cop18_doha_100Doha. - In Doha hat am Montag die 18. Vertragsstaaten-Konferenz der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (UNFCCC) begonnen. Experten sind skeptisch, ob der Klimagipfel in der Hauptstadt des Emirats Katar bis zum 7. Dezember die entscheidenden Weichen stellen kann, bis 2015 ein umfassendes Klimaschutz-Abkommen auszuhandeln. Umwelt- und Entwicklungs-Organisationen drängen darauf, dass vor allem die Industriestaaten ihre Klimaschutz-Ziele nachbessern und konkrete Zusagen machen, wie sie die Entwicklungsländer bei der Anpassung an den Klimawandel unterstützen wollen.

"Wir erwarten von Deutschland und den übrigen Industrieländern hier konkrete Aussagen, wie und in welchem Umfang sie nach 2012 die armen Länder bei der Bewältigung des Klimawandels unterstützen werden – zusätzlich zur Entwicklungshilfe. Sind sie dazu nicht bereit, droht der Stillstand", sagte Jan Kowalzig, Klima-Experte für Oxfam in Doha.

Nach Ansicht von Oxfam sollte die Bundesregierung insbesondere eine Mittelzusage für den neuen Green Climate Fund in Aussicht stellen. "Mit einem deutlichen Signal über eine deutsche Zusage an den Green Climate Fund könnte Bundesumweltminister Peter Altmaier das Schweigen der Industrieländer durchbrechen. Das würde die Verhandlungen insgesamt beflügeln", so Jan Kowalzig. Oxfam zufolge wäre die Bundesregierung dazu in der Lage, denn der deutsche Energie- und Klimafonds sehe für 2013 eine Mittelzusage für den Green Climate Fund in Höhe von 750 Millionen Euro vor.

Zum Gipfel stellte Oxfam die Analyse "The climate fiscal cliff" über die 2009 in Kopenhagen gemachten Finanzzusagen der Industrieländer für den Zeitraum 2010-2012 vor. Demnach waren nur 33 Prozent der Mittel "frisches" Geld – die übrigen Mittel wurden aus der Entwicklungshilfe abgezweigt bzw. durch das Recycling alter Zusagen abgedeckt. Über die Hälfte der Mittel wurde in Form von Krediten geleistet, die die armen Länder später wieder zurückzahlen müssen. Nur knapp 20 Prozent der Mittel wurden dafür verwendet, die armen Länder bei der Anpassung an den Klimawandel zu unterstützen. Bereiche wie die Sicherung der Ernten oder der Wasserversorgung bei schweren Dürren oder Überschwemmungen wurden stark vernachlässigt.

Die UN-Klimakonferenz steht weiterhin vor der Herausforderung, dass zwischen dem Anspruch, die durchschnittliche globale Erwärmung auf maximal zwei Grad Celsius zu begrenzen, und den bisherigen Klimaschutzzusagen von Industrie- und Schwellenländern eine große Lücke klafft. Auf der letzten Konferenz im südafrikanischen Durban wurde deshalb vereinbart, diese "Ambitionslücke" konkret zu verhandeln. Passiert sei seither nichts, kritisierte Oxfam.

"Bleibt es bei den bisher zugesagten Klimaschutz-Zielen, droht eine Erwärmung der Welt um vier Grad mit unvorstellbaren Folgen wie großflächigen Missernten und kontinentalen Hungerkatastrophen in den kommenden Jahrzehnten", warnte Jan Kowalzig: "Insbesondere die Industrieländer müssen ihre Ziele noch erheblich nachbessern. Statt für die eigentlich vereinbarte Reduktion der Treibhausgasemissionen von 25 bis 40 Prozent bis 2020 reichen die Zusagen momentan nur für 13 bis 18 Prozent Reduktionen. Wenn zudem die bestehenden und drohenden Schlupflöcher im Kyoto-Regelwerk nicht geschlossen werden, könnte es am Ende sogar zu einer Zunahme der Treibhausgasemissionen bis 2020 kommen."

BESONDERE VERANTWORTUNG DER EU

Greenpeace forderte Bundeskanzlerin Angela Merkel auf, sich für eine progressive Rolle der EU während der Verhandlungen einzusetzen. "Bundeskanzlerin Merkel hat den internationalen Klimaschutz in den letzten Jahren nur verwaltet, aber nicht gestaltet", sagte Martin Kaiser, Leiter Internationale Klimapolitik bei Greenpeace. "Ihr klimapolitischer Dornröschenschlaf muss jetzt ein Ende finden. Der bevorstehende Gipfel in Katar könnte den Wendepunkt in der europäischen Klimapolitik markieren."

Aus der Sicht von Greenpeace kommt der Europäischen Union eine besondere Verantwortung bei der Bekämpfung des Klimawandels zu. Sie ist nach China und den USA der weltweit drittgrößte Verursacher von klimaschädlichen CO2-Emissionen. Dennoch ist die EU nicht bereit, ihr längst erreichtes Klimaziel für 2020 zu erhöhen. Greenpeace erwartet von der Kanzlerin, ihren Einfluss bei der Europäischen Union geltend zu machen. "Die EU muss sich in Katar dafür einsetzen, dass Schlupflöcher im Kyoto-Protokoll geschlossen werden", so Kaiser.

Auf dem UN-Klimagipfel soll die Verlängerung des Kyoto-Protokolls beschlossen werden, das Ende 2012 ausläuft. Greenpeace verweist darauf, aus der ersten Vertragsperiode 2008 bis 2012 seien noch ungenutzte Emissionszertifikate in der Größenordnung von 13 Milliarden Tonnen CO2 im Umlauf. Dies entspreche etwa 40 Prozent des weltweiten Jahresausstoßes. Blieben diese gültig, würden sie das Kyoto-Protokoll massiv schwächen. Für Deutschland würde dies gemeinsam mit dem geringen EU-Klimaziel bedeuten, dass das nationale Klimaziel nicht erreicht werden kann. Bis zum Jahr 2020 will die Bundesrepublik die Emissionen um 40 Prozent im Vergleich zu 1990 senken.

Ein weiterer Schwerpunkt der Verhandlungen ist die finanzielle Unterstützung von Entwicklungs- und Schwellenländern. Ziel ist es, dass diese eine klimafreundliche Energieversorgung weg von Kohle und Öl aufbauen, die Entwaldung stoppen und sich gegen die Folgen des Klimawandels rüsten können. Doch Mitte November haben die EU Finanzminister eine Erhöhung der Klimafinanzierung abgelehnt. Der Grüne Klimafonds der UN ist weiterhin leer.

Greenpeace erwartet von der EU und Deutschland klare finanzielle Zusagen, vor allem für die vom Klimawandel am stärksten betroffenen Staaten. "Wenn die Kanzlerin sich für den Klimaschutz so engagieren würde wie für die Rettung der Banken, könnte Europa in Katar ein Führungsrolle einnehmen und von Blockiererländern wie USA und China viel mehr einfordern", sagte Kaiser.

"Die internationale Staatengemeinschaft muss in Doha einen neuen Versuch starten, um die prognostizierte Aufheizung der Erdatmosphäre um zwei Grad oder mehr zu verhindern", betonte Hubert Weiger, Vorsitzender des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). "Gelingt das nicht, werden sich extreme Wetterereignisse wie Überschwemmungen und Dürren häufen, mit fatalen Folgen für viele Millionen Menschen."

Es reiche nicht, sich auf den bereits zugesagten CO2-Emissionsreduktionen einiger weniger Staaten auszuruhen. sagte Weiger. In Doha müssten sowohl ein Kyoto-Nachfolge-Abkommen für die nächsten Jahre als auch die Grundlagen für einen neuen internationalen Klimaschutzvertrag für die Zeit nach 2020 vereinbart werden. Auch der WWF will in Doha einen nahtlosen Übergang des Kyoto-Protokolls in die zweite Verpflichtungsperiode ab Januar 2013 sicherstellen. Bisher sehe es so aus, dass die EU, die Schweiz, Liechtenstein, Monaco, Island, Norwegen, Kroatien, Kasachstan, die Ukraine, Weißrussland und Australien für die zweite Periode zusagen würden, so der WWF. Diese Staaten emittierten aber nur 15 Prozent der weltweiten Treibhausgase. Um die Staaten einzubinden, die für die anderen 85 Prozent verantwortlich sind, müsse bis 2015 ein globales Klimaabkommen verhandelt werden, das 2020 in Kraft tritt.

www.unfccc.int

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