germanwatch_150Berlin. - Nach einem intensiven Überarbeitungsprozess hat die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) am Mittwoch in Paris die neuen Leitsätze für multinationale Unternehmen vorgestellt. Germanwatch begrüßt die inhaltlichen Verbesserungen sowie eine Festschreibung der Leitsätze auch für Zuliefer-Beziehungen, kritisiert jedoch mangelnde Fortschritte bei grundlegenden Verfahrensfragen.

Die erreichten Fortschritte stellten noch einmal mehr in Frage, ob die Umsetzungsinstanz in Deutschland trotz der offensichtlichen Interessenkonflikte weiterhin im Bundeswirtschaftsministerium angesiedelt sein sollte, erklärte Germanwatch. "Eine Instanz, die multinationale Unternehmen zur Einhaltung von Menschenrechten und Umweltstandards anhalten und in Konfliktfällen vermitteln soll, darf gerade nicht im Bundeswirtschaftsministerium in der Abteilung sitzen, die Auslandsinvestitionen fördern soll. Das stellt einen ständigen Interessenkonflikt dar", sagte Klaus Milke, Vorstandsvorsitzender von Germanwatch.

Laut der überarbeiteten Verfahrensanleitungen für die OECD-Leitsätze sollen die zentralen Umsetzungsinstanzen, die sogenannten Nationalen Kontaktstellen, unparteiisch arbeiten. "Der jüngste in Deutschland vorgetragene Beschwerdefall gegen Kaffee Neumann zeigt, dass die Kontaktstelle aus dem Bundeswirtschaftsministerium immer wieder wirtschaftlichen Interessen Vorrang gibt. Angela Merkel muss nun handeln und die Kontaktstelle in dem für die Gesamtpolitik zuständigen Bundeskanzleramt ansiedeln, ihr eine Aufsichtsstruktur verschaffen oder sie komplett unabhängig gestalten", forderte Klaus Milke.

Abgesehen von der Formulierung von Grundsätzen zur Arbeitsweise der Umsetzungsinstanzen legten die OECD-Leitsätze keine konkreten Strukturen fest, so Germanwatch. Die neuen Leitsätze machten auch keine Vorgaben dafür, dass und wie die Kontaktstellen eine Verletzung der Leitsätze feststellen müssen. Zudem habe die OECD auch nicht festgeschrieben, dass gegen Unternehmen bei einer Verletzung der Leitsätze Sanktionen erhoben werden. "Die OECD-Länder haben die Chance verpasst, mit klaren Verfahrensregeln sicherzustellen, dass die OECD-Leitsätze zukünftig wirksamer werden. Die überarbeiteten Leitsätze bieten jedoch einen gewissen Spielraum für die Unterzeichnerstaaten. Nun kommt es auf eine ernsthafte und ambitionierte Umsetzung in Deutschland an, um den Spielraum etwa bei Fragen zum Peer-Review oder zu Konsequenzen bei einer Verletzung der Leitsätze zu nutzen", sagte Milke.

Die deutsche Kontaktstelle stand aus der Sicht von Germanwatch bislang auch wegen ihrer engen Interpretationen zur Reichweite der Leitsätze in der Kritik. Die überarbeiteten Leitsätze stellten nun klar, dass diese für Unternehmen aus allen Sektoren gelten und auch Geschäftsbeziehungen in der Zulieferkette einbeziehen. "Wir werden darauf achten, dass die deutsche Kontaktstelle in Zukunft diese weiterreichende Interpretation endlich in die Praxis umsetzt. Sie darf Beschwerdefälle nun nicht mehr wie bisher so häufig ablehnen, nur weil es zwischen dem beklagten Unternehmen und dem ausländischen Geschäftspartner keine Investitionsbeziehung gibt", sagte Milke.

Positive Veränderungen gebe es zudem bei inhaltlichen Fragen, konstatiert Germanwatch: Die überarbeiteten Leitsätze enthielten nun ein eigenes Menschenrechtskapitel und erwarteten von den Unternehmen, im Rahmen ihrer Sorgfaltspflicht auch die Einhaltung von Menschenrechten zu prüfen. Unternehmen sollten ihren Beschäftigten ausreichende Löhne zahlen, um die Grundbedürfnisse zu decken. Das neue Umweltkapitel schreibe vor, dass Unternehmen Umweltauswirkungen verringern oder zumindest ausgleichen sowie über ihre Treibhausgasemissionen berichten sollen.

"Bei anderen Fragen rangieren die neuen Leitsätze jedoch nicht auf weltweit führendem Niveau", kommentierte Germanwatch. Eine länderbezogene Rechnungslegung sei nicht verankert worden, und auch die Empfehlungen zur Berichterstattung über soziale und ökologische Aspekte blieben hinter der bestehenden Praxis fortschrittlicher Unternehmen zurück.

Auch das Forum Menschenrechte begrüßte die neuen OECD-Leitsätze. "Die überarbeiteten OECD-Leitsätze unterstreichen die menschenrechtliche Verantwortung von Unternehmen", sagte Katharina Spieß von Amnesty International, die das Forum Menschenrechte im deutschen Arbeitskreis OECD-Leitsätze beim Bundeswirtschaftsministerium vertritt. "Mit dem jetzt aufgenommenen Menschenrechtskapitel erhalten die Unternehmen wichtige Kriterien, um ihrer Verantwortung nachzukommen." Es komme jetzt aber darauf an, "dass die Leitsätze auch tatsächlich angewendet werden", betonte Spieß.

www.germanwatch.org
www.oecd.org

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