rog_logo_neuBerlin. - 100 Tage nach dem Eurovision Song Contest (ESC) in Baku ist die internationale Aufmerksamkeit für Aserbaidschan deutlich abgekühlt. Das Regime gehe wie gewohnt rigoros gegen kritische Journalisten und Blogger vor, berichtete Reporter ohne Grenzen am Montag in Berlin. Während Reporter unter fingierten Anschuldigungen verhaftet, Gerichtsprozesse verschleppt und Gesetze verschärft würden, investiere die Regierung im Ausland hohe Summen, um das Bild eines modernen, offenen Landes zu vermitteln.

Reporter ohne Grenzen forderte deutsche und internationale Politiker dazu auf, auf der Einhaltung internationaler Menschenrechtsverträge zu bestehen und diese zur Bedingung für politische Zusammenarbeit mit Aserbaidschan zu machen. Themen wie Menschenrechte und Pressefreiheit dürften wirtschaftlichen Interessen nicht untergeordnet werden. Journalisten müssten Verflechtungen zwischen Politik, PR-Agenturen und Lobbyisten aufdecken und dürften sich in der Berichterstattung nicht politischem Druck beugen, so die Organisation.

Wie groß der Einfluss internationaler Partner auf die aserbaidschanische Regierung ist, zeigte ROG zufolge die symbolträchtige Freilassung des Bloggers Bachtijar Hajijew zwei Tage vor dem Besuch der US-amerikanischen Außenministerin Hillary Clinton am 6. Juni. Er hatte 15 Monate lang im Gefängnis gesessen, nachdem er in sozialen Netzwerken zum Protest gegen das Regime aufgerufen hatte.

In Deutschland bemühe sich das Regime intensiv darum, sein Image aufzubessern - unter anderem mit Hilfe der Berliner PR-Agentur Consultum Communications, berichtete ROG. Dass der Beiratsvorsitzende dieser PR-Agentur, der ehemalige ZDF-Intendant Dieter Stolte, gleichzeitig als Beiratsmitglied der Nachrichtenagentur dapd deren redaktionelle Unabhängigkeit garantieren solle, hat Reporter ohne Grenzen "mit Verwunderung zur Kenntnis genommen". Auch eine Anzeige im Nachrichtenmagazin Der Spiegel, die auf zwei Seiten den "kraftvollen Modernisierer" Aserbaidschan pries, habe kürzlich für Irritationen gesorgt.

Wie wenig die aserbaidschanische Regierung Presse- und Meinungsfreiheit achte, mache sie immer wieder unverhohlen deutlich, so ROG. Nur fünf Tage nach dem ESC, am 31. Mai, habe Präsidentenberater Ali Hasanow zum "öffentlichen Hass" gegen all jene aufgerufen, die internationale Berichterstatter auf Menschenrechtsverletzungen hingewiesen hatten. Präsident Ilcham Alijew habe die Aktivisten bei einer Regierungssitzung am 11. Juli als "Verräter der Nation" bezeichnet.

Seit Mitte Juni schränken nach Angaben von ROG neue Gesetze die Pressefreiheit in Aserbaidschan stark ein. Sie erlaubten es aserbaidschanischen Firmen, Informationen über Besitzer und Aktionäre geheim zu halten und garantierten dem Präsidenten und seiner Frau gleichzeitig lebenslange Immunität vor Strafverfolgung. Die Gesetzänderungen seien auf mehrere Artikel der investigativen Journalistin Khadija Ismayilova gefolgt, die über lukrative Auslandsgeschäfte der Präsidentenfamilie und Korruption in der Staatsspitze berichtet hatte.

Ismayilova sei im Frühjahr mit einer beispiellosen Schmutzkampagne überzogen worden und versuche seither in einer Reihe von Gerichtsprozessen, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen - bisher vergeblich, so ROG. Ebensowenig aufgeklärt sei der brutale Überfall auf den Reporter Idrak Abbasow, der im April bewusstlos geschlagen worden sei, als er Zwangsräumungen in der Nähe von Baku dokumentierte. Mindestens vier Journalisten seien derzeit in Aserbaidschan wegen ihrer Arbeit im Gefängnis.

www.pressefreiheit-fuer-baku.de

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