un summitNew York (epo). - Unmittelbar vor Beginn der 60. Vollversammlung der Vereinten Nationen haben sich Unterhändler einer UN-Kerngruppe aus 33 Nationen auf eine Schlusserklärung für den Weltgipfel geeinigt. Während Diplomaten das Kompromisspapier als Erfolg bezeichneten, zeigten sich regierungsunabhängige Organisationen wie Human Rights Watch und Oxfam enttäuscht über die durch zahlreiche Änderungen und Streichungen "verwässerte" Erklärung.

Die auf 35 Seiten gekürzte Gipfelerklärung soll von den rund 170 Staats- und Regierungschefs auf dem heute beginnenden UN-Gipfel verabschiedet werden. In dem Papier soll die Staatengemeinschaft zum verstärkten Kampf gegen die weltweite Armut und zur einer grundlegenden Reform der UNO aufgerufen werden.

Die Tagesordnung des Weltgipfels vom 14.-16. September 2005 orientiert sich an den Vorschlägen, die im Bericht "In größerer Freiheit" von UN-Generalsekretär Kofi Annan im März dieses Jahres vorgestellt wurden. Diese Vorschläge wurden von einer Kerngruppe von 33 Staaten in informellen Konsultationen unter Leitung des gabunischen UN-Botschafters Jean Ping einer Bewertung unterzogen und stark überarbeitet. Allein die USA hatten rund 700 Änderungswünsche vorgetragen.

Im jetzt zur Debatte stehenden Entwurf der Abschlusserklärung wurden ambitionierte Ziele entweder gestrichen oder auf später verschoben. Detaillierte Angaben zur Umstrukturierung der umstrittenen UN-Menschenrechtskommission und zur Reform der internen Verwaltungsstrukturen fehlen ebenso wie eine Definition des Begriffs "Terrorismus", der Aufruf zur weltweiten nuklearen Abrüstung oder eine bindende Verpflichtung der Industrieländer zur Aufstockung der öffentlichen Entwicklungshilfe (ODA) auf 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens. Letzteres fordern die Vereinten Nationen schon seit 1970. Ganz im Sinne der US-Administration findet der von den USA abgelehnte Internationale Strafgerichtshof mit keinem Wort mehr Erwähnung im aktuellen Dokument.

UN-Generalsekretär Kofi Annan begrüßte die Einigung auf ein Kompromisspapier, räumte aber ein: "Offensichtlich haben wir nicht alles erhalten, was wir wollten." Annan beklagte vor allem, dass keine Einigung über die Passagen zur Nichtweiterverbreitung von Kernwaffen und zur Abrüstung erzielt wurden. "Das ist eine wirkliche Schande", sagte Annan, und verwies auf die ebenfalls gescheiterte Konferenz über die Nichtweiterverbreitung von Atomwaffen vom Mai dieses Jahres.

UN-Diplomaten sagten dennoch, das Dokument biete eine "gute Grundlage für die bevorstehenden Verhandlungen". Es sei gelungen, in wichtigen Punkten wie dem Kampf gegen Armut und Terrorismus, zu den Menschenrechten und der Reform der UNO-Verwaltung eine Einigung zu erzielen.

Der deutsche UNO-Botschafter Gunter Pleuger erklärte, das Papier sei wohl nicht der große Reformentwurf, den UN-Generalsekretär Kofi Annan vor zwei Jahren vorgelegt habe, aber ein wichtiger Schritt zu einer grundlegenden UN-Reform. Die deutsche Delegation ist mit den zwei Grünen-Politikern, Außenminister Joschka Fischer und BMZ-Staatssekretärin Uschi Eid, in New York vertreten.

Die bündnisgrüne Bundestagsfraktion erklärte zum Gipfeldokument: "Wir hätten uns mehr Deutlichkeit in den Teilen über einen erneuerten Menschenrechtsrat, die internationale Schutzverantwortung und die Reform des Sicherheitsrats gewünscht. Diese Initiativen sind unverzichtbar, damit die Vereinten Nationen ihren Aufgaben im globalisierten 21. Jahrhundert besser nachkommen können. Schwach sind die Aussagen auch in der Handelspolitik. Handel kann zur Verringerung der Armut beitragen, wenn Subventionen gekürzt, Märkte in Industrieländern geöffnet werden und für Entwicklungsländer vorteilhaftere Regeln gelten.Ebenso bedauern wir, dass es nicht gelungen ist, einen Konsens über die Verhinderung der Verbreitung von Massenvernichtungswaffen und gleichzeitig notwendige Abrüstungsschritte zu erreichen."

Dennoch nannte die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die Abschlusserklärung "ein substantielles Ergebnis". "Die Befürchtung, dass die Entwicklungsziele der Vereinten Nationen durch das Schlussdokument geschwächt werden, hat sich nicht bestätigt." Woraus die Fraktion diesen Optimismus gewinnt, wird in der Erklärung der Fraktion allerdings nicht deutlich.

Die Erweiterung des UN-Sicherheitsrats wurde an die UN-Generalversammlung zurückverwiesen. Mehrere Staatengruppen hatten sich im Wettbewerb um die Sitze gegenseitig blockiert. "Wir müssen die Verhandlungen über eine Resolution der Generalversammlung praktisch wieder bei Null beginnen", sagte UN-Botschafter Gunter Pleuger. Deutschland bewirbt sich zusammen mit Japan, Indien und Brasilien um einen ständigen Sitz.

Die US-Delegation machte nach einem Bericht der New York Times "eine gute Miene zum Ergebnis". Der US-amerikanische UN-Botschafter John Bolton, ein erklärter UN-Gegner, sagte über den Kompromiss, er sei weit entfernt "von der kulturellen Revolution, die wir beim Managament und der Führung der Vereinten Nationen benötigen". Die USA hatten alle konkreten Verpflichtungen zu einer Erhöhung der Entwicklungshilfe abgelehnt und eine UN-Reform nach dem Stil eines Konzernmanagments mit einem starken Generalsekretär und externen Buchprüfern gefordet, während kleinere UN-Mitgliedsstaaten die Kontrolle über Etats und Maßnahmen bei der Generalversammlung belassen wollten.

Der Schweizer Bundespräsident Samuel Schmidt begrüßte vor Medien in New York vor allem die Gründung eines neuen Menschenrechtsrates, der die zuletzt umstrittene Menschenrechtskommission ersetzen soll. Die Schweiz hätte es aber vorgezogen, "wenn das Dokument etwas mehr Profil und eine griffigere Sprache" enthalten hätte.

Die jetzige Erklärung ersetzt an vielen Stellen konkrete Ziele und Maßnahmen mit allgemeinen Aussagen und Absichtsbekundungen. Die Details sollen nun im Rahmen der einjährigen Sitzungsperiode der UN-Vollversammlung geklärt werden. Unmittelbar nach der Einigung auf die Abschlusserklärung eröffnete der schwedische Diplomat Jan Eliasson am Dienstagabend die 60. UNO-Vollversammlung.

Sprecher von Menschenrechtsgruppen und anderen nichtstaatlichen Organisationen machten in ersten Reaktionen ihrer Enttäuschung über die "verwässerte" Gipfelerklärung Luft. Der Berater der britischen Hilfsorganisation Oxfam, Max Lawson, erklärte: "Wir sind wirklich deprimiert." Die in der Erklärung enthaltenen Verpflichtungen seien schon vor drei Jahren gemacht worden. Es sei "schrecklich", wenn der Stillstand als Erfolg verkauft werde.

icon Entwurf der Gipfelerklärung (106.78 KB)
 UN Gipfel 2005  

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