gfbvGöttingen. - Auf der ägyptischen Halbinsel Sinai sind Beduinen jetzt erstmals gegen Menschenhändler vorgegangen. Nach einem Bericht der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) in Göttingen töteten sie am vergangenen Sonntag bei einem Schusswechsel einen Angehörigen des al Nakhalwa-Clans, den sie verdächtigten, in den Menschen- und Organhandel verwickelt zu sein. Opfer der Menschenhändler sind dem Bericht zufolge Flüchtlinge aus Äthiopien und Eritrea.

Das Leben der Flüchtlinge aus Eritrea und Äthiopien, die auf ihrem Weg nach Israel auf die Sinai-Halbinsel kommen, sei die "Hölle auf Erden", so die Gesellschaft für bedrohte Völker. Skrupellose Menschenhändler entführten, erpressten und vergewaltigten die Flüchtlinge oder ließen ihnen gewaltsam Organe entnehmen, um damit Profit zu machen. Die GfbV beruft sich auf Berichte der ägyptische Menschenrechtsorganisation "New Generation Foundation for Human Rights" aus der Sinai-Stadt El Arish sowie italienischer und israelischer Menschenrechtler. In den Menschenhandel verstrickt seien auch verarmte Beduinen.

Beduinen des im Zentral-Sinai lebenden al Tiyaha-Clans seien am Sonntag gegen die Menschenhändler vorgegangen, berichtete die GfbV am Dienstag in Göttingen. Sie hätten sich am Sonntag einen Schusswechsel mit dem al Nakhalwa-Clan geliefert und dabei einen Beduinen getötet, der mutmaßlich am Menschen- und Organhandel beteiligt gewesen sei. Seinen engsten Mitarbeiter überwältigten sie und übergaben ihn der Polizei.

Mindestens 200 eritreische Flüchtlinge sollen von Menschenhändlern unter unmenschlichen Bedingungen in Höhlen im Sinai festgehalten werden, so die GfbV. Bis zu 20.000 Euro sollen ihre Angehörigen zahlen, um ihre weitere Flucht nach Israel zu ermöglichen. Überlebende berichteten der GfbV zufolge, dass festgehaltene Frauen und Männer in Ketten gehalten und regelmäßig vergewaltigt würden. Wenn Angehörige das Lösegeld nicht zahlten, würden Flüchtlinge ermordet und illegal Organe entnommen, um sie zu verkaufen. Bestätigt würden die erschreckenden Zeugenaussagen durch Funde ausgeweideter Leichen im Nord-Sinai. Mindestens 11.700 Flüchtlinge seien im Jahr 2010 über den Sinai nach Israel geflohen.

"Diesen erschreckenden Nachrichten über Verbrechen an wehrlosen Flüchtlingen auf dem Sinai muss sofort nachgegangen werden", forderte GfbV-Afrikareferent Ulrich Delius. "Um den Menschenhandel wirksam zu bekämpfen, muss mehr für die lange vernachlässigten Beduinen im Nord-Sinai getan werden. Ohne wirtschaftliche Entwicklung gibt es in der verarmten Region für sie kaum eine Alternative zum Schmuggel mit Gütern und Menschen."

Seit dem Zusammenbruch des Mubarak-Regimes in Ägypten im Februar 2011 hätten sich ägyptische Polizisten aus dem Nord-Sinai weitgehend zurückgezogen, so dass kriminelle Menschenhändler, Schmuggler, Beduinen und radikal-islamische Salafiten die Kontrolle über die Region übernehmen konnten, berichtete die GfbV. Beduinen im Nord-Sinai hätten unter der Willkürherrschaft Mubaraks besonders gelitten. Mehrere tausend von ihnen seien nur aufgrund ihrer ethnischen Abstammung verhaftet worden.

Ägyptens neuer Innenminister bemühe sich nun um eine Annäherung an die Beduinen, so die GfbV. Er wolle mehr als 1.000 Ureinwohner zu Polizisten ausbilden lassen. Beduinen bewachten nun auch die Erdgaspipeline nach Israel. "Dies sind erste wichtige Schritte, um die Rechtlosigkeit im Nord-Sinai zu beenden", sagte Delius. "Doch es sind noch mehr Hilfen für die Beduinen notwendig, um ihnen ein Leben in Würde zu ermöglichen und dem Menschenhandel Einhalt zu gebieten."

www.gfbv.de

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