende des Verbandes Entwicklungspolitik deutscher Nichtregierungsorganisationen (VENRO), Ulrich Post. "Doch die Initiative der Abgeordneten verdient alle unsere Unterstützung. Sie ist ein erfreuliches Signal und demonstriert noch einmal die große Übereinstimmung in dieser Frage."

"Diese Initiative ist ein sehr ermutigendes Zeichen", sagte Martin Bröckelmann-Simon, Geschäftsführer des katholischen Hilfswerks Misereor. "Sie macht sichtbar, dass es eine gemeinsame Wertebasis bei der Solidarität mit den Ärmsten der Armen gibt, die über Parteigrenzen und Detailfragen hinausreicht. Solche Signale bekommen die Wählerinnen und Wähler viel zu selten aus Berlin."

Wolfgang Jamann, Generalsekretär der Welthungerhilfe, sagte zu dem Konsens, das sei "ein guter und wichtiger Tag für die Entwicklungspolitik. Dieser Aufruf wird hoffentlich dazu führen, dass Deutschland sein Versprechen einhält und bis zum Jahr 2015 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens für Entwicklungshilfe ausgibt. Damit würde Deutschland auch internationale Glaubwürdigkeit hinzu gewinnen und seiner gewachsenen Rolle in der internationalen Gemeinschaft mehr Gewicht geben. Wir hoffen sehr, dass dieser Aufruf so viele Unterstützer wie möglich findet."

Bereits 1970 hatten sich alle UN-Mitgliedstaaten darauf geeinigt, mindestens 0,7% ihres jährlichen Bruttonationaleinkommens für die Zusammenarbeit mit den Entwicklungsländern zur Verfügung zu stellen. "Vier Jahrzehnte nach der Zielvereinbarung ist es an der Zeit, dass Deutschland ein Zeichen setzt und klar macht, dass die Bekämpfung der weltweiten Armut Teil der Kernpolitik Deutschland ist", erklärte Christoph Waffenschmidt, Vorstandsvorsitzender von World Vision Deutschland.

Europäische Nachbarstaaten wie Holland, Luxemburg und Schweden zeigten seit Jahren, dass es möglich ist, das 0,7%- Ziel zu erreichen und sogar zu übertreffen, betonte Waffenschmidt. "Der Konsens zeigt, dass die deutsche Politik es schaffen kann, sich geschlossen mit den Armen dieser Welt zu solidarisieren und sie vor den innenpolitischen Sparzwängen Deutschlands zu schützen."

"Im Jahr 2009 hat Deutschland nur 0,35 Prozent aufgebracht", sagte die Geschäftsführerin der Stiftung Weltbevölkerung, Renate Bähr. "Daher freue ich mich sehr über die wichtige fraktionsübergreifende Initiative, die den Handlungsdruck auf die Bundesregierung erhöht. Die Bundesregierung darf nicht länger warten und muss in den jetzt anstehenden Haushaltsverhandlungen die Mittel für Entwicklungszusammenarbeit deutlich erhöhen, um die internationalen entwicklungspolitischen Verpflichtungen einzuhalten. Dabei müssen Maßnahmen zur Verbesserung der Gesundheitssituation insbesondere von Frauen berücksichtigt werden. Nur mit zusätzlichen Mitteln können die Millennium-Entwicklungsziele der Vereinten Nationen noch erreicht und die Lebenssituation eines großen Teils der Weltbevölkerung verbessert werden."

"Entscheidend ist, dass tatsächlich zusätzliche Mittel bereit gestellt werden, die zur Bekämpfung von Hunger und Kindersterblichkeit oder für die Stärkung öffentlicher Bildungs- und Gesundheitssysteme eingesetzt werden können", betonte Danuta Sacher, Geschäftsführerin des Kinderhilfswerks terre des hommes. "Buchhalterische Tricks oder Umschichtungen wie die Verbuchung der Kosten von  Militäreinsätzen im Rahmen von UN-Missionen als Entwicklungshilfe nützen den Armen nichts und wären sicher auch nicht im Sinne der Initiatoren des fraktionsübergreifenden Aufrufes", sagte Sacher.

"Hier haben sich verantwortungsbewusste Politiker im Dienst der Sache zu einer Großen Koalition der Vernunft und Menschlichkeit zusammengetan. Man ist sich über Parteigrenzen hinweg einig. Das zeigt, wie glasklar die Situation ist", kommentierte der Deutschlanddirektor von ONE, Tobias Kahler, den Aufruf der Abgeordneten. "Deutschland erfüllt seine internationalen Zusagen nicht. Es muss sich sehr schnell sehr viel ändern. Sonst wird der Rückstand auf das Versprechen gerade im Vergleich mit anderen Gebern immer deutlicher. Insbesondere der fahrlässige Umgang mit dem Chancenkontinent Afrika ist beschämend."