euro_150Berlin. - Die von der EU-Kommission geplante Steuer auf Transaktionen an den Finanzmärkten muss dazu genutzt werden, neue Mittel im Kampf gegen Armut und Klimawandel aufzubringen. Das haben nichtstaatliche Organisationen am Mittwoch in Berlin gefordert. EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso hatte die Pläne für die Steuer zuvor dem Europaparlament in Straßburg vorgestellt. Sie könnte Barroso zufolge Erträge von 55 Milliarden Euro im Jahr bringen.

"Deutschland könnte mit einem Teil der Einnahmen aus einer Finanztransaktionssteuer endlich seine Versprechen an die ärmsten Menschen der Welt einhalten", sagte der Deutschlanddirektor der Lobby-Organisation ONE, Tobias Kahler. "Mindestens die Hälfte der Einnahmen aus einer Finanztransaktionssteuer sollten im Kampf gegen Armut und Klimawandel eingesetzt werden und könnten so Millionen von Menschen aus Hunger und Elend befreien."

Ein Bericht zur Entwicklungsfinanzierung, den Bill Gates im Auftrag der G20 für deren Gipfel im November ausarbeite, bezeichne die Finanztransaktionssteuer als machbar, berichtete ONE. Der Report empfehle ihre Verwendung für entwicklungspolitische Aufgaben.

"Heute hat Kommissionspräsident Barroso deutlich gemacht, den Finanzsektor an den gesellschaftlichen Kosten der Krise beteiligen zu wollen", sagte Kahler. "Und es sind gerade die Ärmsten, die von der Wirtschaftskrise besonders hart getroffen werden. Auch der deutsche Finanzminister hat in der Vergangenheit Signale gesendet, dass er sich einer Verwendung der Einnahmen für Klima und Entwicklung nicht verschließen werde. Nun kommt es darauf an, dass die gesamte Bundesregierung diese Gelegenheit ergreift, damit Deutschland seiner internationalen Rolle in der Armutsbekämpfung gerecht wird: nämlich als Vorbild  – nicht als Wortbrecher."

Entwicklungsfinanzierung wird ein wichtiger Punkt auf der Agenda der G20 sein. Der Vorschlag der EU-Kommission sollte "ein deutliches Signal an den Gipfel der Staats- und Regierungschefs in Cannes im November sein", erklärte ONE. Die Organisation bittet alle europäischen sowie nichteuropäischen Staaten wie Südkorea, Südafrika und Brasilien, sicherzustellen, mindestens 50 Prozent der Einkünfte aus einer Finanztransaktionsteuer für Entwicklungspolitik und internationale Klimafinanzierung einzusetzen.

Als großen Fortschritt begrüßten die kirchlichen Hilfswerke "Brot für die Welt" und Misereor den Entwurf der Europäischen Kommission für eine Finanztransaktionssteuer. Beide Werke sind Mitglieder in der Kampagne "Steuer gegen Armut", die mit dem Gesetzesvorschlag der Kommission ein wichtiges erstes Ziel erreicht sieht. "Die Debatte um die Finanztransaktionssteuer gäbe es nicht, ohne dass zivilgesellschaftliche Gruppen das Thema auf die Agenda gehoben hätten", sagte der Jesuitenpater Jörg Alt, Moderator der Kampagne.

Auch in der Ausgestaltung der Finanztransaktionssteuer habe der Entwurf eine ganze Reihe von Vorschlägen aus der Zivilgesellschaft aufgegriffen, betonten die Hilfswerke. Mit der Übernahme des Vorschlags, die Steuer nach dem Sitzlandprinzip zu erheben, könnten auch Geschäfte in New York oder London besteuert werden. Auch dass Derivate in den Gesetzesvorschlag einbezogen wurden, sei den hartnäckigen und letztlich erfolgreichen Kampagnenaktivitäten zu verdanken.

Die Organisationen kritisieren aber, dass weiterhin unklar sei, wer die Einnahmen erhält und wofür das Geld verwendet wird. "Wir ermuntern die Bundesregierung nachdrücklich dazu, die Einnahmen in erster Linie für Entwicklungszusammenarbeit, internationale Armutsbekämpfung und Klimaschutz zu verwenden", erklärte Klaus Seitz von "Brot für die Welt". "Deutschland sollte hier dem guten Beispiel Frankreichs folgen, das die Einnahmen in diese Bereiche fließen lassen will", sagt Seitz. Die Finanztransaktionssteuer lasse die Umsetzung des 40 Jahre alten Versprechens, dass die Bundesrepublik mindestens 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens für Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe zur Verfügung stellt, endlich in greifbare Nähe rücken.

Auch die Bemühungen um das Erreichen der Millenium-Entwicklungsziele würden durch eine entsprechende Verwendung der Einnahmen aus der FTS an Dynamik und Glaubwürdigkeit gewinnen, sagt Joseph Sayer von Misereor. "Die Finanzkrise hat den weltweiten Anstrengungen zur Armutsbekämpfung schwere Rückschläge zugefügt. Darum wäre es nicht nur hilfreich sondern auch gerecht, wenn die Verursacher über diese Steuer endlich einen 'fairen und substanziellen Anteil an den Kosten der Krise' übernehmen, wie es im Gesetzesentwurf der EU heißt, und ihren Beitrag dazu leisten würden, dass der Kampf gegen extreme Armut und Hunger, Kinder- und Müttersterblichkeit wieder aufgenommen werden kann."

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