Von Uwe Kerkow

Fahrender Milchstand in Kenia. Foto: Uwe KerkowIn Deutschland kommt aus die Milch aus der Tüte - in den Entwicklungsländern in aller Regel nicht: Dort wird die Milch meist von Kleinbauern über informelle Kanäle direkt an die Verbraucher verkauft. Das schafft Arbeitsplätze, beschert den Bauern ein gutes Zusatzeinkommen und die Rohmilch ist preiswert. Aber Rohmilch ist unter hygienischen Gesichtspunkten nicht unbedenklich - und die Bauern ringen mit einer ganzen Reihe von Hindernissen. Eine Reportage von Uwe Kerkow.

Mary Kanyi, Francis Mburumbugua mit seinem Angestellten John Gitau und Ezekiel Kariuki mit seiner Frau haben eines gemeinsam: Sie leben im kenianischen Hochland in der Nähe von Nairobi und sie halten Milchkühe. Denn die Erzeugung von Milch bietet Kleinbauern wichtige Chancen: Die Viehhaltung ermöglicht es ihnen nicht nur, ihre Böden intensiver und nachhaltiger zu nutzen, also höhere Erträge zu erzielen. Darüber hinaus dienen die Tiere auch als inflationsgeschützte Notreserve, die im schwierigen Zeiten verkauft werden kann. Und der Verkauf der Frischmilch erschließt den Bauern schnelle, regelmäßige und nachhaltige Einnahmen. Zusätzlich fallen Jungtiere an, die genutzt oder verkauft werden können. Milcherzeugung ermöglicht oft einen doppelt so hohen Verdienst wie die Produktion anderer landwirtschaftlicher Erzeugnisse.

Der Umfang der informell organisierten Milcherzeugung - und des entsprechenden Konsums - ist nur schwer zu bestimmen. In Indien und Brasilien wird schätzungsweise jeder zweite Liter Milch informell umgesetzt. In vielen Entwicklungsländern liegt dieser Anteil sogar zwischen 75 und 90 Prozent. In Kenia beispielsweise werden etwa 85 und in Jamaika 90 Prozent der Milch konsumiert, ohne je auch nur in die Nähe einer Molkerei gelangt zu sein. Die Welternährungsorganisation (FAO) geht davon aus, dass insgesamt über 80 Prozent der in Entwicklungsländern erzeugten Milch - insgesamt etwa 200 Mio. Tonnen - informell vermarktet werden. Die übergroße Mehrheit der Milcherzeuger in Entwicklungsländern sind Kleinbauern.

Milchstand in Kenia

Die meisten Entwicklungsländer verfügen über ein ausgeklügeltes System arbeitsintensiver Milchvermarktung. Es ist dezentral organisiert und die Milchhändler sind oftmals nicht motorisiert. Sie nehmen die Milch jeden Morgen von bestimmten Bauern an, bezahlen sie meist direkt und verkaufen sie an einen festen Kundenkreis.

Nicht zu unterschätzen sind daher Beschäftigungseffekte in der Branche. Der durchschnittliche Monatslohn wird mit immerhin rund 50 Euro  angegeben. Als Daumenregel kann gelten, dass dort, wo täglich 100 Liter Milch erfolgreich vermarktet werden, zwischen einem halben und zwei informellen Arbeitsplätzen entstehen. Allein In Nairobi gibt es mindestens 4000 kleine und kleinste Milchhändler; in ganz Kenia dürfte ihre Zahl 20.000 ausmachen.

In Kenia werden derzeit jährlich wahrscheinlich zwischen 2,3 und 2,8 Millionen Tonnen Kuhmilch erzeugt. Zum Vergleich: In der EU der 15 sind es 116 Mio. Tonnen, in den USA 76 Mio., in Brasilien mindestens 23 Mio. Tonnen und in Indien je nach Schätzung zwischen 37,5 Mio. und über 80 Mio. Tonnen Kuhmilch. China erzeugt immerhin noch 18 Mio. Tonnen.

Dennoch ist Kenia nach dem Sudan und sogar vor Südafrika der zweitgrößte Milchproduzent Afrikas und bestreitet etwa 18 Prozent der afrikanischen Produktion. Der gesamte Kontinent kann derzeit jedoch etwa nur drei Prozent der Welterzeugung aufbringen. Die kenianische Milchwirtschaft trägt mit etwa einem Viertel zum landwirtschaftlichen Nationaleinkommen bei. Der Agrarsektor wiederum macht etwa 52 Prozent des Bruttonationaleinkommens, 60 Prozent der Exporterlöse und der Beschäftigung sowie 45 Prozent der Staatseinnahmen aus. Schätzungsweise 10 Prozent des kenianischen Nationaleinkommens entsteht also in der Milchwirtschaft.

Zwar bieten viele Entwicklungsländer - anders als Zentralkenia - aufgrund von Trockenheit keine so guten Voraussetzungen für eine nachhaltige Milchviehwirtschaft mit Kühen. Hier greifen die Bauern auf Ziegen, Schafe oder Kamele zurück. In einer ganze Reihe zentral- und westafrikanischer Länder verhindert die Tsetse-Fliege die Kuhhaltung. Außerdem ist modernes Hochleistungs-Milchvieh nur begrenzt für die Tropen geeignet. In den meisten Entwicklungsländern ist die Milchproduktion zudem starken saisonalen Schwankungen unterworfen, die durch Trockenzeiten bedingt sind.

Doch Milch wird von der FAO als Schlüsselelement in der Ernährungssicherung angesehen, und die Organisation empfiehlt einen Konsum von umgerechnet 200 Kilo pro Person und Jahr. Und die größten Steigerungen in der weltweiten Nachfrage nach Milch werden zukünftig in Entwicklungsländern erwartet. Schon zwischen 1998 und 2001 stiegen deren Importe wertmäßig um 43 Prozent, und in den nächsten 20 Jahren wird mit einem weiteren Anstieg der Nachfrage um mindestens 25 Prozent gerechnet.

MILCH IST EIN GANZ BESONDERER STOFF

Milch ist ebenso nahrhaft wie leicht verderblich, man kann sie zu Hunderten von Produkten weiter verarbeiten. Milchbestandteile kommen in unzähligen Nahrungsmitteln vor. Die Verarbeitung und Haltbarmachung von Milch in herkömmlichen Molkereien ist - vor allem wegen der notwendigen Kühlung - technisch anspruchsvoll und kapitalintensiv. Sie setzt ein funktionierendes Transportwesen voraus. Daher sind Milchprodukte aus einer Molkerei erheblich teurer als Rohmilch oder traditionelle Milchprodukte wie Sauer- oder Dickmilch, die sich aus Rohmilch herstellen lassen.

Die wichtigsten Argumente gegen den Verzehr von Rohmilch beziehen sich auf gesundheitliche Gefahren:

  1. Rohmilch wird von den Zwischenhändlern immer wieder mit Wasser gestreckt. In Kenia ist durchschnittlich jede zehnte gemessene Probe auf diese Art verunreinigt, wobei die Werte zwischen vier Prozent in der Regenzeit und bis 27 Prozent in Zeiten oder Gegenden mit geringem Milchangebot schwanken.
  2. Ein Problem stellt auch die hohe bakterielle Verschmutzung der Milch aufgrund mangelnder Kühlung dar. Tuberkulose kann über die Milch von der Kuh auf den Menschen übertragen werden.
  3. Sehr gefährlich ist die im informellen Markt immer wieder beobachtete Praxis, Rohmilch mittels handelsüblicher Antibiotika haltbarer zu machen. Doch ist zumindest in Kenia ein hohes Verbraucherbewusstsein nachgewiesen. Es kann davon ausgegangen werden, dass hier 60 bis 92 Prozent aller Verbraucher die Milch vor dem Verzehr abkochen. Weitere Verbesserungen ließen sich erzielen, wenn die Händler im Umgang mit dem kostbaren Gut geschult würden.

Der Situation der Akteure im informellen Sektor steht zudem oft ein ungünstiges politisches Umfeld entgegen. Mit der von der FAO propagierten Lactoperoxidase- Konservierung (LPS) steht zudem eine simple und sichere Methode zur Verfügung, Milch für einige Stunden ungekühlt zu konservieren. Diese Form der Milchkonservierung stützt sich auf ein natürliches Enzym, dass in Zusammenhang mit dem ebenfalls natürlich in der Milch vorhandenen oxidierten Thiozyanat antibakterielle Eigenschaften entwickelt. Streptokokken und Laktobakterien, die auch in der Darmflora vorkommen und für die Säuerung der Milch zuständig sind, werden von dem LP-System gehemmt, schädliche Bakterien wie Salmonellen sogar abgetötet.

Milchverarbeitung in Kenia

Unter natürlichen Bedingungen bleibt die Milch für zwei Stunden frisch - so lange braucht es in etwa, bis das Kalb die Milch verdaut hat. Setzt man der frischen Milch etwa zehn Milligramm Thiozyanat und Wasserstoffperoxid pro Kilo zu, verlängern diese Substanzen die Wirksamkeit des LP-Systems um einige Stunden - eine Zeitspanne, die ausreicht, um die verderbliche Ware zu verkaufen und zu konsumieren oder um sie zur nächstgelegenen Molkerei zu transportieren. Die Reagenzien werden rückstandsfrei abgebaut und kommen auch natürlicherweise in der Milch - beziehungsweise im Speichel und Magen des Kalbs vor.

Untersuchungen in Kenia haben gezeigt, dass diese LPS-Konservierung etwa 1,02 bis 1,09 Euro-Cent pro Kilo kostet, während für die Kühlung zwischen 1,1 und 1,3 Cent aufgewandt werden müssen. Doch ist dieser Preisvorteil vielleicht weniger entscheidend, als die dezentrale Anwendungsmöglichkeit des LP-Sytems, die den Vertrieb von Milch erheblich vereinfachen kann.

Viele Entwicklungsländer sind derzeit mit der Errichtung und dem Betrieb eines flächendeckenden Systems von Kühlzentren (mit Stromversorgung) noch überfordert. Allerdings kämpfen die Molkereien und Lebensmittelkonzerne gegen diese Methode, weil sie eine billige und technologisch weniger anspruchsvolle Alternative zur Kühlung bieten würde und ihre Marktmacht gefährden könnte.

MILCHWIRTSCHAFT IM KENIANISCHEN LIMURU

Mary Kanyi steht einer sechsköpfigen Familie vor. Sie besitzt drei Milchkühe, von denen eine derzeit trocken steht. Die Tiere geben durchschnittlich etwa 10 Liter Milch pro Tag. Kanyi besitzt selber kein Land, hat aber etwa 1,4 Hektar von verschiedenen Nachbarn gepachtet. Sie verkauft nur die morgens erzeugte Milch an die nahe gelegene Kooperative: Die Abendmilch wird direkt und privat weiter verkauft. Aus den Erlösen finanziert Kanyi sogar das Schulgeld für ihre Kinder.

In einigen Landkreisen im Umfeld von Nairobi leben bis zu 800 Menschen pro Quadratkilometer. Land ist also knapp. Dies zwingt die Bauern zu einer ungewöhnlichen Vorgehensweise: Sie erzeugen die Milch im sogenannten zero-grazing System. Da man die Kühe nicht grasen lassen kann, wird das Futter (vor allem Napier-Gras und Maisstroh) im intensiven Ackerbau gepflanzt. Die Tiere stehen das ganze Jahr im Stall. Als größten Vorteil der Genossenschaft sieht Mary Kanyi die kostenlose tierärztliche Versorgung - Medikamente ausgenommen.

Co-op in Kenia

Francis Mburumbugua ist Nebenerwerbslandwirt. Er bezieht ein festes Gehalt von der Limuru-Molkereigenossenschaft, wo er eine Milchsammelstelle überwacht. Er ist im Besitz eines Pickups und erwägt, sich als Milchhändler selbstständig zu machen. Er besitzt zwei Milchkühe und zwei Färsen, die er von John Gitau versorgen und melken lässt. Gitau hat die Schule vorzeitig verlassen und ist nun sieben Tage die Woche als Knecht auf dem Hof von Mburumbugua beschäftig. Dafür erhält er 2.500 KSh. (derzeit 25 Euro) monatlich. Mburumbugua stehen umgerechnet knapp 4,5 Hektar Land zur Verfügung.

Das Gros der kenianischen Milchherstellung wird von kleinen und kleinsten Betrieben erbracht. Die Zahlenangaben für diese Gruppe schwanken zwischen 600.000 und 700.000 Landwirten. Sie erzeugen nach verschiedenen Schätzungen zwischen 80 und 90 Prozent der Milch in Kenia. Zusammen genommen beläuft sich ihr Marktanteil auf etwa 60 Prozent der gesamten Umsätze.

Derzeit stehen bei Ezekiel Kariuki noch zwei Milchkühe, eine kalbende Kuh und drei Färsen im Stall. Er nennt immerhin über 5,5 Hektar Land sein eigen. Da er nicht bewässern kann, macht seinem Betrieb die andauernde Trockenheit zu schaffen. Kariuki ist Nebenerwerbslandwirt - als pensionierter Staatsangestellter verfügt er über ein festes Einkommen. Seine Frau ist Lehrerin - heute ebenfalls pensioniert.

Früher bestand Kariukis Herde aus mehr als 15 Tieren. Heute erscheinen ihm die Kosten für das Futter zu hoch und die Preise für die Milch zu niedrig. Derzeit zahlt die Kooperative zwischen 14 und 15 KSh pro Liter. Ein kenianischer Shilling (KSh) entspricht derzeit etwa einem Eurocent. Als Futterpreis nennt Kariuki (exorbitant hohe) 100 bis 120 KSh für einen Ballen Heu zu 20 bis 25 kg. Für die zwei verbleibenden Milchkühe ist es Kariuki allerdings möglich, mit einem hohen Anteil an Eigenarbeit Futter einzuwerben.

"SPARE REGELMÄßIG, BORGE KLUG, BEZAHLE PÜNKTLICH": DIE MOLKEREIGENOSSENSCHAFT IN LIMURU

Theresa Kirima ist bei der Limuru Dairy F.C.S. Ltd. in der Nähe der kenianischen Hauptstadt Nairobi für die landwirtschaftliche Beratung und die Qualitätskontrolle der angelieferten Milch zuständig. Jeden Morgen und jeden Abend nimmt sie bei den Bauern Stichproben und prüft die Milch auf Frische (Säuretest) und auf Beimengung von Wasser (Dichtetest). Dann wird die Milch gewogen, das Gewicht in doppelter Buchführung notiert; ein Beleg bleibt beim Bauern.

"Unsere Genossenschaft" berichtet Kirima, "wurde 1962 gegründet und hat heute 8.771 Mitglieder, von denen etwa die Hälfte aktiv sind. Unsere wichtigste Dienstleistung besteht im Einsammeln der Milch in 25 Sammelstellen."

Die Genossenschaft zahlt den Bauern zwischen 14 und 15 KSh pro Liter - zum Ende des jeweiligen Monats, wenn die Zahlungen pünktlich erfolgen. Nachfragen bei Bauern ergaben allerdings, dass die Genossenschaft ihre Milchlieferungen teilweise seit zwei Monaten nicht mehr bezahlt hatte. Elisabeth Kirima möchte - wie alle Verantwortlichen in der Genossenschaft - zu derlei Vorgängen nicht gerne Stellung beziehen und gibt statt dessen lieber Auskunft über die weiteren Leistungen der Kooperative: "Neben der Milchsammlung und -vermarktung - die Genossenschaft verfügt über ein eigenes Kühlhaus - vergibt die Organisation Kredite. Günstig für die Bauern ist", so Kirima, "dass deren Rückzahlung auf die Vergütung der Milchanlieferung umgeschlagen wird." Außerdem werden kostenlose landwirtschaftliche Beratung, tierärztliche Dienste und verbilligte künstliche Befruchtung sowie Weiterbildungsseminare für die Mitglieder geboten.

Kenia

Zudem hat die Genossenschaft in verschiedene Projekte investiert, darunter vor allem eine Musterfarm und eine Molkerei, die einen Teil der Milch der Mitglieder verarbeitet. Darüber hinaus hält die Genossenschaft Anteile an der Co-op Bank Kenias und einer Co-op Versicherungsgesellschaft. Die 1995 gegründete Molkerei der Limuru Dairy F.S.C. hat eine installierte Verarbeitungskapazität von 60 Tonnen täglich. Tatsächlich wird der Betrieb derzeit meist mit nur halb so hohem Durchsatz gefahren. Hergestellt werden pasteurisierte Frischmilch, Mala (eine Art Dickmilch), verschiedene (Frucht)Joghurts sowie Butter und Ghee, ein flüssiges Butterfett, das vor allem bei Indern in Gebrauch ist.

Diese Situation ist für Kenia typisch: Im formell organisierten Sektor werden jährlich zwischen 250.000 und 300.000 Tonnen Milch verarbeitet. Derzeit halten 52 Molkereien eine Lizenz, von denen jedoch nur 34 tatsächlich produzieren. In der Branche existieren etwa 10.000 Arbeitsplätze, doch große Verarbeitungskapazitäten liegen derzeit brach. Insgesamt könnten kenianische Molkereien täglich 2500 Tonnen Milch verarbeiten - die Überkapazitäten entsprechen also mindestens einer Tagesproduktion von 1500 Tonnen.

Die Überproduktion hängt damit zusammen, dass die Molkereien nicht mit dem informellen Markt konkurrieren können: Verarbeitete und verpackte Milch kostet zwischen 39 und 52 KSh pro Liter. Im informellen Sektor liegen die Verbraucherpreise dagegen zwischen 25 und 30 KSh pro Liter. Erstaunlich ist, dass in Kenia selbst die Ärmsten noch Milch kaufen. Die Ausgaben für Mais und Grundnahrungsmittel liegen im Durchschnitt bei 27 Prozent des Lebensmittelbudgets, gefolgt von Milch und Milchprodukten mit 18 Prozent. Der durchschnittliche Pro-Kopf-Verbrauch an Milchprodukten in Kenia wird mit 80 bis 90 Litern Milch jährlich angegeben - ein Wert, der weit über dem afrikanischen Durchschnitt liegt, aber immer noch deutlich unter dem Maß von 200 Litern, das die FAO empfiehlt. Die gibt den kenianischen Konsum an Milchprodukten pro Kopf und Jahr mit 57 Litern an.


"ES GEHT UM DIE FRAGE, OB ROHMILCH ÜBERHAUPT NOCH EINE ZUKUNFT HAT"

Interview mit Steven Staal, Stellvertretender Direktor des gemeinsamen ILRI/IFPRI Programms zu Marktchancen für Viehproduktion

Frage: Welche Probleme haben Milchbauern in Entwicklungsländern?

Staal: Interessanterweise ist es in Kenia derzeit so, dass vor allem die größeren Milchfarmer derzeit zu kämpfen haben. Die Kleinbauern produzieren effizienter. Unsere Untersuchungen haben ergeben, dass die Kleinbauern in günstigen Lagen im Durchschnitt ab 12 Shilling pro Liter Verkaufspreis Profite erzielen.

Frage: Viele Menschen können sich die teure Milch aus den Molkereien nicht leisten. Was kann getan werden, um den informell organisierten V erkauf von Milch zu fördern und den Verzehr von Rohmilch sicherer zu machen?

Staal: Die lokalen Märkte müssen besser reguliert werden. Das beinhaltet einerseits eine Professionalisierung, indem man die Händler weiter bildet und Zertifizierungs- und Zulassungsverfahren entwickelt. Andererseits müssen die informellen Märkte legalisiert werden. Der Verkauf von Rohmilch ist in Kenia praktisch verboten - er wird nur nicht bestraft. Auch in vielen anderen Ländern - wie etwa in Indien - bestehen ähnliche Probleme.

Frage: Können Sie die kurz darstellen?

Staal: Zwar setzt zum Beispiel die größte Milchkooperative in New Delhi Lactoperoxidase zur Konservierung von Frischmilch ein, der Vertrieb der Produkte unterliegt jedoch Einschränkungen. In diesem Zusammenhang möchte ich daran erinnern, dass allein der informelle indische Milchmarkt mengenmäßig größere Umsätze verzeichnet, als der Weltmarkt.

Frage: Ist es sinnvoll, die Vermarktung von Rohmilch zu fördern? Staal: Ja, denn Milch hilft, die Ernährung auf hohem Niveau zu sichern. Unsere Untersuchungen in Kenia haben beispielweise gezeigt, dass Kinder in Haushalten mit Milchkühen seltener fehl- oder mangelernährt sind.

Frage: Was können wir im Norden tun?

Staal: Lobbyarbeit könnte zum Beispiel auf den Codex Alimentarius hin ausgerichtet werden. Dessen Lactoperoxidase-Verbot für die Exportmärkte ist das größte einzelne Hemmnis für die Entfaltung der informellen Milchmärkte, weil die Behörden in vielen Entwicklungsländern und die jeweiligen Interessengruppen es missbrauchen, um Rohmilch als unhygienisch zu diskreditieren. Es geht um die Frage, ob Rohmilch überhaupt noch eine Zukunft hat.

Frage: Warum wäre ein solches Engagement wichtig?

Staal: Die FAO beziffert die Verluste durch verdorbene Milch allein für Ostafrika und den Nahen Osten auf über 90 Mio. US-Dollar. Mit dem Geld könnten sechs Millionen Kinder ein ganzes Jahr lang ernährt werden. Durch einen breiten Einsatz des LP-Systems könnte diese Vergeudung - gerade in sehr armen Ländern wie Uganda, Tansania und Äthiopien - gebremst werden.

Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! ist freier Journalist in Königswinter
Fotos: Uwe Kerkow

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