buessemaker gabriele eg 100Berlin. - Die Personalpolitik von Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) ist durch einen Bericht des Bundesrechnungshofes erneut in die Kritik geraten. Wie die "tageszeitung" (taz) unter dem Titel "Teure Vetternwirtschaft" am Montag berichtete, rügt der Rechnungshof die personelle Einstufung und Bezahlung der Geschäftsführerin der Servicestelle für Entwicklungsinitiativen "Engagement Global". Die FDP-Frau verdient rund 100.000 Euro pro Jahr.

"Die Funktionen der Geschäftsführung der Engagement Global sind deutlich überwertet", heißt es laut taz im Bericht des Bundesrechnungshofes. Geschäftsführerin Gabriele Büssemaker (Foto) sei der Besoldungsgruppe B6 zugeordnet und habe im Jahr 2012 Gesamtbezüge in Höhe von knapp 100.600 Euro erhalten. Eine B6-Stelle stehe Führungspersonal wie dem Präsidenten des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung zu.

Engagement Global mit Sitz in Bonn vereint seit dem 1. Januar 2012 Einrichtungen, Initiativen und Programme, "die sich in der entwicklungspolitischen Arbeit aktiv für ein gerechtes globales Miteinander einsetzen". Nichtstaatliche Organisationen bezweifeln nicht den Sinn der Einrichtung, fühlen sich aber häufig übergangen, wenn es um Mitsprache und Beteilung geht.

Niebel hatte die Geschäftsführer-Position bei Engagement Global nach einer Ausschreibung mit Gabriela Büssemaker besetzen lassen und verwies dabei auf die kommunalpolitische Erfahrung der früheren Oberbürgermeisterin der Stadt Ettlingen bei Karlsruhe (39.000-Einwohner). Entwicklungspolitische Kompetenz brachte sie als gelernte Rechtsanwalts- und Notarsgehilfin und frühere Event-Managerin nicht mit. Der Staatssekretär im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), Hans-Jürgen Beerfeltz (FDP), verteidigte die Besetzung der Position durch Büssemaker: die Einstellung sei "in einem transparenten Verfahren mit externer Unterstützung durch eine Personalagentur" vorgenommen worden, betonte Beerfeltz.

"Es ist üblich, dass Minister ihre Freunde mit Posten versorgen, aber bei Dirk Niebel haben es die Parteifreunde besonders einfach", urteilt hingegen die taz und verweist auf einen Bericht des ARD-Magazines "Monitor" vom Mai 2013, demzufolge der FDP-Minister Niebel seit 2009 mehr als 40 FDP-Mitglieder und -Mitarbeiter eingestellt hat. Die Opposition sprach auch von "Vetternwirtschaft" des Ministers. Selbst die FDP-Basis in Baden-Württemberg erklärte, die Personalie sei mit einem "G'schmäckle" behaftet. Auch der Personalrat des BMZ hatte die Praxis der Stellenbesetzung durch Niebel gerügt.

"Jetzt ist es amtlich", kommentierte Ute Koczy, die entwicklungspolitische Sprecherin der bündnisgrünen Bundestagsfraktion, den Rechnungshof-Bericht. "Minister Dirk Niebel agiert in Personalfragen nicht einfach nur dreist, sondern am Rande der Legalität. Ungeniert hat der Minister in seiner Amtszeit die Pforten des Entwicklungsministeriums (BMZ) für fachfremde FDP-Parteifreunde geöffnet. Als Frau Büssemaker ohne fachliche Vorkenntnisse auf ihren Leitungsposten bei Engagement Global gehievt wurde, tat die BMZ-Leitung alle Kritik als haltlos und unverschämt ab. Nun wird öffentlich, dass auch der Bundesrechnungshof die Personalpolitik von Minister Niebel rügt. Das ist mehr als nur eine Blamage. Diese Vorwürfe lassen sich nicht länger schönreden. Wir fordern Konsequenzen und die Offenlegung der Verfahren bei dieser Einstellung nach FDP-Parteibuch."

"Wir kritisieren die Amtsführung von Minister Niebel aufs Schärfste", betonte Koczy. "Er hat in den vergangenen vier Jahren die Hausstrukturen unnötig aufgebläht und über 40 FDP-Genossen versorgt. Der beispiellose Postenversorgungsfeldzug für FDP-Kollegen ging auf Kosten der Fachlichkeit des zuvor hochprofessionellen Ministeriums."

Die Grünen-Politikerin warf der Leitung der Servicestelle Engagement Global vor, sie tue sich "vor allem durch Zensur, den Aufbau von Doppelstrukturen und einem vermurksten Entwicklungstag hervor". Das Verhältnis zwischen Bundesregierung und Zivilgesellschaft sei auch aufgrund dieser Personalie auf einem Tiefpunkt angelangt.

"Jetzt ist es amtlich: Minister Niebel hat sein Ministerium auf Kosten der Steuerzahler als Versorgungsamt für FDP Mitglieder missbraucht. Der Vorwurf des Rechnungshofes fügt sich in eine Reihe weiterer Vorwürfe ein", so Niema Movassat, Entwicklungspolitiker der Fraktion DIE LINKE. "Dirk Niebel hat seinen Posten als Minister mehrfach dazu missbraucht, Parteifreunde, auch jene ohne jegliche fachliche Qualifikation, mit lukrativen Jobs in seinem Hause zu versorgen. Das wird dem Ministerium auch in Zukunft noch einige Probleme bereiten. Anstatt den ärmsten Ländern der Welt zu helfen, hat sich Niebel in den letzten vier Jahren hauptsächlich um die FDP und die deutsche Wirtschaft gekümmert. Minister Niebel muss endlich umfassend zu den erhobenen Vorwürfen äußern."

BMZ: "DIE TAZ SOLLTE SICH SCHÄMEN!"

beerfeltz 100Hans-Jürgen Beerfeltz (FDP), Staatssekretär im BMZ, reagierte am Dienstag heftig auf den taz-Artikel: "Die taz sollte sich gerade bei ihrem so hohen moralischen Anspruch schämen, zwei Wochen vor der Bundestagswahl eine solche Geschichte aus alten, aufgewärmten und längst widerlegten Vorwürfen ins Blatt zu nehmen. Sie kann das BMZ gern wegen der inhaltlichen Neuausrichtung der Entwicklungspolitik kritisieren, aber es ist schändlich, Auflagensteigerung mit falschen Informationen, falschen Zahlen und falschen Beschuldigungen zu betreiben."

Beerfeltz argumentierte, Engagement Global koordiniere die Finanzierung für 1.800 Nichtregierungsorganisationen, die Entsendung von jährlich 3.300 weltwärts-Freiwilligen und die Zusammenarbeit mit über 5.000 staatlichen Partnern wie Kommunen, Ländern, Schulen und Universitäten. Allein im Jahr 2012 seien 5.700 Interessierten durch Engagement Global beraten worden. 76.000 Menschen hätten sich auf hunderten Veranstaltungen von Bildung trifft Entwicklung informiert.

"Für all diese politisch anspruchsvollen Aufgaben trägt Frau Büssemaker eine enorm große und weit mehr als nur administrative Verantwortung", so Beerfeltz weiter. "Sie ist insgesamt für ein Budget von mehr als 150 Millionen Euro und rund 225 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verantwortlich. Allein über 80 Millionen Euro fließen an private Träger. Die Bezahlung von Frau Büssemaker ist deshalb angemessen."

Die quantitative und qualitative Stellenbemessung sie überdies auf Grundlage eines Gutachtens erfolgt, das zwischen Januar und Juli 2011 im Auftrag des BMZ und gemeinsam mit dem Bundesverwaltungsamt durchgeführt worden sei. Der Stellenplan der Organisation sei im Deutschen Bundestag beschlossen worden.

Beerfeltz ging allerdings nicht auf die Kritik des Bundesrechnungshofes ein. Das Argument, Engagement Global habe riesige Koordinierungsaufgaben zu bewältigen und die Geschäftsführerin deshalb große Verantwortung, scheint zudem brüchig: Folgt man dieser "Logik", müsste der Geschäftsführer des Bundes für Umwelt und Naturschutz (480.000 Mitglieder, Förderinnen und Förderer; 2000 Kreis- und Ortsgruppen; international vernetzt mit der Dachorganisation Friends of the Earth) ein Vielfaches des Gehalts von Büssemaker erhalten.

Foto: © Engagement Global

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