g20Berlin. - Die 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G20) sollen bei der Regulierung der Finanzmärkte und beim Kampf gegen Hunger und Armut den Worten endlich Taten folgen lassen. Das haben nichtstaatliche Organisationen (NGOs) vor Beginn des G20 Gipfels in Cannes gefordert. Mit einem dreitägigen Forum der Völker, das am Mittwoch beginnt, einer internationalen Demonstration sowie Straßenaktionen und Konferenzen im benachbarten Nizza wollen die sozialen Bewegungen Druck machen, um die G20 in Cannes zu Maßnahmen zum Schutz der Bürgerinteressen zu bewegen.

Nach Ansicht des globalisierungs-kritischen Netzwerkes Attac sind von dem Gipfel in Cannes keine demokratischen und gerechten Antworten auf die globale Krise zu erwarten. "Schon beim G20-Gipfel 2009 in London hatten die Teilnehmer versprochen, alles zu unternehmen, damit sich die Finanzkrise nicht wiederholen kann. Passiert ist so gut wie nichts; offenbar sollten die Vereinbarungen lediglich die Bevölkerung beruhigen und der entstehenden Protestbewegung den Boden entziehen", sagte Roland Süß vom bundesweiten Attac-Koordinierungskreis. "Auch dieses Mal stehen dieselben Versprechen im Raum. Auch dieses Mal ist keine Entmachtung der Banken und Finanzmärkte durch die Politik zu erwarten. Um das Diktat der Finanzmärkte zu brechen, müssen wir die internationalen Proteste ausweiten. Darum gehen wir auf die Straße – in Südfrankreich und überall."

Trotz einer Verschiebung der Machtbalance zugunsten der Schwellenländer sei mit tiefgreifenden Veränderungen nicht zu rechnen, sagte Hugo Braun, der Attac Deutschland beim dem Forum der Völker vertreten wird. Selbst bei der längst überfälligen Finanztransaktionssteuer sei eine Einigung fraglich. Umso wichtiger sei, dass sich die EU-Länder und insbesondere die Bundesregierung entschiedener als bisher für ihre Einführung einsetzen.

Darüber hinaus stellte Attac auch die Legitimität der G20 in Frage: Die von der ungerechten Weltwirtschaft am meisten betroffen Länder seien in Cannes nicht vertreten. Dabei lägen wichtige Themen wie ein Verbot der Nahrungsmittelspekulation besonders in ihrem Interesse. Attac fordert die Zuständigkeit der Vereinten Nationen sowie die Beteiligung der Zivilgesellschaft bei der Lösung der globalen Krisen.

"Die Finanzmärkte haben die Politik lange genug vor sich hergetrieben," sagte Peter Wahl, Finanzmarktexperte von WEED (Weltwirtschaft, Ökologie und Entwicklung). "Den Märkten muss durch konsequente Regulierung klar gemacht werden, dass in einer Demokratie die Interessen der Mehrheit Vorrang vor dem Profit für Wenige haben."

Als wichtigste Reformfelder sieht WEED neben einer strengen Regulierung der Finanzmärkte die Eindämmung von Nahrungsmittel- und Rohstoffspekulation durch Marktzugangsbeschränkungen für Banken und Hedgefonds sowie die rasche Einführung einer Finanztransaktionsteuer von 0,1 Prozent.

Die Lobby-Organisation ONE betonte, Cannes sei nur 500 Kilometer von der afrikanischen Küste entfernt. "Inmitten dieser wirtschaftlichen Krise bietet sich eine einzigartige Gelegenheit", sagte ONEs Deutschlandchef Tobias Kahler. "Die Ausgaben der afrikanischen Verbraucher belaufen sich mittlerweile fast auf eine Billion US-Dollar. Tendenz steigend. Der Kontinent hat eine 500 Millionen Menschen starke Erwerbsbevölkerung. Gut platzierte Entwicklungszusammenarbeit und Privatinvestitionen der G20 würden eine noch größere Nachfrage nach Waren und Dienstleistungen in Afrika hervorrufen. Dies würde die Weltwirtschaft beleben und Millionen Menschen aus extremer Armut befreien."

Kahler erinnerte an die Hungersnot am Horn von Afrika: "30.000 Kinder sind in gerade mal drei Monaten gestorben. Dies ist ein von Menschen verursachtes Problem, das man verhindern kann. Unsere Petition, die von fast 400.000 Menschen auf der ganzen Welt unterzeichnet wurde, appelliert an die G20, die tiefer liegenden Ursachen der Hungersnot anzugehen und den Teufelskreis der Armut ein für alle Mal zu durchbrechen."

MISEREOR dringt auf weitreichende Reformen des Finanz- und Handelssystems im Sinne der Armutsgruppen in den Ländern des Südens. "Erst drei Jahre ist es her, dass die globale Finanzkrise die Zahl der chronisch Unterernährten von 850 Millionen auf über eine Milliarde ansteigen ließ", sagte Bernd Bornhorst, Leiter der Abteilung Entwicklungspolitik von MISEREOR. "Heute stehen wir vor einem ähnlichen Scherbenhaufen. Die Zaghaftigkeit muss in Cannes ein Ende haben. Hunger kann nicht warten."

Zur Stabilisierung der Nahrungsmittelpreise fordert MISEREOR ein klares Bekenntnis der G20 zur Regulierung von Warentermingeschäften. Bornhorst: "Solche Geschäfte dürfen nicht länger auf völlig intransparenten Handelsplattformen stattfinden, sondern an öffentlich kontrollierten Börsen. Finanzspekulanten, welche am physischen Handel kein Interesse haben, sollten von Termingeschäften mit Grundnahrungsmitteln wie Mais und Weizen möglichst ausgeschlossen werden. Zumindest aber muss es Grenzen geben für die Anzahl von Kontrakten, über die ein Händler oder eine Händlerklasse verfügen darf."

www.g20.org

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