cop18_doha_100Berlin. - Mit einem fragwürdigen Kompromiss ist am Samstagabend nach zweiwöchigen Verhandlungen der Klimagipfel der Vereinten Nationen in Doha (Katar) zu Ende gegangen. Umwelt- und Entwicklungs-Organisationen haben jetzt mit Unverständnis und Enttäuschung auf die Ergebnisse der Konferenz reagiert und vor allem den Großmächten USA, Russland und China vorgeworfen, einen wirksamen Klimaschutz zu blockieren.



Auf der UN-Klimakonferenz wurde zwar eine zweite Verpflichtungsperiode des Kyoto-Protokolls verabschiedet - doch dieser Vertrag umfasst nur rund 15 Prozent der weltweiten Emissionen. Ein globes Klimaschutzabkommen, das die größten Emittenten von klimaschädlichen Treibhausgasen - die USA und China - miteinbezieht, ist weiter nicht in Sicht, auch wenn verlaubart wurde, es sei ein Fahrplan der Verhandlungen für das neue Abkommen auf den Weg gebracht worden. Das "Doha Climate Gateway" genannte Abschlussdokument von Doha sieht zudem vor, dass die CO2-Emissionsrechte für 13 Milliarden Tonnen klimaschädliches CO2 - ein Drittel der globalen Emissionen pro Jahr - weiter im Markt bleiben.

"Auf dem diesjährigen Klimagipfel haben erneut die Großmächte USA, Russland und China dominiert und gebremst", sagte Martin Kaiser, Klimaexperte bei Greenpeace. "Ohne politische Führung durch Staats- und Regierungschefs sind die Teilnehmer des Klimagipfels offensichtlich nicht arbeitsfähig. Die Verhandlungen unter den Ministern haben wieder einmal nicht das geliefert, was Millionen von Menschen weltweit dringend erwarten."

Greenpeace sieht jetzt besonders die Europäische Union und die deutsche Bundesregierung in der Pflicht. "Mit den Beschlüssen von Doha gibt es für Deutschland kein Zurück mehr. Bis zum nächsten EU-Rat im März 2013 muss Kanzlerin Merkel den Koalitionsstreit um das 30-Prozent-Ziel lösen und Europa in eine neue Führungsrolle bringen", sagte Kaiser. Europa spiele eine zentrale Rolle bei der Erarbeitung eines globalen Klimaschutzvertrages bis zum Jahr 2015, da Polen und Frankreich 2013 und 2015 Gastgeber der Weltklimakonferenz sein werden. "Nur durch eine von den Staats- und Regierungschefs gemeinsam getragene Klimaaußenpolitik kann Europa die Allianzen aufbauen, die den Ausbau der Erneuerbaren Energien weltweit beschleunigen."

Es gebe jetzt zwar einen vagen Fahrplan für Verhandlungen über den massiven Zuwachs der internationalen Klimafinanzierung, berichtete Sven Harmeling, Teamleiter Internationale Klimapolitik bei Germanwatch. "Aber es blieb sehr unklar, ob die Industrieländer ihr 2009 gegebenes Versprechen einhalten wollen, für die Klimafinanzierung bis 2020 jährlich 100 Milliarden US-Dollar zusätzlich zu mobilisieren. Mit diesem Vertrauensbruch ist auch ernsthaft in Gefahr, dass die Entwicklungsländer ihren Beitrag an Klimaschutz leisten, um einen in großem Maßstab gefährlichen Klimawandel noch abzuwenden. Ein Durchbruch war das Arbeitsprogramm, das eine Institution für die Menschen und Staaten aufbauen soll, die immer massiver mit Klimaschäden zu kämpfen haben."

"Der Mini-Kompromiss in Doha ist ein Schlag ins Gesicht für die Menschen in den ärmsten Staaten dieser Welt, die am wenigsten zum Klimawandel beigetragen haben und am meisten von seinen Auswirkungen betroffen sind", erklärte Karl-Otto Zentel, Generalsekretär von CARE Deutschland-Luxemburg. "Für viele Entwicklungsländer sind die Auswirkungen des Klimawandels bereits jetzt Realität. Häufiger auftretende Dürren oder Fluten kosten unzählige Menschenleben, verschärfen die Armut und schränken die Chancen auf ein besseres und würdevolleres Leben für kommende Generation ein. Der Klimawandel entwickelt sich immer mehr zur größten sozialen Ungerechtigkeit unserer Zeit."

Der ausbleibende politische Ehrgeiz in Doha habe den Weg für eine Erderwärmung von vier bis sechs Grad Celsius bis zum Ende dieses Jahrhunderts freigemacht, warnte Zentel. Unzureichende Zusagen, Emissionen zu senken und Entwicklungsländer bei der Anpassung an den Klimawandel finanziell zu unterstützen, führten damit in eine "neue Ära des Klimawandels", in der es für Anpassung häufig bereits zu spät sei und die Industrieländer hierfür die Verantwortung übernehmen müssten.

"Die Industrieländer sind ohne konkrete Angebote für die Finanzierung der Schadensminderung im Gepäck nach Doha gereist. Die Lücke zwischen den notwendigen Maßnahmen und dem fehlenden politischen Ehrgeiz klafft größer denn je", sagte Zentel. Die aktuellen und fortlaufenden Verzögerungen in den Klimaverhandlungen resultieren damit in Schäden, die katastrophale Auswirkungen für die Entwicklung derzeitiger und zukünftiger Generationen haben werden."

"Ein eklatanter Mangel an Ambition und Gerechtigkeit hat in Doha dazu geführt, dass in Zukunft mehr und nicht weniger Klimagase emittiert werden. Gleichzeitig haben sich die meisten Industrieländer dem drängenden Appell der am wenigsten entwickelten Länder sowie der kleinen Inselstaaten verweigert, sie bei der Bewältigung zunehmender Schäden durch den Meeresspiegelanstieg, Stürme und Dürren finanziell substantiell zu unterstützen", kritisierte Cornelia Füllkrug-Weitzel, Präsidentin von Brot für die Welt. "Doha ist ein Weckruf, die künftige Ausgestaltung der internationalen Klimapolitik in Form und Inhalt gründlich zu überdenken."

Die Strategie der EU, zusammen mit Entwicklungsländern eine Vorreiterallianz für den Klimaschutz zu bilden, habe in Doha einen schweren Rückschlag erlitten. "Es hat sich bitter gerächt, dass die EU abermals die Anhebung ihres Klimaziels auf minus 30% gegenüber 1990 verschoben hat. Auch die Weigerung, die Klimafinanzierung auf eine sichere Grundlage zu stellen und Instrumente für die Bewältigung schwerer Klimaschäden zu schaffen, hat dem Ansehen Europas geschadet", so Füllkrug-Weitzel weiter. 

Die Bundesregierung habe in Doha ebenfalls keine gute Figur abgegeben: "Bundesumweltminister Altmaier hat glücklos agiert und die Kanzlerin sitzt den Streit zwischen den Ministern Altmaier und Rösler aus parteipolitischen Gründen lieber aus, als sich als Klimakanzlerin zu zeigen, die sie einmal war", sagte Füllkrug-Weitzel.

In den Schatten gestellt werde dieses unangemessene Taktieren aber noch von der Rücksichtslosigkeit, mit der sich die USA allen konstruktiven Ansätzen widersetzt hätten. 

"Es erfüllt mich mit tiefer Sorge, dass die alten Gräben zwischen Nord und Süd wieder aufreißen", so Füllkrug-Weitzel. "Aber auch das babylonische System der Klimaverhandlungen muss dringend verschlankt werden. Es wirkt nur denen in die Hände, die den ganzen Prozess so lange wie möglich aufhalten oder gar zurückdrehen wollen. Doha steht hierfür."

www.unfccc.int


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