wvFriedrichsdorf. - Kinder im Krisengebiet Ostkongo sind in großem Maßstab Opfer von Gewalt. Tod, Vergewaltigungen und Zwangsrekrutierungen als Kindersoldaten gehören für sie zum Alltag. Das zeigt ein Report der Kinderhilfsorganisation World Vision. Für den Report "No One To Turn To" hat World Vision rund 100 Kinder und Jugendliche in den Provinzen Nord- und Süd-Kivu befragt. Das Ergebnis: 36 Prozent von ihnen haben als Opfer oder als Zeugen extreme Gewalt erlebt, 38 Prozent gaben an, ständig oder täglich Angst zu haben.

"Es war zu erwarten, dass sich dieser Konflikt auf die Kinder auswirken würde. Aber das Ausmaß hat uns erschreckt", erklärte Frances Charles, Kinderrechte-Fachmann bei World Vision im Osten der Demokratischen Republik Kongo. "Die Gräueltaten, die von ihnen beschrieben werden – zu sehen, wie die Eltern getötet werden, von Zuhause flüchten zu müssen, überfallen zu werden - passieren so häufig, dass viele Kinder solche Ereignisse inzwischen als Alltag betrachten."

In dem Report berichten Kinder von brutalen Tötungen, Vergewaltigungen und Zwangsrekrutierungen. Ihre Aussagen spiegeln die offiziellen Zahlen wieder: Nach UN-Angaben wurden im Kongo im Jahr 2013 151 Kinder getötet oder verstümmelt. Rebellen oder Regierungssoldaten vergewaltigten 260 Mädchen. Eine zunehmende Zahl von Jungs und Mädchen wird auch gezwungen, sich als Kindersoldaten bewaffneten Rebellentruppen anzuschließen: 2012 waren es nach offiziellen Angaben 600, 2013 1000. Die Dunkelziffern liegen bei allen Delikten aber weit höher. World Vision Deutschland veröffentlicht den Report anlässlich des internationalen "Red Hand Days" gegen den Einsatz von Kindern als Soldaten (12. Februar).

Nahezu jedes der befragten Kinder (96 Prozent) musste sein Zuhause unter Zwang verlassen. Der Großteil ist sogar mehrfach geflüchtet. Sie teilen das Schicksal eines ganzen Landes: In der Demokratischen Republik Kongo sind derzeit 1,5 Millionen Menschen auf der Flucht.

Mehr als die Hälfte der Kinder sind mit ihrem Leid völlig allein. Sie haben keine Eltern oder erwachsenen Verwandten, an die sie sich wenden können. Deshalb, so Charles, sei Unterstützungund Schutz für sie jetzt überlebensnotwendig. Durch die andauernde Gewalt laufen sie sonst Gefahr, bleibende körperliche und psychische Schäden davon zu tragen, heißt es in dem Report.

"Der umfassende Schutz von Familien und Kindern muss jetzt absoluten Vorrang haben", forderte Ekkehard Forberg, Friedens- und Konfliktexperte bei World Vision Deutschland. Der anstehende politische Prozess biete dafür eine große Chance. "2014 ist womöglich das beste Zeitfenster seit langem, um im Kongo Frieden herzustellen. Die Situation ist ernst, aber nicht hoffnungslos."  

Für 2014 haben die Regierungen der Demokratischen Republik Kongo und zehn weiterer Staaten der Region angekündigt, die 2013 ausgehandelte Rahmenfriedensvereinbarung PSCF (Peace, Security and Cooperation Framework) mit konkreten Zielen und Maßnahmen zu füllen. Auch die deutsche Regierung müsse dabei ihren Einfluss geltend machen, forderte Forberg.

Aussagen von Kindern aus dem Report

"Seit ich vergewaltigt wurde, habe ich immerzu Angst. Jedes Mal, wenn ich ein lautes Geräusch höre, wenn zum Beispiel ein Teller runterfällt, zieht es mir das Herz zusammen. Ich habe ständig Angst, weil die Kämpfe nicht aufhören." (Laini, 14 Jahre alt)

"Ich hörte Schüsse und rannte mit meiner Mutter los. Ich war meiner Mama ein Stück voraus, sie haben sie getötet. Dann, auf der Flucht, vergewaltigten mich zwei bewaffnete Männer, und ich wurde schwanger." (Mapendo, 16 Jahre alt)

"Bewaffnete Männer kamen. Ich sah, wie sie die Erwachsenen nahmen, sie mit ihren eigenen Kleidern an Armen und Beinen fesselten, und wie sie ihnen dann mit Hämmern die Köpfe einschlugen." (Patrick, 12 Jahre alt)

"Die Rebellen kamen in meine Schule und sagten: Wir werden dich in unsere Armee aufnehmen. Ich beschloss zu fliehen. Mein großer Bruder blieb zurück. Ich weiß nicht, wo er jetzt ist." (Raphael, 15 Jahre alt)

"Am meisten haben wir Angst davor, vergewaltigt zu werden. Weil das nicht nur eine Person ist, die das macht. Es können mehr als zehn Menschen oder bewaffnete Männer sein, die unter Drogen stehen. Und wir sind nur kleine Mädchen" (Zabibu, 14 Jahre alt).

HINTERGRUND

Seit Ende 1999 sind Blauhelme der Vereinten Nationen im Rahmen der MONUSCO-Friedensmission in der DR Kongo stationiert. Die deutsche Regierung fördert seit mehr als 35 Jahren Programme zur kurzfristigen Nothilfe bei Krisen wie auch zum langfristigen Aufbau des Landes, darunter auch Nothilfeprojekte von World Vision Kongo.

World Vision führt in der Provinz Nord-Kivu derzeit ein Gesundheitsprojekt für vom Krieg betroffene Kleinkinder und Mütter durch. Das Resozialisierungsprojekt "Rebound" für ehemalige Kindersoldaten und Jugendliche, die Opfer militärischer oder sexueller Gewalt wurden, richtet sich an Kinder und Jugendliche in der Region Beni, Nord-Kivu. BAP-Frontmann Wolfgang Niedecken initiierte es gemeinsam mit World Vision und Outdoor-Ausstatter Jack Wolfskin.

Report "No One To Turn To" (englischsprachig)

Quelle: www.worldvision.de

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