Tunis. - Die von den Ländern der Europäischen Union im Verlauf des "Arabischen Frühlings" gemachten Zusagen für Erleichterungen bei der Reisefreiheit und befristete Arbeitsmöglichkeiten sind nichts als Makulatur. Das ergibt eine Studie nichtstaatlicher Organisationen, die anlässlich des Weltsozialforums in Tunis vorgelegt wurde. Migration ist eines der zentralen Themen des Forums.
Wut, Verzweiflung und Trauer waren in den Augen der rund 30 Frauen zu sehen, die auf dem Forum an ihre meist erwachsenen Söhne und Töchter erinnerten. Ihre Kinder gelten als vermisst, seit sie versuchten, in die EU zu gelangen, wo sie sich eine bessere Zukunft erhofften. Auch mehrere Gruppen von Migranten, die aus Europa wieder in ihre Heimatländer abgeschoben wurden, nahmen an der Auftaktkundgebung teil.
Abkommen, die es zwischen der EU und Staaten wie Tunesien, Mauretanien oder Marokko schon gibt oder die in Vorbereitung sind, wirken sich negativ auf alle Bürger dieser Länder aus, die grenzübergreifend Arbeit suchen. Das belegen erste Ergebnisse einer von Brot für die Welt, Pro Asyl und medico international erarbeiteten Studie.
"Wer in einem dieser Länder arbeiten will, wird kriminalisiert und gerät unter den Generalverdacht, nach Europa fliehen zu wollen", sagte Sophia Wirsching von Brot für die Welt. Die EU habe ihre Zusagen für Erleichterungen bei Reisefreiheit und befristeten Arbeitsmöglichkeiten, die sie den Ländern des sogenannten Arabischen Frühlings vor gut zwei Jahren gegeben hat, nicht eingelöst, so die Migrations-Expertin: "Die neuen Partnerschaften sind nur Makulatur, es läuft alles wie früher: Die Maghreb-Staaten verpflichten sich, Migranten aus den Staaten südlich der Sahara wie Kamerun, Nigeria und Senegal aufzuhalten und damit an der Flucht in Richtung Europa zu hindern – und dafür bekommen sie Geld von der EU."
Zu den Menschen, die nach Europa kommen wollen, gehören auch immer häufiger junge Fischer aus Nord- und Westafrika. Über die Motive seiner Kollegen, mit zum Teil maroden Booten die Überfahrt zu wagen, berichtete Ahmed Sitaa bei einem Besuch der Delegation von Brot für die Welt in dem Fischerdorf Gahr el Melh: "Wir fangen immer weniger Fisch, weil ausländische Trawler in die uns vorbehaltene 12-Meilen-Zone eindringen und unsere Fanggründe leerfischen. Deshalb sehen manche von uns hier einfach keine Perspektive mehr."
Brot für die Welt stellt in Tunis seine Arbeit zu Migration und Fischerei sowie Ernährungssicherheit und Tourismus zur Diskussion. Das Weltsozialforum dauert noch bis zum 30.3.2013.
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