Berlin (epo). - Einen Monat vor dem Gipfeltreffen der Vereinten Nationen in New York hat die internationale Hilfsorganisation Oxfam die USA, Brasilien, Indien und Russland aufgerufen, ein neue Vereinbarung zur Verhinderung von Völkermord zu unterstützen. Gräueltaten wie in den 90er Jahren in Ruanda müssten für alle Zeiten ausgeschlossen werden, begründete die Hilfsorganisation ihren Aufruf.
Oxfam International wandte sich nach eigenen Angaben an die "einflussreichen Staaten" USA, Brasilien, Indien und Russland, da sie "eine zurückhaltende bis aktiv blockierende Haltung gegenüber neuen Vereinbarungen zur Verhinderung von Gräueltaten wie Völkermord einnehmen". Die Reformmaßnahmen sollen in genau einem Monat auf dem UN-Gipfeltreffen in New York diskutiert werden. Auch Länder wie Syrien, der Iran, Kuba, Pakistan, Ägypten und Algerien, versuchten solche Maßnahmen zu blockieren, kritisierte Oxfam.
Oxfam drängt auf eine starke Vereinbarung zur Verantwortung der Staaten für den Schutz der Zivilbevölkerung vor Gräueltaten wie Völkermord und ethnische Säuberungen. Eine solche Vereinbarung würde neue Standards setzen und die internationale Gemeinschaft dazu verpflichten, im Falle eines "neuen Ruandas" oder ähnlicher Massenmorde an der Zivilbevölkerung, bei denen die jeweilige Regierung nicht gewillt oder in der Lage ist, das Blutvergießen zu stoppen, einzuschreiten, so Oxfam. Die Regierung Ruandas, unterstützt von Dutzenden anderer Regierungen aus aller Welt, führe die Forderungen nach einer starken Vereinbarung an, aber die Gegner einer solchen Regelung weigerten sich einzulenken.
"Man kann die Bedeutung dieses Themas gar nicht hoch genug einschätzen. In einem Monat könnte auf dem größten Treffen von Staats- und Regierungschefs aus aller Welt, das es je gegeben hat, ein neuer Maßstab gesetzt werden, der helfen könnte, jedes 'zukünftige Ruanda' zu verhindern. Wir haben heute die blockierenden Regierungen beim Namen genannt, damit die Menschen weltweit sie auffordern können, ihre Haltung zu ändern. Wir appellieren an diese Regierungen, dringend ihre Position zu überdenken und dem Schutz ziviler Personen vor Massenmorden und Gräueltaten zuzustimmen. Nie wieder darf die internationale Gemeinschaft untätiger Zeuge von Genozid und Massenmord werden", sagte Nicola Reindorp, Leiterin des New Yorker Büros von Oxfam International.
Indien, Brasilien und Russland widersetzten sich zurzeit aktiv einer weit reichenden Forderung nach Verantwortung für den Schutz ziviler Personen, erklärte Oxfam. Die Hilfsorganisation ist außerdem darüber besorgt, dass die US-Regierung, obwohl sie die "responsibility to protect" prinzipiell unterstütze, nun einen verwässerten, abgeschwächten Text für das Abschlussdokument des UN-Gipfels forciere.
Im Gegensatz dazu gehören zu den wichtigsten Befürwortern weit reichender Forderungen laut Oxfam die Regierungen von Ruanda, Südafrika, Tansania, Nigeria, Kenia, Chile, Peru, Argentinien, Australien, Neuseeland, Japan, Südkorea, Singapur, Kanada und die EU.
Der gegenwärtige Entwurf des Abschlussdokuments des bevorstehenden UN-Gipfels besagt, dass die Vereinten Nationen "eine gemeinsame Verantwortung haben, rechtzeitig und entschieden kollektiv zu handeln", um "zu helfen, die Bevölkerung vor Völkermord, Kriegsverbrechen, ethnischen Säuberungen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu schützen." Oxfam befürchtet, der Widerstand der "Blockierer-Staaten" könne diese Verpflichtung noch abschwächen und sie damit bedeutungslos machen.
"Dies ist eine moralische Frage von gewaltiger Bedeutung. Sie wird neue Maßstäbe setzen, die helfen können, Millionen von Menschenleben zu retten. Jene, die die Verantwortung von Staaten für den Schutz von Zivilisten unterstützen, müssen ihren Grundsätzen treu bleiben, und diejenigen, die sich dem entgegenstellen, müssen dies noch mal überdenken. Brasilien, Indien, Russland und die USA müssen ihren Teil übernehmen, um mitzuhelfen, das Abschlachten tausender unschuldiger Zivilisten zu stoppen", sagte Reindorp hinzu.
Die entsprechenden Passagen des gegenwärtigen Textentwurfs für das Abschlussdokument des UN-Gipfels lauten:
- 118. We agree that the protection of populations from genocide, war crimes, ethnic cleansing and crimes against humanity lies first and foremost with each individual State. We also agree that this responsibility to protect entails the prevention of such crimes, including their incitement. We accept this responsibility and agree to act in accordance with it. The international community should, as appropriate, encourage and help States to exercise this responsibility and support the efforts of the United Nations to establish an early-warning capability. The international community, through the United Nations, also has the obligation to use diplomatic, humanitarian and other peaceful means, including under Chapters VI and VIII of the Charter to help protect populations from genocide, war crimes, ethnic cleansing and crimes against humanity. In this context, we recognize our shared responsibility to take collective action, in a timely and decisive manner, through the Security Council under Chapter VII of the UN Charter and in co-operation with relevant regional organizations, should peaceful means be inadequate and national authorities be unwilling or unable to protect their populations. We stress the need to continue consideration of the concept of the responsibility to protect within the sixtieth session of the General Assembly.
- 119. We invite the permanent members of the Security Council to refrain from using the veto in cases of genocide, war crimes, ethnic cleansing and crimes against humanity.
- 120. We support the implementation of the United Nations Action Plan to Prevent Genocide and the work of the Secretariat to this end.