mueller gerdBerlin. - Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) hat am Dienstagabend das Diplomatische Korps zum traditionellen Jahresempfang eingeladen. Erwartet wurden mehr als 80 Repräsentanten aus allen Erdteilen, darunter die Botschafterinnen und Botschafter der Partnerländer der deutschen Entwicklungszusammenarbeit, aber auch die diplomatischen Vertreter von EU-Staaten und anderer Geberländer sowie aus dem Kreis der G20-Mitgliedsstaaten.

Der Empfang des diplomatischen Korps fand in diesem Jahr in den Räumen der KfW-Niederlassung in Berlin statt. In seiner Grundsatzrede warb Müller für gemeinsame Antworten der Weltgemeinschaft auf zentrale Herausforderungen wie Armut, Konflikte, Umweltzerstörung oder Klimawandel – gerade auch im Hinblick auf das entwicklungspolitisch wichtige Jahr 2015:

"Wir müssen nicht weniger leisten, als eine neue, humane und gerechte Weltordnung zu schaffen, die auch eine Werteordnung ist, die Lebensperspektiven für alle bietet. In der wieder gilt, was eigentlich selbstverständlich ist: Alle Menschen haben das gleiche Recht auf ein Leben in Würde, in Frieden und Freiheit. Das ist unabhängig von allen kulturellen Unterschieden unsere gemeinsame Wertebasis."

Nachfolgend das vollständige Redemanuskript:

Rede Botschafterempfang
Bundesminister Dr. Gerd Müller, Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

"Gemeinsam Verantwortung wahrnehmen"

Es gilt das gesprochene Wort!

Exzellenzen,
sehr geehrte Damen und Herren,

ich freue mich sehr, dass Sie so zahlreich meine Einladung angenommen haben. Es ist mir sehr wichtig, gleich zu Beginn meiner Amtszeit als Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung einen intensiven Gedankenaustausch mit Ihnen zu führen. Denn die Welt steht vor gewaltigen Herausforderungen, die wir nur zusammen lösen können. Armut, Konflikte, Umweltzerstörung und Klimawandel - das alles erfordert unsere gemeinsamen Antworten.

Wir müssen nicht weniger leisten, als eine neue, humane und gerechte Weltordnung zu schaffen, die auch eine Werteordnung ist, die Lebensperspektiven für alle bietet. In der wieder gilt, was eigentlich selbstverständlich ist: Alle Menschen haben das gleiche Recht auf ein Leben in Würde, in Frieden und Freiheit. Das ist unabhängig von allen kulturellen Unterschieden unsere gemeinsame Wertebasis. Dazu haben sich alle Staaten dieser Erde in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948 bekannt.

Die Welt von heute wird dem nicht gerecht. 20 Prozent der Weltbevölkerung beanspruchen 80 Prozent des Reichtums und verursachen zwei Drittel der Umwelt- und Klimaschäden.

Eine Milliarde Menschen hat nicht genug zu essen. Und die Weltbevölkerung wächst täglich weiter um 230.000 Menschen, 80 Millionen im Jahr, auf 9 Milliarden im Jahr 2050.

Würden alle Menschen auf der Erde auf dem Konsumniveau von uns Deutschen und Europäern leben, dann bräuchten wir bereits heute drei Planeten.

Es hat sich gezeigt, das freie Spiel der Mächte und der Markt ohne jegliche Kontrolle schaffen keine Gerechtigkeit. Der Markt braucht Grenzen, Macht braucht Regeln. Ökologische und soziale Standards müssen Eingang finden in die Finanz- und Wirtschaftswelt, in internationale Handels- und Investitionsabkommen. Das werden wir in der EU und auch in der WTO vorantreiben. Wir müssen und wir wollen die Globalisierung so gestalten, dass sie allen Menschen dient.

Dazu brauchen wir einen Paradigmenwechsel im Denken und im Handeln, weltweit, sowohl in den Industrieländern als auch in den Entwicklungs- und Schwellenländern. Jeder muss dafür in seiner Rolle Verantwortung tragen.

Deutschland ist bereit dazu, seinen Beitrag zu leisten, auch bei uns zu Hause. Ich nenne nur die Energiewende, mit der wir unter großen Anstrengungen einen nachhaltigen Weg der Energieversorgung eingeschlagen haben.

Deutschland ist aber auch bereit, international mehr Verantwortung zu übernehmen. Anders als zuletzt in den Medien berichtet, steht dabei die Entwicklungszusammenarbeit im Zentrum. Deshalb erhöht die Bundesregierung die Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit um 2 Milliarden Euro für die nächsten 4 Jahre.

Afrika wird unser regionaler Schwerpunkt bleiben. Wir werden auch weiterhin mehr als 50 Prozent unserer bilateralen Mittel hier einsetzen. Für mich ist Afrika vor allem ein Kontinent mit ungeheuren Chancen. Ich werde die deutsche Wirtschaft gezielt ansprechen, sich in Ländern stärker zu engagieren, wo die Rahmenbedingungen stimmen.

Hunger und absolute Armut sind eine unerträgliche Form von Menschenrechtsverletzung. Ich will eine Welt ohne Hunger und absolute Armut. Deshalb beabsichtige ich, mit jährlich 1 Milliarde Euro gezielt die ländliche Entwicklung zu fördern. Dazu schlage ich vor, in Afrika beispielhaft 10 grüne Wertschöpfungszentren aufzubauen. Unser Leitbild sind dabei nicht Agrofabriken, sondern leistungsfähige bäuerliche Betriebe, die die lokale Ernährung sichern und Wertschöpfung vor Ort schaffen. Von der Herstellung bis zum Konsum wollen wir versuchen, mit dem besten vorhandenen Know-how die Produktivität mindestens zu verdoppeln und gleichzeitig Lagerverluste massiv zu reduzieren. Es würde mich freuen, wenn Sie bei Ihren Regierungen Interesse für diesen Ansatz wecken könnten.

Als besonders schlimm empfinde ich die Lage von Menschen, die in ihren Heimatländern unter Gewalt und Konflikten leiden. Flucht und Vertreibung führen fast immer in eine humanitäre Katastrophe und nicht selten in eine neue Spirale von Spannung und Gewalt. Mein Dank gilt allen Staaten, die Menschen aus ihren Nachbarländern Zuflucht gewähren, die aus ihrer Heimat fliehen mussten. In unserer bilateralen Zusammenarbeit werden wir mehr Mittel und mehr Instrumente einsetzen, um Flüchtlingen und den Aufnahmeländern zu helfen, bei der Bewältigung der akuten Notsituation und auch bei der Reintegration. Weil unser Engagement allein nicht ausreicht, macht Deutschland sich stark für ein europäisch abgestimmtes Flüchtlingskonzept. Vor allem wollen wir uns aber noch stärker in fragilen Staaten engagieren, um Konflikten vorzubeugen und Fluchtursachen zu bekämpfen.

Bildung wird ein weiterer Schwerpunkt sein, denn sie ist die Grundlage jeder Entwicklung. In diesem Bereich werden wir deshalb mindestens 400 Millionen Euro jährlich investieren.

Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel gehören zu den drängendsten globalen Herausforderungen. Deutschland ist schon jetzt in diesem Bereich der zweitgrößte Geber weltweit mit rund 1,8 Milliarden Euro im letzten Jahr. Dieses Engagement werden wir fortsetzen.


Exzellenzen,
meine Damen und Herren,

die Entwicklung eines Landes muss von innen kommen, und jedes Land muss seinen eigenen, ganz spezifischen Entwicklungsweg finden. Bei aller Vielfältigkeit muss dies aber auf unserer gemeinsamen Wertebasis geschehen. Dazu gehören Demokratie und Menschenrechte, die Gleichberechtigung von Mann und Frau, Rechtstaatlichkeit und gute Regierungsführung. Auf
dieser Grundlage, die wir unabhängig von kulturellen Unterschieden teilen, werden wir unsere Partner dabei unterstützen, ihre jeweilige Strategie für nachhaltige Entwicklung umzusetzen.
2015 stehen zwei zentrale internationale Prozesse an, die wir nur gemeinsam zum Erfolg führen können.

Das sind zum einen die neuen globalen Ziele für nachhaltige Entwicklung, die im September 2015 von den Vereinten Nationen beschlossen werden sollen. Und zum anderen ist es die Pariser Klimakonferenz am Ende des Jahres, deren Ergebnis ein neues Klimaabkommen sein soll.

Die Post-2015-Agenda der Vereinten Nationen muss sich sowohl an die Entwicklungs- als auch an die Industrieländer richten. Sie muss die unterschiedlichen Rollen berücksichtigen, aber auch die gemeinsame Verantwortung betonen. Es geht dabei sowohl um die Menschen als auch um die Bewahrung der natürlichen Lebensgrundlagen.

Ganz entscheidend für den Erfolg dieser Agenda wird sein, dass sich alle Akteure beteiligen. Hier in Deutschland werden wir dafür zusammen mit der Zivilgesellschaft, mit den Kirchen und der Wirtschaft eine Zukunftscharta erarbeiten.

Wenn 2015 ein Erfolg werden soll, dann müssen wir bereits 2014 die entscheidenden Weichen stellen. Die Herausforderungen sind gewaltig. Aber wenn wir die internationale Zusammenarbeit verstärken, können wir sie bewältigen. Wenn wir alle die dafür nötigen Veränderungsprozesse bei uns selber anstoßen, dann kann der Paradigmenwechsel gelingen. Ein Ende von pandemischen Krankheiten, von Hunger und Armut und ein ökologisch nachhaltiges Wirtschaften zum Wohle der Menschen sind möglich. Und das ist zugleich die Grundlage für dauerhaften Frieden.

Deutschland will dazu seinen Beitrag leisten, mehr noch als bisher, sowohl durch tiefgreifende Veränderungen bei uns im Land, als auch durch die verstärkte Zusammenarbeit mit Ihnen.

Quelle: www.bmz.de

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